JERUSALEM (inn) – In der vergangenen Woche überreichte EU-Botschafter Lars Faaborg-Andersen einen Brief an Juval Rotem, den Leiter des israelischen Außenministeriums. Dieser war im Namen aller 28 EU-Länder geschrieben und forderte Israel auf, den Abriss palästinensischer Häuser in der Zone C des Westjordanlandes zu stoppen. Anlass ist der Ort Chan al-Ahmar, dessen Räumung Israel Mitte Februar angeordnet hatte.
In dem Brief heißt es konkret: „Die Praxis von Durchsetzungsmaßnahmen wie Zwangsräumung, Abriss und Beschlagnahmung von Häusern sowie humanitärem Besitz (der teilweise EU-finanziert ist) und die Behinderung humanitärer Hilfe stehen im Widerspruch zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen Israels, gemäß der 4. Genfer Konventionen, und verursachen Leiden an Palästinensern.“ Faaborg-Andersen las weiter vor: „Deshalb fordern wir die Besatzungsmacht Israel auf, ihren Verpflichtungen gegenüber der palästinensischen Bevölkerung in der Zone C gerecht zu werden, die Abrisse und Beschlagnahmungen vollständig zu stoppen und den vollen Zugang zu humanitärer Hilfe zu ermöglichen.“
Weiter heißt es: „Wir fordern Israel auf, die Genehmigungen palästinensischer Masterpläne zu beschleunigen, Zwangstransfer von Bevölkerung und Abriss von palästinensischem Wohnraum und Infrastruktur zu stoppen, sowie Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und Baugenehmigungen zu erteilen, den Zugang zu Wasser zu gewährleisten und humanitäre Bedürfnisse anzugehen.“
Israel fordert Erklärung von EU
Am Montag bestellte das Außenministerium den stellvertretenden Botschafter der EU in Israel, Mark Gallagher, ein, um eine offizielle Erklärung zu dem Protestbrief zu fordern. Die Leiterin der EU-Abteilung des israelischen Außenministeriums, Avivit Bar-Ilan, sagte, dass Israel verwundert sei über die Besessenheit der EU, was die Häuserabrisse in der Zone C des Westjordanlandes angehe. Diese stünden unter vollständiger Kontrolle Israels: „Es gibt 32 humanitäre Krisen weltweit, aber die EU kümmert sich in unverhältnismäßigem Umfang um die Geschehnisse im C-Gebiet des Westjordanlandes. Zweifellos stellen diese keine humanitäre Krise dar.“
Blechcontainer für Beduinen
In den vergangenen Jahren hatte die Europäische Union einfache Blechcontainer für Palästinenser und Beduinendörfer aufgestellt. Vor allem sind diese in der Region um die jüdische Siedlung Ma’aleh Adumim und in den südlichen Hebronbergen zu finden. Es handelt sich um knapp 500 Bauten.
Die provisorischen Unterkünfte von Chan al-Ahmar boten mehr als hundert Beduinen Obdach. Es gibt keine Infrastruktur und die Bewohner gehören zu den ärmsten im Westjordanland. Obwohl die Gebäude illegal errichtet wurden, sah Israels Zivilverwaltung im Westjordanland lange davon ab, sie abzureißen.
Einer der Bauten diente mehreren Hundert Kindern aus den umliegenden Beduinendörfern als Schule. Er wurde von Italien finanziert. Bei dem Besuch des italienischen Außenministers Angelino Alfano vor zwei Wochen hatte Premierminister Benjamin Netanjahu erklärt: „Genauso, wie wir die illegalen Gebäude der Juden in Amona nicht anerkannten, werden wir auch die illegalen Gebäude der Palästinenser nicht genehmigen.“ Dies berichtet die israelische Tageszeitung „Ha’aretz“. Der Ort liegt im strategischen Korridor zwischen Ma’aleh Adumim und Jerusalem und ist als E1 bekannt.
Unverständnis bei jüdischen Siedlern
Der Streit ist nicht neu. Der Vorsitzende der siedlernahen Nichtregierungsorganisation „Regavim“ sagte Anfang 2015 über die Bautätigkeiten: „Die Europäische Union hat alle Grenzen der Diplomatie überschritten, indem sie aktiven Landraub für die Palästinensische Autonomiebehörde betreibt.“ Weiter sagte Ari Briggs damals: „Statt sich für Frieden einzusetzen, hat sich die EU entschieden, illegale palästinensich-arabische Siedlungen zu bauen. Gleichzeitig verurteilen sie weiterhin jeden Stein, der von Juden im gleichen Gebiet verbaut wird. Das ist reine Heuchelei!“
Von: mh