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Gabbai und Bennett kritisieren innerjüdische Streitigkeiten

Zum Trauertag Tischa BeAv besuchen viele Juden den Tempelberg und die Klagemauer. In einer Siedlung diskutieren zwei Politiker über eine überlieferte Ursache für die Zerstörung des Zweiten Tempels.
Im Streitgespräch: (v.l.) Gabbai, Moderatorin Sarah Becker und Bennett

JERUSALEM / EFRAT (inn) – Mehr als 1.000 Juden haben am Dienstag den Tempelberg in der Jerusalemer Altstadt aufgesucht. Anlass war der Trauertag Tischa BeAv, der unter anderem an die Zerstörung der beiden jüdischen Tempel erinnert. Vor den Metalldetektoren am Mughrabiaufgang, dem einzigen Eingang für Nicht-Muslime, mussten die Juden ihre Personalausweise aus Sicherheitsgründen bei der Polizei hinterlassen. Dies berichtet die Onlinezeitung „Times of Israel“.

Nach den Gewaltausbrüchen im Zusammenhang mit der Tempelberg-Krise hatte die israelische Polizei ihre Präsenz in der gesamten Altstadt verstärkt. Auf dem Tempelberg wurden sechs Juden festgenommen, die gegen die Regeln für nicht-muslimische Besucher verstoßen hatten. Ferner kam es zu einem Handgemenge zwischen drei Juden und einem Muslim.

Interessengruppe: Deutlich mehr jüdische Besucher

Ebenfalls zum Tischa BeAv veröffentlichte die Organisation „Jera’eh“ (Er wird erscheinen) eine Statistik zum Besuch des Tempelberges durch Juden. Demnach hat sich deren Zahl im vergangenen Jahr um 15 Prozent erhöht. Allerdings ist die Studie nicht verifiziert, heißt es in der Tageszeitung „Jerusalem Post“. Die Organisation fördert jüdische Besuche auf dem Tempelberg und strebt die Errichtung eines neuen Tempels an. Reiseführer zählen Juden, die in Gruppen den Tempelplatz besichtigen, und geben die Informationen per WhatsApp an „Jera’eh“ weiter. Wer unabhängig von diesen organisierten Führungen kommt, wird nicht erfasst.

Laut „Jera’eh“ haben seit dem jüdischen Neujahrsfest Rosch HaSchanah 5777, das am 2. Oktober gefeiert wurde, mindestens 17.000 Juden den Tempelberg bestiegen. Im gesamten Jahr 5776 seien es hingegen nur 14.908 gewesen. Das kommende jüdische Jahr beginnt am 21. September.

Ein Sprecher der Organisation, Elischamah Sandman, sagte, bis zu diesem Jahr sei kein bedeutender Anstieg feststellbar gewesen. Jetzt breche offenbar eine neue Wirklichkeit an. Er macht mehrere Faktoren für die Entwicklung verantwortlich. So verhalte sich die Polizei umgänglicher gegenüber Juden. Auch werde die Möglichkeit der Besuche mehr bekanntgemacht. „Wir zeigen, dass dieser Ort nicht dem Islam gehört, sondern den Juden“, ergänzte er. „Auf den Tempelberg steigen zu wollen, ist Teil der Vorbereitung dafür, den Tempel zu bauen. Wir haben keine Scheu, das zu sagen.“

Uneinigkeit über Umgang mit dem Allerheiligsten

„Jera’eh“ glaubt nach Sandmans Worten, „dass jeder auf dem Tempelberg Platz hat, jeder kann kommen und zu Gott beten“, aber es sei kein Ort für eine Moschee. Eine vorübergehende Lösung sei es, die Stätte mit muslimischen Gläubigen zu teilen. Doch auf lange Sicht müsse der Felsendom abgerissen oder an einen anderen Ort versetzt werden, weil er ein kritisches Stück des Geländes besetze, wo sich das Allerheiligste befunden haben soll.

