JERUSALEM (inn) – Nach 35 Dienstjahren hat der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofes, Salim Dschubran, am Donnerstag seinen Ruhestand angetreten. Einen Tag vor seinem 70. Geburtstag wurde er von Justizministerin Ajelet Schaked und Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit feierlich verabschiedet. Er war 2003 als erster israelisch-arabischer Christ dem Gericht beigetreten.
Schaked betonte bei der Abschiedszeremonie Dschubrans Sensibilität und seine Bereitschaft, jedem zuzuhören: „Er gewährleistete, jedem Verurteilten das Gefühl zu vermitteln, dass seine Forderungen angehört und in Betracht gezogen wurden, selbst wenn er gegen ihn urteilen musste. Er nährte das Zugehörigkeitsgefühl und das Vertrauen israelischer Araber in das Rechtssystem.“
Dschubran sei einer der effizientesten Richter des Obersten Gerichtes gewesen, ergänzte Schaked laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“. Im Strafrecht habe er jeden Fall sorgfältig aus der Sicht des Angeklagten untersucht. „Angeklagte verließen den Gerichtssaal mit dem Gefühl, einen fairen Prozess erhalten zu haben. Richter Dschubran zögerte nicht, jemanden zu verurteilen oder freizusprechen, während er eherne Grundsätze aufrechterhielt, sich an die Werte der Demokratie hielt und Menschenrechte und die Rechte des Angeklagten einhielt.“
Weiter sagte die Ministerin: „Richter Salim Dschubran legt heute seine Robe ab und tritt nach 35 Jahren, in denen er hingegeben an der Rechtsprechung gearbeitet hat, in den Ruhestand. In dieser Zeit hat er Geschichte für die arabische Öffentlichkeit des Landes geschrieben, sich als einer der originellsten und herausragendsten Richter des Obersten Gerichtes etabliert und sogar die Vizepräsidentschaft erlangt.“
Generalstaatsanwalt: Von Ehrlichkeit und Menschenliebe geleitet
Generalstaatsanwalt Mandelblit würdigte den Araber als ausgezeichneten Richter und lieben Menschen. Er habe die Menschen hinter den rechtlichen Angelegenheiten gesehen. Seine Arbeit sei gut und gerecht gewesen, seine Urteile professionell und menschlich. „Sie sind den Weg des Kompromisses gegangen, wenn es möglich war“, konstatierte er dem Araber. Ehrlichkeit und Menschenliebe hätten ihn auf seinem Weg geleitet.
Gerichtspräsidentin Miriam Naor schloss sich dem Lob an: „Salim ist der Inbegriff des israelischen Richters, die israelische Verkörperung des Besten. Ein bedeutender Beitrag für das Oberste Gericht war die Entwicklung des Strafrechtes. Salim hat die besondere Fähigkeit, die Fakten zu analysieren und die Grundlagen des Vergehens professionell zu untersuchen.“ Sie würdigte den Beitrag des Arabers zu neuen Gesetzen.
Dschubran erinnerte an seine Herkunft: „Von einem Flüchtlingsbaby in einem schwankenden Boot auf dem Weg nach Beirut im Jahr 1948 hatte ich das Vorrecht, in Israels höchstem Gericht zu sitzen. Ich denke, mir bleibt nichts anderes, als dem Schöpfer für dieses Vorrecht zu danken.“ Er sei in einem sehr jungen Alter zum Richter ernannt worden und habe in seiner Stellung einen doppelten Auftrag gesehen: einerseits bei Streitigkeiten gerecht zu entscheiden und andererseits so nah wie möglich daran zu sein, eine Brücke zwischen Juden und Arabern im Staat Israel zu werden. Erst im Juni wurde er zum Vizepräsidenten des Obersten Gerichtes ernannt.
Der Araber äußerte sich in seiner Abschiedsrede auch zur Koexistenz: „Die arabische Minderheit und die jüdische Mehrheit in Israel teilen viel Gemeinsames, unterscheiden sich aber in Kultur, Identität, sozialem und wirtschaftlichem Status. Diese Unterschiede schaffen unvermeidlicherweise einen Konflikt von Ansichten und Interessen zwischen den beiden Gruppen. Gleichzeitig muss unsere demokratische Regierung handeln, um die Lücken zwischen den Gruppen zu schließen, und dabei gleichzeitig die kulturellen Unterschiede anerkennen.“
Katzavs Einspruch abgelehnt
Zu Dschubrans berühmtesten Urteilen gehört eine Entscheidung im Fall Mosche Katzav: Der ehemalige israelische Staatspräsident hatte Einspruch gegen seine Haftstrafe wegen Vergewaltigung eingelegt. Doch der arabische Richter lehnte dies ab.
Bei seiner Vereidigung machte Dschubran von sich reden, weil er sich weigerte, die israelische Nationalhymne zu mitzusingen. Unterstützung erhielt er seinerzeit von Freunden, die anmerkten, Araber müssten nicht Worte singen, die nicht ihre Wurzel widerspiegeln.
Von: eh