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Netanjahu entlässt Gallant

Israels Regierungschef Netanjahu entlässt Verteidigungsminister Gallant. Spontan gehen Zehntausende Israelis auf die Straße, um gegen diesen Schritt zu protestieren.
Von Israelnetz
Demonstranten Gaza-Straße

JERUSALEM (inn) – Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hat Verteidigungsminister Joav Gallant (beide Likud) entlassen. Netanjahu teilte seine Entscheidung am Dienstagabend mit. Gallant hatte sich in den vergangenen Tagen und Wochen verstärkt gegen die Kriegspolitik des Premiers ausgesprochen. Wiederholt hatte er eine Neuausrichtung der Kriegsziele sowie eine andere Strategie der Kriegsführung im Gazastreifen und im südlichen Libanon gefordert.

Der Presse erklärte Netanjahu, dass „in Zeiten des Krieges ein unbedingtes Vertrauen zwischen Premier- und Verteidigungsminister“ nötig sei. Dieses Vertrauen habe in den vergangenen Monaten deutlich Schaden erlitten. „Verteidigungsminister Gallant und ich hatten substanzielle Meinungsverschiedenheiten, was die Führung der militärischen Aktionen angeht.“

Mehrfach habe er versucht, diese Unstimmigkeiten zu beheben, stattdessen seien sie größer geworden. Noch schlimmer, als dass diese „auf unangemessene Weise der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht wurden“, sei, dass sie „dem Feind zur Kenntnis“ gelangt seien. „Unsere Feinde haben große Freude daran gehabt und großen Nutzen daraus gezogen.“

Außenminister Katz soll Nachfolger werden

Als neuen Verteidigungsminister habe er den bisherigen Außenminister Israel Katz (Likud) vorgeschlagen. Mit diesem hoffe er auf eine vertrauensvolle gute Zusammenarbeit. Als Nachfolger von Katz wurde wiederum Gideon Sa’ar (Neue Hoffnung) bestimmt. Dieser hatte sich erst Anfang Oktober erneut der Regierung angeschlossen.

Gallant gilt vielen als moderate Kraft in der Regierung. In einer Erklärung wenige Stunden nach seiner Entlassung sagte er: „Die Sicherheit des Staates Israel hatte und wird immer die höchste Priorität für mich haben, auch wenn ich dafür persönlich einen hohen Preis zahlen muss.“

Die Entscheidung Netanjahus kommt in einer Zeit, in der Israel an verschiedenen Fronten kämpft. Seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober vergangenen Jahres geht der jüdische Staat militärisch im Gazastreifen vor. Eine zweite Front eröffnete die Terror-Organisation Hisbollah, indem sie seit dem 8. Oktober Tausende Raketen auf israelisches Gebiet schickte. Israel reagierte mit Beschuss auf Militäranlagen im Südlibanon und startete Ende September Bodeneinsätze gegen Hisbollah-Stellungen. Dabei kamen zahlreiche Soldaten ums Leben.

Spontaner Protest in der Bevölkerung

In der israelischen Bevölkerung sorgte die Entscheidung Netanjahus für Aufruhr. Keine zwei Stunden, nachdem der Premierminister sie öffentlich gemacht hatte, versammelten sich Zehntausende Israelis auf den Straßen von Tel Aviv, Haifa und Jerusalem.

Die Gaza-Straße in Jerusalem, eine Verlängerung der Balfour-Straße, an der die offizielle Residenz des Premierministers liegt, füllte sich schnell mit Demonstranten, viele von ihnen hielten die israelische Fahne oder in Erinnerung an die Geiseln eine gelbe Fahne. Während manche erst zur Demonstration Richtung Gaza-Straße liefen, gingen andere schon zurück: „Das ist gut“, kommentierte jemand. „Wir demonstrieren in Schichten für unsere Demokratie.“

Ein in eine israelische Flagge eingehüllter Mann sagte: „Ich habe ein Déjà-vu. Wir hatten den gleichen Vorgang doch schon einmal vor anderthalb Jahren. Hoffentlich bekommen wir diesmal das gleiche Ergebnis.“ Damit erinnerte er an ein Ereignis Ende März 2023, als Netanjahu schon einmal Verteidigungsminister Gallant entlassen hatte. Damals ging es um Meinungsverschiedenheiten zur geplanten Justizreform. Spontan gingen Zehntausende auf die Straße, um gegen die Entscheidung Netanjahus zu demonstrieren. Aufgrund des öffentlichen Drucks setzte Netanjahu zwei Wochen später Gallant erneut als Verteidigungsminister ein.