Das Oberrabbinat rät Juden dazu, den Tempelberg nicht zu betreten. Denn niemand kennt den genauen Ort des einstigen Allerheiligsten, das dem Hohenpriester vorbehalten war. National-religiöse Rabbiner ermutigen Juden hingegen dazu, das Gelände aufzusuchen.

Indes versammelten sich Montagnacht Tausende Juden zu Gebeten an der Klagemauer. Entsprechend der Tradition zu Tischa BeAv wurde aus dem biblischen Buch der Klagelieder gelesen. Dieses bezieht sich gemäß der Überlieferung auf die Zerstörung des Ersten Tempels im Jahr 586 vor der Zeitrechnung.

Gegen „sinnlosen Hass“

Ebenfalls am Montag nahmen zwei israelische Politiker an einer Podiumsdiskussion anlässlich des Trauertages in der Siedlung Efrat teil: Bildungsminister Naftali Bennett und der neue Vorsitzende der Arbeitspartei, Avi Gabbai. Bennett fragte die rund 400 Zuhörer, was ihrer Meinung die am meisten verbreitete Verunglimpfung unter Oberschülern sei. Seine Antwort lautete: „linksgerichtet“. Der Vorsitzende der Partei „HaBeit HaJehudi“ fügte an: „Es ist unfassbar, dass in Israel 2017 eine Person im Namen eines Sektors beschimpft werden kann. Die Wörter links, ultra-orthodox, Araber, Siedler sind keine Schimpfwörter. Jeder Sektor ist vor allem anderen eine Sammlung von Menschen mit Gefühlen.“

Nach der Tradition wurde der Zweite Tempel im Jahr 70 nach Christus wegen „Sin’at Schaw“ zerstört. Dieser hebräische Ausdruck steht für sinnlosen Hass jüdischer Gruppierungen gegeneinander. Gabbai griff diesen Gedanken auf und sprach von einer zunehmenden Polarisierung in der israelischen Gesellschaft. Die Sozialen Medien hätten eine Aura von Extremismus geschaffen, der nicht zwangsläufig existieren müsse. „Die Mehrheit der Öffentlichkeit ist immer noch gemäßigt und schweigt entweder oder äußert ihre Meinungen schlicht nicht so laut wie andere.“

Rücktrittsrede 2016: „Israel ist der Dritte Tempel“

Gabbai führte seinen Wahlsieg darauf zurück, dass er im Wahlkampf nicht negativ über seine Gegenkandidaten gesprochen habe. Dies sei von den Wählern honoriert worden. „Es hat bewiesen, dass die Öffentlichkeit nach einem positiven Diskurs sucht.“

Der Politiker zitierte aus seiner Rede, mit der er im Mai 2016 von seinem Amt als Umweltminister zurückgetreten war – damals gehörte er noch der Partei Kulanu von Finanzminister Mosche Kahlon an. Mit dem Schritt protestierte er seinerzeit gegen die Erweiterung der Koalition um die Partei des heutigen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman, „Israel Beiteinu“: „Für mich ist der Staat Israel ein Wunder – die Verwirklichung des Dritten Tempels“, sagte Gabbai in seiner Abschiedsrede. „Das jüdische Volk hat bereits den den Zweiten Tempel mit seinen Bürgerkriegen zerstört, wir müssen diesen Prozess aufhalten, der zur Zerstörung des Dritten Tempels führt.“ Jede Woche seien in den Kabinettssitzungen abfällige Bemerkungen gegen die Linke, die Medien oder die Araber gefallen.

Obwohl er sich in einer Siedlung befand, äußerte Gabbai auch Kritik an der besonderen Förderung für israelische Ortschaften im Westjordanland. Als Umweltminister habe er beobachtet, wie die Koalition von Premier Benjamin Netanjahu regelmäßig Siedlungen bevorzugte und Städten der Peripherie innerhalb der Grünen Linie nicht dieselbe Aufmerksamkeit widmete. Bennett, der in Efrat nach Einschätzung der „Times of Israel“ als Vorsitzender einer siedlernahen Partei ein Heimspiel hatte, wies diese Vorwürfe zurück.

Von: eh

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