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Rivlin und Duda beharren in Auschwitz auf ihren Standpunkten

Beim traditionellen „Marsch der Lebenden“ gedenken in Auschwitz Tausende an die Opfer der Scho'ah. Ein Thema ist in den Köpfen allgegenwärtig, wird aber bei den Reden ausgespart.
Mit 12.000 Teilnehmern: Die Präsidenten Israels und Polens auf der ehemaligen Todesstrecke

AUSCHWITZ (inn) – Etwa 12.000 Menschen aus 40 Ländern haben am Donnerstag in Polen am „Marsch der Lebenden“ teilgenommen. Sie marschierten von Auschwitz nach Birkenau – die drei Kilometer hatten während des Zweiten Weltkrieges für viele Häftlinge des Konzentrationslagers den Marsch in den Tod bedeutet. Als Symbol für das Weiterleben des jüdischen Volkes nach dem absoluten Tiefpunkt wurde vor 30 Jahren der „Marsch der Lebenden“ initiiert. Auch in diesem Jahr nahmen daran Auschwitz-Überlebende, jüdische Jugendliche und Politiker teil.

Duda betont Schuld der deutschen Nationalsozialisten

Unterschwellig gegenwärtig war bei der Zeremonie der Streit zwischen Polen und Israel um das neue polnische Holocaust-Gesetz, das es unter Strafe stellt, Polen eine Mitschuld an der Scho’ah zu geben. Direkt thematisiert wurde es zwar nicht. Auffällig war aber, wie sehr der polnische Staatspräsident Andrzej Duda in seiner Rede die Schuld der Deutschen betonte. Dass polnische Zivilisten nach dem Zweiten Weltkrieg Holocaustüberlebende ermordet haben, die in ihre Heimat zurückkehren wollten, erwähnte er nicht. Stattdessen stellte er positive Aspekte des polnisch-jüdischen Zusammenlebens in den Vordergrund, auch in Oswiecim, wie Auschwitz auf Polnisch heißt: „Viele Jahrhunderte lang wurde die alte, historische polnisches Stadt Oswiecim nicht mit Antisemitismus und Auslöschung verbunden. Diese wurden hervorgerufen, als Deutschland in den unabhängigen polnischen Staat einmarschierte und ihn zerstörte, und dann seine Todeslager und Krematorien brachte.“ Vor 80 Jahren, während der Zweiten Republik Polen, hätten Juden in der Stadt fast 50 Prozent ausgemacht.

Jüdische und nichtjüdische Bürger hätten gemeinsam in einem souveränen Staat gelebt und gemeinsam für die polnische Unabhängigkeit gekämpft. „Jene Koexistenz wurde von den Deutschen brutal unterbrochen, die ihre eigenen unmenschlichen Gesetze den besetzten polnischen Gebieten aufzwangen, Juden in Ghettos einsperrten und sie zum Tode verurteilten“, sagte Duda. „Sie wollten die Solidarität der polnischen Nation brechen, trennten uns mit Mauern und Stacheldraht.“ Das Staatsoberhaupt ging auf polnische Bürger ein, die Juden halfen: „Sie sind die Helden unserer beiden Nationen.“ Die Nazis hätten Polen von „einem gesegneten Land, das jahrhundertelang Juden willkommenhieß, die vor der Besatzung aus dem Ausland flohen, zu einem Ort des Holocaust gemacht“.

Duda ergänzte: „Wir kommen dort zusammen, wo Nazideutsche das furchtbarste Verbrechen in der Geschichte begangen haben. Das Leiden der jüdischen Nation hier übersteigt die menschliche Vorstellung.“ Dabei kämen „Israel, eine Nation von Überlebenden, und Polen, ebenfalls brutal von Hitlers Drittem Reich verfolgt“, zusammen, um Achtung zu bezeugen. Sie kämen zusammen, „weil wir gedenken und weil wir die Wahrheit an zukünftige Generationen weitergeben wollen, um zu zeigen, dass der dämonische Plan der Deutschen, die die jüdische Nation auslöschen wollten, gescheitert ist“.

Stolz sprach der Präsident davon, dass Polen viel früher als Deutsche die Naziverbrechen dokumentiert hätten. Allerdings bezog er sich dabei auf polnische Vertreter, die kurz nach dem Krieg auf deutsche Gräueltaten hingewiesen hätten. Eine Aufarbeitung einer etwaigen polnischen Kollaboration nannte er nicht.