Forderung nach Rückkehr der Geiseln und Rücktritt des Premiers

In der Gaza-Straße sagte eine Frau aufgebracht: „Was denkt er, wer er ist? Wir sind doch eine Demokratie, warum verhält er sich wie ein Diktator?“ Nachdem die Demonstranten etwa eine Stunde nach Beginn der Proteste eine Absperrung der Polizei in Richtung des Privathauses von Netanjahu in der Gaza-Straße gestürmt hatten, sagte jemand: „Interessant, dass sie uns einfach hier protestieren lassen, statt die Absperrung erneut aufzubauen. Das heißt doch, dass sie wissen, dass wir harmlos sind.“

Foto: Israelnetz/mh
Ein Demonstrant macht auf das Schicksal der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen aufmerksam

Tatsächlich hatte die Polizei nur kurz zuvor einen Wasserwerfer eingesetzt, abgesehen davon blieb es aber in Jerusalem friedlich und die Demonstration löste sich gegen Mitternacht auf. In Tel Aviv hingegen blockierten Tausende die Ajalon-Schnellstraße und zündeten zahlreiche Feuer an. Um die Demonstration gegen Mitternacht aufzulösen, setzte die Polizei erstmals Skunk (englisch für Stinktier) ein, ein übel riechendes Kampfmittel, das in Israel entwickelt und weltweit für den Einsatz durch Polizisten in großen Städten vermarktet wird.

Dass die Demonstrationen trotz großer Beteiligung ruhiger wirkten als viele Proteste in den vergangenen Wochen und Monaten, liegt daran, dass es sich um eine spontane Versammlung handelte. Deshalb gab es keine offiziellen Verlautbarungen, keine Bühne und keine Mikro-, sondern nur Megafone.

„Was soll bloß werden?“, fragten die Demonstranten einander. Und: „Warum ausgerechnet heute, am Wahlabend der Vereinigten Staaten?“ Für wen sie selber wählen würden, wenn sie die Möglichkeit hätten? „Ich weiß es wirklich nicht.“, sagte einer, nur um dann zu ergänzen. „Vielleicht Donald Trump.“ Sein Nachbar widersprach: „Auf keinen Fall. Der ist unberechenbar! Aber wer weiß? Wenn Kamala Harris gewählt wird – was wird dann aus uns und der Bedrohung aus dem Iran?“

Die Slogans der Demonstranten zwischen zwei Polen: dem Aufruf „Netanjahu, tritt endlich zurück!“ und der Forderung, die Geiseln zurückzubringen: „Jetzt. Alle. Lebendig!“

Die Gespräche wurden immer wieder unterbrochen von Demonstranten, die die üblichen Slogans brüllten: „Wir fordern jetzt einen Deal“, „Netanjahu, wir haben genug. Tritt endlich zurück und geh ins Gefängnis.“ Und in Erinnerung an die Geiseln: „Wir wollen sie zurück. Jetzt. Alle. Lebendig!“ (mh)

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27 Antworten

    1. Es ist traurig, dass Netanjahu unterstellt wird, er führe Krieg, um als Autokrat im Amt zu bleiben. Aus meiner Sicht macht er alles richtig. Natürlich hat unter seiner Regierung dieses Massaker stattgefunden, aber die Menschen sollten aufhören, so zu tun, als habe er es selbst angerichtet.
      Mit Trump als Präsident kann Israel möglicherweise auch das Atombombenprogramm der Iraner beenden, so wie der neue Minister Katz es vorschlägt.
      Die Angehörigen der Geiseln, die den Rücktritt Netanjahus und die Freilassung der Geiseln fordern sind verständlicherweise von letzten Hoffnungen getrieben. Durch den perfiden Plan der Palästinenser. Aber wie soll Netanjahu die Geiseln befreien? Die Araber geben niemals ihr Faustpfand aus den Händen, aus ihrer Sicht wäre es dumm. Das wird nur mit militärischer Gewalt möglich sein.
      Sobald nämlich Israel einen Waffenstillstand beschließt, wird die Gegenseite sofort nächste Massaker planen und anrichten.

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  1. Die Demonstranten: „Wir wollen sie zurück. Jetzt. Alle. Lebendig!“ Wir auch, aber wie?

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  2. Sehr sehr traurig!!! Netanyahu scheint seine politische Zukunft wichtiger zu sein als die Sicherheit seines Landes! Ich trauere mit Israel.
    Am Yisrael Chai!

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    1. Und die Sicherheit hieß Sinwar, unser Held?

      Netanjahu geht es um die Sicherheit. Die Hamas zerstört, d.h. Angriffe aus dem Gazastreifen werden auf lange Zeit weniger sein. Wenn man in der Folgezeit die UNRWA nicht zum hetzen hat, die Sommercamps für zukünftige Möchtegern-Terroristen entfallen kann sich auch die Gedankenwelt ändern. Wenn man es hinbekommt, dass mit einer Nachkriegsordung den Menschen signalisiert wird, dass sie jetzt mehr vom Leben haben werden, kann sich dies positiv auswirken.

