Der Sprecher der israelischen Organisation „Breaking the Silence“ (Das Schweigen brechen, BTS), Dean Issacharoff, hat sich in eine rechtliche wie moralische Zwickmühle manövriert. BTS stellt durch anonymisierte Interviews mit Soldaten die angebliche Grausamkeit des israelischen Besatzungsregimes an den Pranger. Dafür wird die Organisation aus dem Ausland mit Millionenbeträgen gefördert. Zudem werden Sprecher der Organisation weltweit eingeladen, Vorträge zu halten. Prominent und exklusiv mit öffentlichen Geldern unterstützt, macht auch europaweit eine Foto-Ausstellung die Runde.
Freunde und Unterstützer von BTS im Ausland stören sich nicht an mangelnden, gerichtsfähigen Beweisen. Bilder schwerbewaffneter Soldaten, die Zivilisten verhaften und manchmal sogar Kinder abführen, werden zu Ikonen der Grausamkeit stilisiert. Unterschlagen werden dabei Steinwürfe mit tödlichen Folgen, versuchte Morde mit Messern und andere Formen des Terrors. Die Legende von „Verbrechen an der palästinensischen Bevölkerung unter der Besatzung“, erzählt von linken Israelis, ist gefundenes Fressen für alle „Kritiker“ des Landes.
Aus all diesen anonymen Anklägern ragte der Sprecher der Organisation heraus: Dean Issacharoff erzählte in vielen schillernden Details, dass er selber als Soldat in Hebron einen jungen Palästinenser nach der Verhaftung bis zur Bewusstlosigkeit blutig geschlagen habe. Das Video seiner Selbstanklage verbreitete sich im Netz. Einige Soldaten aus Dean Isacharoffs ehemaliger Kompanie meldeten sich öffentlich zu Wort. Sie sagten, der Kamerad sei ein Lügner. Rechte Politiker forderten eine strafrechtliche Untersuchung des Eingeständnisses eines begangenen Verbrechens. Der Militärstaatsanwalt prüfte den Fall. Hassan Dschualani, der von Dean verhaftete palästinensische Mann, wurde anhand des Fotomaterials identifiziert und als Zeuge vor Gericht geladen. Er sagte aus, von den Sicherheitskräften korrekt behandelt worden zu sein. Der angeblich bis zur Bewusstlosigkeit geprügelte Palästinenser bestand darauf, von Issacharoff nicht geschlagen worden zu sein.
Der Staatsanwalt musste die Akte gegen den BTS-Sprecher schließen, weil sich dessen Behauptungen als „Lüge“ herausgestellt hatten.
Für viele seiner ehemaligen Kameraden, die in der Organisation „Reservists on Duty“ Kampagnen für den guten Ruf der Armee gestartet haben, bedeutet die Schließung des Verfahrens ein politischer Sieg. Denn nun sei sogar gerichtlich erwiesen worden, dass BTS mit Lügen und Erfindungen die israelischen Soldaten dämonisiere.
Doch die Unterstützer von BTS sind mit dem Freispruch nicht zufrieden. Sie wollen lieber ihren eigenen Sprecher als Verbrecher ins Gefängnis bringen, um die Glaubwürdigkeit der Organisation zu retten. Auch Dean Issacharoff selbst erklärte, dass ein falscher Palästinenser befragt worden sei, und brachte dazu einen ehemaligen Kameraden als Zeugen. Die linke Tageszeitung „Ha’aretz“ fordert, dass die Staatsanwaltschaft ein neues Verfahren gegen Issacharoff einleiten müsse, sowie der „echte geschlagene Palästinenser“ gefunden sei. Der Fall sei keineswegs abgeschlossen.
Zum Hintergrund von BTS
Die Organisation wurde 2004 während der sogenannten Zweiten Intifada gegründet. Ihr Leiter ist der ehemalige Kommandeur in Hebron, Jehuda Schaul. Bei englischsprachigen Führungen durch das jüdische Viertel von Hebron erzählt Schaul mit Hingabe europäischen Diplomaten und Journalisten Gräuelgeschichten über die Besatzung. Wenn man ihn allerdings privat auf Hebräisch befragt, erzählt er genau das Gegenteil.
