PARIS / RAMALLA (inn) – Die Ehefrau von Palästinenserführer Jasser Arafat, Suha, entscheidet eigenmächtig darüber, wer ihren Mann besuchen darf und wer nicht, klagen mehrere palästinensische Politiker. Suha hatte sie zuvor beschuldigt, „Erbschleicher“ zu sein, die Arafat „lebendig beerdigen“ wollten.
Eine Delegation von Palästinensern hatte geplant, Arafat am Montag im Pariser Militärkrankenhaus „Percy“ zu besuchen. Darunter sollten Premierminister Ahmed Qrea, PLO-Generalsekretär Mahmud Abbas und Außenminister Nabil Scha´ath sein. Doch Suha Arafat verbiete seit Tagen jeden Besuch, hieß es aus palästinensischen Quellen. Nachdem die Delegation die Reise zunächst abgesagt hatte, will sie offenbar am Dienstag dennoch nach Paris reisen.
„Lassen Sie das ehrliche palästinensische Volk wissen, dass ein Haufen von Erbschleichern nach Paris kommen will“, schrie sie bei einem Interview mit dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira auf Arabisch ins Telefon. Sie sprach von einer Verschwörung. Dabei gehe es ihm gut, „und er wird wieder nach Hause kommen“, so die 41-Jährige.
Palästinensische Vertreter reagierten empört auf die Anschuldigungen. So etwa der stellvertretende Kabinettsminister Sufian Abu Saida: „Diese Frau hat ihren Mann seit drei Jahren nicht gesehen. Es ist bizarr, dass am Ende seiner Tage seine Frau entscheidet, wer eintreten darf und wer nicht“. Er fügte hinzu: „Jasser Arafat ist nicht Suhas Eigentum“.
Ähnlich äußerte sich der Arafat-Vertraute Tajeb Abdel Rahim: „Suha repräsentiert nicht die Palästinensische Behörde oder das palästinensische Volk. Jasser Arafat gehörte dem ganzen palästinensischen Volk, nicht nur seiner Familie.“
„Sie hält den Präsidenten als Geisel“, sagte ein ranghoher Fatah-Vertreter. In den ersten zwei Tagen nach Einlieferung Arafats habe sie nur drei Leuten erlaubt, ihn zu sehen, nämlich seinem Büro-Chef, seinem Neffen und seinem Leibwächter. Jetzt erlaube sie niemandem mehr den Zutritt, „und daher weiß keiner mehr genau, was mit ihm passiert. Sie hat alles unter Kontrolle.“
Auch Mohammad Dahlan, ehemaliger Sicherheitschef, der Arafat nach Paris begleitet hatte, durfte den PLO-Chef nicht mehr sehen. „Dahlan will Paris verlassen, weil er genug von Suha hat“, sagte ein Vertrauter Dahlans. Suha verbiete zudem den Ärzten, Informationen über Arafats Gesundheit bekannt zu geben. „Das ist haarsträubend“, so der Vertraute.
Währenddessen dementierte der palästinensische Außenminister Nabil Scha´ath Gerüchte, denen zufolge Arafat in ein Krankenhaus nach Kairo verlegt werden soll. Auch widersprach er Berichten, Arafats Leber sei krank. Frankreichs Außenminister Michel Barnier bezeichnete Arafats Zustand am Sonntag als „sehr komplex, sehr ernst, aber stabil“.
Aus Kreisen der Sicherheitsdienste hieß es, die Lebenserhaltungssysteme an Arafats Krankenbett sollten eventuell am Dienstag abgeschaltet werden. Dienstagnacht sei die „Lailat al-Kader“, die Nacht, in der Allah seinem Propheten Mohammed den Koran offenbart hat, heißt es. Arafats Tod an diesem Tag würde somit eine symbolische Bedeutung bekommen.