Anschaulich schildert der palästinensische Autor seine Ausflüge allein oder in Gesellschaft. „Wenn ich mich bewege, hilft mir das, den Dingen eine Perspektive zu geben“, schreibt er. So eine Wanderung bezeichnet er mit dem arabischen Ausdruck „sarha“: „Auf eine sarha zu gehen bedeutet, nach Belieben herumzuschweifen, ohne Beschränkungen.“ Shehadeh geht ausführlich darauf ein, was sich in den Jahrzehnten seit seiner Kindheit an den Orten verändert hat, die er aufsucht. In die Beschreibung webt er Erlebnisse von Verwandten und Bekannten ein, denen durch israelische Behörden Unrecht widerfahren ist. Als Anwalt bemüht er sich seit Jahren, palästinensischen Grundbesitzern gegenüber Israel zu ihrem Recht zu verhelfen.
Dass die Israelis „traditionell palästinensisches Land“ für sich vereinnahmen, legt der Verfasser auch den Europäern zur Last: „Europa hat, genauso wie später der Zionismus, danach getrachtet, auf der Suche nach dem Israel des Altertums die historische Bedeutung der Religion zu bewahren. Es war eine Suche nach den eigenen kulturellen Wurzeln, in deren Prozess die palästinensische Geschichte zum Schweigen gebracht und auf den Platz der Vorgeschichte verwiesen wurde. Dadurch wurde der Weg für den modernen Staat Israel geebnet, der nicht nur das Land, sondern auch Zeit und Raum der Palästinenser unter seine Kontrolle brachte.“ Und so wirft er den Israelis vor, durch Siedlungsbau die Hügel zerstört zu haben, die für die Landschaft seiner Kindheit charakteristisch waren. Palästinensischen Expansionsbestrebungen in Ramallah indes steht er weniger kritisch gegenüber.
In dem Buch beschreibt Shehadeh auch eine persönliche Begegnung mit einem Siedler. Dieser scheint alle Klischees gegenüber den Israelis im Westjordanland auf sich zu vereinigen: orthodox, ahnungslos im Blick auf die palästinensische Geschichte, ohne Bewusstsein für die Bedürfnisse der Palästinenser, auf die biblischen Verheißungen fixiert. Aus Sicht des Autors haben die Siedler Ähnlichkeit mit den Essenern, die zur Zeit Jesu abgeschottet in der judäischen Wüste lebten und ihre eigenen religiösen Gesetze äußerst streng verfolgten. „Der Bau der Siedlungen in den besetzten Gebieten ist ein Regierungsprojekt, das nicht durch juristische Schritte behindert werden soll“, schreibt der Palästinenser. Einst habe er „jeden Schritt des illegalen Prozesses, durch den sie realisiert wurden, akribisch genau dokumentiert“.
Zur israelischen Sperranlage um das Westjordanland behauptet er: „Nur zum Teil folgte ihr Verlauf der 1967 im Waffenstillstandsabkommen festgelegten und international anerkannten Grenze zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten, die heutzutage aus den offiziellen israelischen Landkarten getilgt ist.“ Dabei bleibt er die Antwort auf die Frage schuldig, wann diese Waffenstillstandslinie international anerkannt wurde. Auch fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass das erwähnte Abkommen mit Jordanien getroffen wurde, nicht aber mit den Palästinensern.
Das Buch lässt frühere und aktuelle Landschaften des Westjordanlandes vor dem Auge des Lesers lebendig werden. Einseitig wird Israel für alle negativen Veränderungen verantwortlich gemacht. Eine mögliche Mitverantwortung von Palästinensern oder Besatzern aus der Zeit vor dem Sechstagekrieg diskutiert der Autor nur peripher.
Von: Elisabeth Hausen