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Gaza: Hohe Dunkelziffer bei sexuellem Missbrauch

GAZA (inn) – Mehr als 650 Fälle von Kindesmissbrauch werden jährlich im Gazastreifen gemeldet – die Dunkelziffer soll noch weit höher liegen. Laut einer Nichtregierungsorganisation wird dies von der „Kultur der Scham“ begünstigt.
Sexuelle Gewalt gegen Kinder im Gazastreifen: Viele Fälle werden nicht zur Anzeige gebracht (Symbolbild)
Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist im Gazastreifen keine Seltenheit. Das beklagt das Palästinensische Zentrum für Demokratie und Konfliktlösung. Für die französische Nachrichtenagentur AFP haben Betroffene einige Fälle geschildert. Unter ihnen ist Fatma: Ihr Sohn wurde im Alter von elf Jahren von zwei Männern aus dem erweiterten Familienkreis sexuell missbraucht. Sie habe sofort die Polizei gerufen, als der Junge davon erzählt habe. Die Täter, zwei Männer Mitte zwanzig, wurden verhaftet, einer von ihnen jedoch schnell wieder freigelassen. „Obwohl sie zur Familie gehörten, wollte ich die Todesstrafe für sie“, berichtet Fatma, deren Name für die Reportage geändert wurde. Ihre Familie habe rund um den Fall schnell eine Mauer des Schweigens und der Scham errichtet. Die Familie sei nun zerrüttet, und dies sei auch nicht wieder hinzubiegen. „Wir haben all unser Geld ausgegeben, um wegzuziehen.“ Opfer sexuellen Missbrauchs haben in Gaza eine Anlaufstelle, wo ihnen Rat und Hilfe angeboten wird. Im Bericht der AFP, den zahlreiche israelische und internationale Medien aufgegriffen haben, kommt Asma Saud, eine psychologische Beraterin des Zentrums, zu Wort. Die wenigen Kinder, die in das Zentrum kämen, seien nur die Spitze des Eisbergs, ist ihre Überzeugung. Tradition und eine „Kultur der Scham“ verhinderten oft, dass solche Taten zur Anzeige gebracht würden und die Opfer sich beraten ließen.

Nur wenige ziehen vor Gericht

Einen weiteren Beispielfall für den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der palästinensischen Gesellschaft schildert Nadja, auch dieser Name ist ein Pseudonym. Ein behinderter Junge sei auf dem Weg zur Schule missbraucht worden, dadurch wurde er so verstört, dass seine Leistungen im Unterricht abfielen und er teils lethargisch geworden sein. Nadja, die mit dem Fall betraut war, entschloss sich jedoch, nicht die Polizei zu rufen, sondern strebte von den örtlichen Ältesten eine Mediation zwischen dem Täter und der Familie an. Der Täter lebt bis heute unbehelligt in der Nachbarschaft. Laut dem Palästinensischen Zentrum für Demokratie und Konfliktlösung kennen über 75 Prozent der Opfer die Täter persönlich. Ijad Abu Hdschajer, stellvertretender Direktor des Zentrums, erklärte, dass von den 693 Fällen, die dem Zentrum bekannt seien, nur 22 Familien vor Gericht zogen. Ein Sprecher der Polizei erklärte, die Angst vor einem Skandal halte viele Familien von diesem Schritt ab. Einer von zwei Bewohnern des Gazastreifens ist jünger als 18 Jahre. Die bewiesene Vergewaltigung eines Kindes unter 12 kann nach palästinensischer Gesetzgebung mit dem Tod bestraft werden. Bevor die Hamas 2006 die Macht im Gazastreifen übernahm, wurden laut AFP zwei Männer deswegen hingerichtet. Ein Gesetz von 2003 sieht für sexuellen Missbrauch Haftstrafen zwischen sechs Monaten und einem Jahr vor. (mb)

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