Frankreichs Sorge um die Teilnahme des israelischen Premiers rührte aus der Befürchtung, dass seine Anwesenheit bei der Demonstration „spaltend“ wirken könnte, berichten israelische Medien. Netanjahus Büro bestätigte am Sonntagabend, dass Paris ursprünglich gegen sein Kommen zum historischen Gedenkmarsch war.
Eine Quelle im Premier-Büro sagte gegenüber dem israelischen Rundfunk, das westeuropäische Land habe keinen offiziellen Grund für die Ablehnung angegeben. Laut des Fernsehsenders „Kanal 2“ wollte Paris jegliche Nennung des israelisch-palästinensischen Konflikts in diesem Rahmen verhindern.
Als klar war, dass Netanjahu sich dem Marsch anschließen würde, habe der französische Präsident François Hollande den Israeli persönlich angerufen und ihn eingeladen. Frankreich schickte zudem eine Einladung an den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas heraus. Der Élysée-Palast organisierte überdies ein Treffen zwischen Abbas und Hollande am Samstagabend.
Netanjahu änderte seine Meinung
Netanjahu habe ursprünglich Frankreichs Wunsch, dem Marsch fernzubleiben, akzeptiert und am Samstag Sicherheitsbedenken als Grund seiner geplanten Abwesenheit genannt. Seine Meinung änderte der Premier schließlich später am Tag, nachdem Außenminister Avigdor Lieberman und Wirtschaftsminister Naftali Bennett öffentlich machten, dass sie an der Veranstaltung teilnehmen.
Der Marsch am Sonntag begann in der Nähe der Redaktion des Satiremagazins „Charlie Hebdo“, wo die Terroristen vergangene Woche ein Blutbad anrichteten. Solidarität mit den Opfern der Terroranschläge und Trotz waren das Motto des „Marche de la République“. Insgesamt kamen 17 Menschen ums Leben, darunter vier jüdische Männer in einem koscheren Supermarkt. Sie werden am Dienstag in Jerusalem beigesetzt.
Kritik an großer Delegation
Israel war mit großer Delegation in Paris vertreten: Neben Premier Netanjahu, Außenminister Lieberman, Wirtschaftsminister Bennett liefen auch der ehemalige Schass-Vorsitzende Eli Jischai und der Vorsitzende der Einwanderungsbehörde Jewish Agency, Nathan Scharanski, bei der Prozession mit.
In Israel sah sich Netanjahu mit Kritik der Opposition an den hohen Kosten des Kurz-Trips konfrontiert. Laut der Tageszeitung „Yediot Aharonot“ belaufen sich diese auf umgerechnet rund 150.000 Euro. Frankreich habe sich geärgert, dass Israel mit solch einer großen und hochklassigen Delegation anreiste. Die meisten Länder schickten weniger Vertreter.
Die Bilder, wie Abbas und Netanjahu gemeinsam in der ersten Reihe marschierten, gingen um die Welt. Netanjahu war ursprünglich in der zweiten Reihe, bahnte sich aber seinen Weg in Reihe eins zu dem Präsidenten von Mali, Ibrahim Boubacar Keita, Hollande und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Auch Abbas lief nicht von Anfang an in der ersten Reihe und neben Merkel. Er arbeitete sich nach und nach an die mächtigste Frau Europas heran, wie eine Fotostrecke der „Bild“-Zeitung zeigt.
Netanjahu twitterte mit einem Bild, das ihn in Reihe eins zeigt: „Ich marschierte in einer Reihe mit Staatsoberhäuptern der Welt, um uns gegen den Terror zu vereinen. Jede Art von Terrorismus muss bis zum Ende bekämpft werden.“
Hamas wirft Abbas „Heuchelei“ vor
Die Terror-Organisation Hamas warf Fatah-Mann Abbas wegen seiner Teilnahme „Heuchelei“ vor. Der Hamas-Funktionär Mahmud al-Sahar sagte laut „Yediot Aharonot“: „Dieses Verhalten ist Teil der Heuchelei und politischen Akrobatiken, die typisch sind für Abbas.“ Sein Aufenthalt in Paris zeige, dass er seiner Verantwortung ausweiche. Diese „sollte zuallererst für sein Volk sein, bevor er gegen Terror aufsteht“.
Nach offiziellen Angaben war es die größte Demonstration in der Geschichte Frankreichs. Rund 1,5 Millionen Menschen waren auf den Pariser Straßen, um gegen den Terror und für die Meinungsfreiheit zu demonstrieren. Hinzu kamen zahlreiche Demonstrationen in anderen französischen Städten.
Am Wochenende versammelten sich auch in Tel Aviv, Jerusalem, Ramallah und Gaza-Stadt zahlreiche Menschen, um ihre Solidarität mit Frankreich auszudrücken.