Frank-Walter Steinmeier ist euphorisch. 2006 trifft sich der damalige deutsche Außenminister mit Staatenlenkern aus der ganzen Welt in Genf. In der „Friedensstadt“ wird die erste Sitzung des Menschenrechtsrates (UNHRC) eröffnet. Das Gremium war am 15. März 2006 durch Resolution 60/251 aus der Taufe gehoben worden. Es soll die Menschenrechtskommission ersetzen, die sich in den Jahren zuvor einen Ruf als Hort zahlreicher Diktaturen erworben hatte.
Steinmeier ist damals guter Dinge: „Wir stehen am Beginn einer neuen Ära.“ Die Gründung des UNHRC könne ein „Meilenstein für den weltweiten Schutz und die Förderung der Menschenrechte“ sein, hofft der SPD-Mann.
Der Menschenrechtsrat soll laut seiner Gründungserklärung „für die Förderung der allgemeinen Achtung des Schutzes aller Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle, ohne irgendeinen Unterschied und auf faire und gleiche Weise, verantwortlich sein“. Ferner ist es seine Aufgabe, sich „mit Situationen von Verletzungen der Menschenrechte“ auseinanderzusetzen. Dies solle, heißt es im Gründungsdokument außerdem, auf der Basis von „Universalität, Unparteilichkeit, Objektivität und Nichtselektivität geschehen“.
Autoritäre Staaten diktieren die Agenda
Heute, zwölf Jahre später, ist klar: Den Willensbekundungen sind nur wenige Taten gefolgt. 47 Mitglieder hat das UN-Gremium. Ein großer Teil der Staaten ist autoritär, viele auch islamisch geprägt. So sitzen derzeit unter anderen auch Pakistan, Ägypten, Saudi-Arabien, China, Kuba und Venezuela im Menschenrechtsrat.
Und das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Beobachter weisen seit Jahren darauf hin, dass die autoritären Staaten sich gegenseitig protegierten. 2010 erklärte der damalige UN-Folterberichterstatter, Manfred Nowak, der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“, dass die Staaten, die die Menschenrechte am meisten verletzten, die Mehrheit im Rat hätten. „Je besser wir (Berichterstatter, Anm. d. Red.) unsere Arbeit machen, desto mehr werden wir von den Staaten kritisiert – aufgrund politischer Interessen“, merkte Nowak schon damals an.
Als der britische Historiker David Littman im Juni 2008 vor dem UNHRC gerade zu einer scharfen Kritik an Genitalverstümmelungen, Steinigungen und Zwangsverheiratungen in islamischen Ländern ansetzen wollte, unterbrachen ihn pakistanische und ägyptische Delegierte aufgebracht. Der Islam dürfe „in diesem Rat nicht gekreuzigt werden“, hieß es laut der Wochenzeitung „Jungle World“ vonseiten Ägyptens. Der rumänische Ratspräsident forderte Littmann schlieich dazu auf, von jeglicher „Beurteilung oder Bewertung einer bestimmten Religion“ Abstand zu nehmen.
Hälfte der Resolutionen beschäftigt sich mit Israel
So nachlässig der Menschenrechtsrat mit islamischen Staaten umgeht, so hart geht er gleichzeitig mit Israel ins Gericht. Der jüdische Staat ist der einzige, der permanent auf der Tagesordnung des UNHRC steht. Während der Rat in jeder Sitzung unter Tagesordnungspunkt vier Menschenrechtsprobleme in aller Welt thematisiert oder thematisieren soll, redet er über angebliche Verbrechen der israelischen Regierung stets in einem eigens dafür konstruierten Tagesordnungspunkt (TOP 7: „Befassung mit Menschenrechten in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten“).
Wie die UN-kritische Nichtregierungsorganisation „UN Watch“ berichtet, verabschiedete der Menschenrechtsrat in den ersten zehn Jahren seines Bestehens insgesamt 135 Resolutionen. 68 davon, also mehr als die Hälfte, befassten sich mit Israels Rolle im Rahmen des Nahost-Konfliktes. Die anderen 67 Resolutionen hatten Menschenrechtsverletzungen in den übrigen 192 Staaten, inklusive den grausamsten Diktaturen der Welt, zum Gegenstand. Glaubt man also dem Rat, werden über 50 Prozent aller Menschenrechtsverletzungen weltweit im einzigen demokratischen Rechtsstaat des Nahen Ostens, Israel, begangen.