Rivlin: Übergang vom Tod zum Leben

Der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin sagte in Anspielung auf das umstrittene Gesetz: „Keine Nation kann Vergessen gesetzlich vorschreiben.“ Er fügte an: „Kein Gesetz kann das Blut bedecken.“ Er skizzierte den Übergang vom Tod zum Leben: „Wir sind nicht von Auschwitz nach Birkenau marschiert, nicht von Auschwitz 1 nach Auschwitz 2. Wir sind vom Tod zum Leben marschiert, vom Holocaust zur Wiedergeburt, von Auschwitz nach Jerusalem. Jeder Schritt auf diesem Marsch war ein Schritt in der Geschichte des jüdischen Volkes.“ Dabei erwähnte er auch das 70-jährige Bestehen, das der jüdische Staat in der kommenden Woche feiert. Den Marsch und die Entstehung Israels setzte er in Bezug zu dem göttlichen Auftrag an den biblischen Erzvater Abraham: „Gehe los“.

Im Gedenken an die sechs Millionen ermordeten Juden werden traditionell sechs Fackeln entzündet. In diesem Jahr entzündete Rivlin mit den Spitzen von Militär und Polizei eine weitere – zum 70-jährigen Bestehen des Staates Israel. Foto: Reuven Rivlin, Facebook
Im Gedenken an die sechs Millionen ermordeten Juden werden traditionell sechs Fackeln entzündet. In diesem Jahr entzündete Rivlin mit den Spitzen von Militär und Polizei eine weitere – zum 70-jährigen Bestehen des Staates Israel.

Bereits vor der Gedenkveranstaltung hatten die beiden Präsidenten sich getroffen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz räumte Duda laut der Online-Zeitung „Times of Israel“ nur ein, dass es „eine große Meinungsverschiedenheit“ gebe. Die Polen hätten zu keinem Zeitpunkt Zeugnisse zum Holocaust blockieren wollen. „Im Gegenteil: Wir wollten die historischen Wahrheiten verteidigen, und als Leiter möchte ich das um jeden Preis tun, selbst wenn es für uns schwierig ist.“ Rivlin hingegen erwähnte, wie bereits am Mittwochabend zum Jom HaScho’ah in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem, die polnische Verstrickung in den Holocaust: „Es besteht kein Zweifel, dass es viele Polen gab, die gegen das Naziregime kämpften, aber wir können nicht leugnen, dass (das Land) Polen und polnische Menschen an der Auschlöschung mitgewirkt haben.“ Polen sei „eine Schmiede der jüdischen Seele“ gewesen, aber „zu unserer großen Trauer auch zum größten jüdischen Friedhof“ geworden.

Indes veröffentlichte die Organisation „Stand With Us“ anlässlich des Marsches ein Video, in dem Israelis unterschiedlicher Herkunft untermauern, dass ihnen das Gedenken an die Scho’ah wichtig ist: Juden, Araber, Muslime, Christen. Sie geloben, dazu beizutragen, dass sich so etwas wie der Holocaust nie mehr ereignen könne.

Japanischer Judenretter: Gott mehr gehorchen als der Regierung

Bei der Gedenkveranstaltung in Auschwitz-Birkenau wiederum würdigten die Organisatoren den japanischen Judenretter Chiune Sugihara. Er war während des Zweiten Weltkrieges Konsul in Litauen und stellte 1940 etwa 2.000 Transitvisa für jüdische Familien aus, wodurch er schätzungsweise 6.000 Juden das Leben rettete. Damit überschritt er seine Kompetenzen deutlich und wurde schließlich von dem Posten abgezogen. In einem Videobeitrag, der gezeigt wurde, hieß es, er habe bis zur Abfahrt seines Zuges die rettenden Dokumente verfertigt. 1985 ehrte ihn Yad Vashem als „Gerechten unter den Völkern“. Rückblickend kommentierte der „japanische Oskar Schindler“ seinen Einsatz mit den Worten: „Ich mag meiner Regierung ungehorsam gewesen sein, aber wenn ich es nicht gewesen wäre, dann wäre ich Gott ungehorsam gewesen.“

Von: eh

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