RAMALLAH / JERUSALEM (inn) – Die österreichische Staatssekretärin Muna Duzdar hat diese Woche das Westjordanland und Israel bereist. Die 38-Jährige ist selbst in Wien geboren, ist aber palästinensischer Abstammung und spricht fließend Arabisch. Die SPÖ-Politikerin hat Rechtswissenschaften in Wien studiert und an der Universität Sorbonne in Paris ein Masterstudium „Internationales Recht – Recht der arabischen Länder“ absolviert. In Ramallah traf sie palästinensische Minister, in Jerusalem besuchte sie die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Treffen mit israelischen Regierungsvertretern waren hingegen nicht möglich – offziell nannten die Israelis Zeitmangel als Grund.
Duzdar ist im Bundeskanzleramt zuständig für Diversität, Öffentlichen Dienst und Digitalisierung. Und so traf sie am Mittwoch in Ramallah den palästinensischen Minister für Telekommunikation und IT, Allam Mussa. Thema war nach ihren Angaben eine Kooperation im Bereich E-Government (elektronische Verwaltung). Der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ sagte sie, Österreich könne hier Expertise zur Verfügung stellen. Auch dies könne dazu beitragen, die Staats- und Regierungsfähigkeit zu stärken. Bei ihrem Gespräch mit Bildungsminister Sabri Saidam ging es um digitale Kompetenz der Schüler.
Weigerung: Kein Kopftuch für die Al-Aksa-Moschee
Am Vorabend nahm die Staatssekretärin an einer Führung durch die Jerusalemer Altstadt teil. Die Delegation wollte den Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee besichtigen. Ein Wächter bestand laut „Standard“ darauf, „dass die Frauen ihr Haar vollständig mit einem Kopftuch bedecken“. Duzdars Weigerung habe zu „wilden Diskussionen“ mit dem Personal geführt. Auf Wunsch der SPÖ-Politikerin, die nach eigenen Angaben nicht religiös ist, habe die Delegation auf den Besuch verzichtet und sich direkt zum Österreichischen Hospiz begeben.
In Jerusalem verbrachte Duzdar zwei Nächte im King David Hotel. Dieses bezeichnete sie am Mittwoch auf Facebook als „sehr spannenden historischen Ort“. Dazu veröffentlichte sie ein Foto von der „Arab Women Association“, die in dem Hotel 1944 eine Konferenz abgehalten hatte. Zwei Großtanten der Staatssekretärin seien auf dem Bild zu sehen. Über ihre Familie sagte sie der österreichischen Tageszeitung „Kurier“: „Mein Vater stammt aus Jerusalem, meine Mutter aus Dschenin in der Westbank. Ein Onkel von mir lebt noch in Ostjerusalem.“
Die Politikerin ist Vorsitzende der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft (PÖG). Die Nahost-Denkfabrik „Mena-Watch“ merkte im Zusammenhang mit ihrer Ernennung zur Staatssekretärin an: „Liest man die Ausführungen, die auf der Webseite der PÖG zur Geschichte ,Palästinas‘ zu finden sind, so taucht man in eine Welt palästinensischer Propaganda ab, die mit der realen Geschichte nur am Rande zu tun hat.“ Weiter heißt es: „Durchgängig werden die arabischen Bestrebungen zur Vernichtung des jüdischen Staates geleugnet oder verharmlost, während Israel als aggressive und expansive Macht dargestellt wird.“ Die Homepage der PÖG befindet sich derzeit im Umbau, ihre Inhalte sind nicht zugänglich.
Bei ihrem Nahostbesuch sprach Duzdar auch über den israelischen Siedlungsbau. Östereich betrachte diesen als „völkerrechtswidrig“, antwortete sie auf Fragen von Journalisten. Die Siedlungen stünden einem Friedensprozess im Weg. Da sei die österreichische Position sehr klar.
Erinnerung an Holocaust weitergeben
Auf israelischer Seite traf die Staatssekretärin zwar keine Regierungsvertreter. Aber sie fand andere Gesprächspartner: den Verhandler bei den Osloer Friedensgesprächen, Jossi Beilin, den arabischen Abgeordneten der linksgerichteten Meretz, Issawi Fredsch, sowie den langjährigen israelischen Diplomaten Dani Schek. Auf Facebook kommentierte sie am Dienstag den „netten Abend“ mit den Worten: „Ein tolles Beispiel für Dialogbereitschaft und dem gemeinsamen Ziel, friedlich zusammenzuleben – wir brauchen mehr davon.“
Erstmals besuchte Duzdar auf ihrer dritten Reise in die Region die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem. Dies habe sie sehr bewegt, sagte sie anschließend dem „Kurier“. „Was sehr bedrückend war, ist die Tatsache, dass man selbst in den letzten Kriegstagen, als schon klar war, dass der Krieg verloren ist, noch so viele Juden ermordet hat.“ Es sei „Aufgabe von uns allen, die Erinnerung daran aufrechtzuerhalten und an die nächste Generation weiterzugeben“. Da sie für Digitalisierung zuständig sei, wolle sie sich darum bemühen, dass Erinnerungen der Zeitzeugen digital aufgenommen würden.
In Tel Aviv stattete Duzdar dem „Klub der österreichischen Pensionisten“ einen Besuch ab. Er ist Treffpunkt für Überlebende der Scho’ah, die aus Österreich stammen. „Es gibt Kaffee und Süßgebäck, man hört ein seltsam vertrautes, im besten Sinne altmodisches Wienerisch, durchsetzt von Charme und Schmäh“, schildert die „Wiener Zeitung“ die Atmosphäre. „Für Österreich werde der Holocaust nie eine abgeschlossene Geschichte sein“, zitiert das Blatt die Staatssekretärin. Sie habe die Vision, dass der Nahe Osten eines Tages eine prosperierende Region mit der friedlichen Koexistenz von zwei Staaten sein werde.
Am Donnerstag setzte Duzdar ihre Reise fort. Im Libanon besuchte sie ein syrisches Flüchtlingslager.
Von: eh