UNHRC-Sonderberichterstatter will Israel isolieren
Auch die Rolle des Sonderberichterstatters für die Situation „in den seit 1967 okkupierten palästinensischen Gebieten“ wirft ein mehr als zweifelhaftes Licht auf den UNHRC. Dieser setzt sich nur mit den Menschenrechtsverletzungen einer Konfliktpartei auseinander – nämlich denen Israels, wie es ganz offiziell auf der Homepage des UNHRC nachzulesen ist. Etwaige Menschenrechtsverletzungen durch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) soll er hingegen offenbar ignorieren. Auch über den anti-israelischen Terror der Hamas oder des ebenfalls im Gazastreifen aktiven Islamischen Dschihad unterrichtet weder er, noch ein anderer ständiger Berichterstatter den Menschenrechtsrat.
Seit 2016 wird das Amt des Israel-Sonderberichterstatters von Michael Lynk ausgefüllt – ein Mann mit fragwürdiger Vergangenheit. Kurz nach den Anschlägen vom 11. September machte der Kanadier „weltweite Ungleichheit“ und die Missachtung des internationalen Rechts durch westliche Staaten verantwortlich für den Terror. Auf einer Konferenz deutete Lynk eine Leugnung des Existenzrechts Israels an. 2009 unterstützte er eine Petition gegen „israelische Kriegsverbrechen in Gaza“. Im selben Jahr unterzeichnete er auch eine Stellungnahme zur Verteidigung aller, die das Wort „Apartheid“ im Zusammenhang mit Israel benutzen. Zudem sprach er sich 2013 in einem Meinungsbeitrag dafür aus, eine internationale „Isolierung Israels“ durch eine Verurteilung am Internationalen Strafgerichtshof anzustreben.
USA: „Unsere Geduld ist endlich“
In den Vereinigten Staaten ist die Geduld mit dem Menschenrechtsgremium inzwischen am Ende. UN-Botschafterin Nikki Haley warf dem UNHRC Ende Januar „anti-israelische Besessenheit“ wegen eines Berichtes vor, der die Zahl der Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Firmen in den „besetzten Gebieten“ beziffert.
Erst vergangene Woche verabschiedete der Menschenrechtsrat fünf weitere Resolutionen gegen Israel, die sich mit der Lage der Menschenrechte in den „von Israel besetzten“ palästinensischen Gebieten auseinandersetzen. Nur Australien und die USA lehnten alle fünf Resolutionen ab. Deutschland stimmte drei Resolutionen zu. Einmal enthielt sich die Bundesrepublik. In der selben Sitzung wurden außerdem Resolutionen gegen den Iran und Nordkorea (jeweils eine) sowie gegen Syrien (zwei) verabschiedet.
Angesichts dieses Ungleichgewichts erklärte Haley: „Wenn der UNHRC Israel schlechter behandelt als Nordkorea, den Iran und Syrien, ist das albern. Der Menschenrechtsrat ist seines Namens nicht würdig“. Es sei an der Zeit, dass jene Länder, die dies wüssten, Veränderungen vorantreiben. Andernfalls zögen die USA einen Austritt ernsthaft in Erwägung, denn, warnte Haley, „unsere Geduld ist endlich“.
Netanjahu: „Absurder Zirkus“
Auch der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahschon, zeigte sich empört über den UNHRC. Der Menschenrechtsrat sei eine heuchlerische Veranstaltung und eine Farce. „Er ist eine exklusive Anti-Israel-Plattform. Er wird von blutrünstigen Diktaturen manipuliert, um deren massive Menschenrechtsverletzungen zu kaschieren, indem sie Israel attackieren.“ Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete das Gremium als „absurden Zirkus“. Und Israels UN-Botschafter, Danny Danon, drohte mit „erheblichen Konsequenzen“. Israel kooperiere eng mit seinen Verbündeten, um „der Absurdität dieses Rates ein Ende zu setzen“.
Möglicherweise hatte Danon dabei in erster Linie die USA im Sinn. Denn dass die Vereinigten Staaten ihre Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat am Ende tatsächlich aufkündigen könnten, ist alles andere als unwahrscheinlich. Ende Oktober vergangenen Jahres entschied sich die Trump-Administration bereits dazu, der UN-Kulturorganisation UNESCO unter anderem wegen deren anti-israelischer Grundeinstellung den Rücken zu kehren. Und es war kein Geringerer als Trumps neuer Nationaler Sicherheitsberater, John Bolton, der bereits 2006 als damaliger UN-Botschafter die Gründung des Menschenrechtsrates ablehnte. Der in Europa als „Hardliner“ verschriene Bolton befürchtete schon damals, dass das Gremium aufgrund seiner geringen Hürden zur Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten nicht geeignet sein werde, Menschenrechtsverletzungen wirksam zu bekämpfen.
Von: Sandro Serafin