Schaul wurde auch dabei gefilmt, wie er Touristen das Lügenmärchen auftischte, Siedler und Soldaten würden Brunnen der Palästinenser vergiften. Diese Geschichte hat dann der palästinensische Präsident Mahmud Abbas im EU-Parlament weiter ausgeschmückt. Abbas erntete stehenden Applaus für seine Story und Martin Schulz, damaliger EU-Parlamentspräsident und späterer Kanzlerkandidat Deutschlands, nannte die Hetzrede sogar „inspirierend“. Stunden später musste Abbas die Geschichte wieder zurücknehmen, weil es die von ihm eigens dafür erfundenen schuldigen Rabbiner gar nicht gibt.
Auswirkungen auf deutsch-israelische Beziehungen
BTS und ihren Unterstützern ist es inzwischen mehrfach gelungen, den deutsch-israelischen Beziehungen schweren Schaden zuzufügen. Schaul wird dabei ausgerechnet von der deutschen Vertretung bei der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah oft engagiert, wenn es darum geht, deutsche Besucher durch den jüdischen Teil von Hebron zu führen.
2012 hatte der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel nach einer Hebron-Führung durch Schaul auf Facebook geschrieben: „Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt“.
Im April bestand Bundesaußenminister Gabriel auf ein Gespräch mit BTS: Er wolle, wie er sagte, Israels „Zivilgesellschaft“ kennen lernen. Als Premierminister Benjamin Netanjahu davon erfuhr, kam es zum Eklat. Für Netanjahu ist die Diffamierung der Soldaten durch BTS eine Rote Linie. Er wollte mit Gabriel das Problem vorab klären, doch Gabriel verweigerte sich dem Telefongespräch. Der deutsche Minister verzichtete lieber auf den geplanten Antrittsbesuch bei Israels Regierungschef. Dabei wusste Gabriel genau, was er tat, denn er kennt Schaul nachweislich seit Jahren.
Schaul ist auch im deutschen Rundfunk ein begehrter Interviewpartner: Bei der Deutschen Welle behauptete er aktuell, man habe hunderte von Zeugenaussagen für weit schlimmere Vergehen. Wie viel davon verifiziert ist, interessiert den deutschen Sender nicht; jedenfalls bleibt unerwähnt, dass es erhebliche Zweifel an der Echtheit der Zeugnisse gibt.
Ein Sohn des Botschafters in Berlin
Der BTS-Sprecher Dean Issacharoff ist ein Sohn Jeremy Issacharoffs, des israelischen Botschafters in Deutschland. Jüngst teilte dieser über sein Twitter-Konto einen Facebookpost seiner Frau Laura Kam, der ein Foto von Dean in Uniform zeigte. „Diese Woche endeten sieben aufeinanderfolgende Jahre, in denen unsere Söhne als IDF-Soldaten in Kampfeinheiten in Judäa und Samaria, während des letzten Krieges in Gaza und während dieser Zeit in Hebron dienten“, schrieb die Mutter und bat Regierungsvertreter und Staatsbeamte, „brandstiftende und hasserfüllte Sprache gegen jeden Soldaten sofort zu unterbinden, der jahrelang sein Leben riskiert hat, um sein Land zu schützen.“ Kam, die Besitzerin einer in Jerusalem ansässigen PR-Firma, fügte hinzu: „Solche Worte untergraben jede respektvolle öffentliche Diskussion und sind beleidigend.“
Es war dies das erste Mal, dass der angesehene Diplomat Jeremy Issacharoff in der Öffentlichkeit zu dem Fall Stellung nahm. Dies führte zu einer breiten Aufmerksamkeit in den deutschen Medien und zu einer leidenschaftlichen Auseinandersetzung mit Israelis auf Twitter. Die einen unterstützen den Botschafter. Andere fordern seinen Rücktritt, damit er jetzt „den Papa seines Sohnes“ spielen könne.
Ob die Schuld des Dean Issacharoff je gefunden wird und wie es auf dem diplomatischen Parkett weitergeht, ist völlig offen.
Von: Ulrich W. Sahm