      Das gleiche im Libanon. 80 % der Waffen der Hisbollah zerstört soll nicht zur Sicherheit beitragen? Was dann? Die Befreiung der Geiseln bis ins Jahr 2040, so langsam wie die Hamas bereit war? Mit Freilassung von Mördern, die nichts anders tun als wieder zu morden? Wie viele 7.10 soll es noch geben? Mit wie viel Toten und wieder mit Geiseln?

      Was hätten Sie getan, Avi? Sinwar, ich gebe dir alle Gefangenen und wenn du dafür 10 Geiseln freilässt ist es ok? Ein Regierungschef der so handeln würde, ist die Sicherheit vollkommen egal. Er würde vor dem Terror einknicken. Und der würde noch mehr steigen.

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      1. Mir muss was entgangen sein… meines Erachtens habe ich nicht seine Entscheidungen kritisiert, die mit Libanon, Sinwar, klar gegen Terror vorgehen, zu tun hat… Sorry für das Mißverständnis.
        Mein Kommentar hatte damit zu tun, dass Gallant auf schäbigste Art und Weise entlassen wurde. Einen erfahrenen verdienten Mann gegen jemanden austauscht, der keine Kriegserfahrung hat — und das mitten im Krieg!
        Den Rest hat Peter unten gut erklärt!

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    2. Was bildet er sich denn eigentlich ein,daß er sich verhält wie ein Diktator,den besten VM ,den sie seit langem hatten, einfach vor die Tür zu setzen, nur weil ihm dessen Meinung nicht passt, und das ganze auch noch in einem beschissenen Krieg.

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        1. Ich habe weder Posten noch Amt im israelischen Kabinett und ich verstehe ihre Frage nicht so ganz.
          Was werfen Sie einem jüdischstämmigen Deutschen vor, daß er sich mit der israelischen Politik nicht auskennt, oder mit der Geschichte Israels?
          Ich bin vor 2020 sehr oft in Israel gewesen, ich habe Verwandtschaft dort und mehr Freunde als in Deutschland.
          Also unterlassen Sie bitte irgendwelche subtilen und implzierten Unterstellungen
          SHALOM

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  3. Ich halte das für eine falsche Entscheidung inmitten des Kriegsgeschehens. Aber es war auch abzusehen, nachdem Nethanjahu Galant schon einmal entlassen hat. Die beiden sind sich seit Langem nicht grün. Aber für die Geiseln sieht es m.E. nicht gut aus. Der ehemalige Premier Bennett sagt: „Wir haben eine kranke und verrückte Regierung.“ Die haben wir leider auch. Die ganze Welt ist krank. Es wird Zeit, dass Jesus wiederkommt.

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  4. Netanjahu, ein erfahrener Politiker , Israel sollte froh sein , Uneinigkeit im Krieg hat nur für den Feind Vorteile. Viele von den Geiseln leben wahrscheinlich nicht mehr , deshalb versucht die Hamas Verhandlungen zu verzögern um die Weltöffentlichkeit gegen Israel weiterhin auf zubringen . Jegliche Schwäche Israels wird noch mehr Opfer fordern. Gott gebe Israel den Sieg über Ihre Feinde. Ich bin froh nicht in einem Land leben zu müssen, das ständig von Raketen der Hisbolla oder Hamas beschossen wird.

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  5. Ein Tribut an die „Rechtsextremen“ in der Regierung, die gleichzeitig den Orthodoxen den Wehrdienst ersparen möchten, da Gallant, das nicht mitmachte, drohte die Regierung auseinanderzufallen.
    Es scheint mittlerweile jedes Mittel Recht für Netanyahu um sich an die Macht zu klammern und nach einer Abwahl nicht vor diversen Gerichten verantworten zu müssen, ein trauriger Tag für Israelis, die Geiseln aber auch für das palästinensische Volk, da es keinerlei politische Perspektive für die Zukunft mehr zu geben scheint

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    1. @Peter
      Ich glaube nicht, dass Ihre Aussagen vollkommen korrekt sind, weil ich es nicht weiß, aber eine solche Denkweise liegt nahe – auch mir. 😔

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    2. Dann wird es Zeit für die Zahal, das solches Vorgehen entsprechend zu kommentieren und zu reagieren, denn Zahal möchte durch Gallant seit Beginn dieses Feldzuges wissen, was denn das eigentliche Ziel sein soll, wohin das Ganze führen soll

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  6. @Peter
    Wir brauchen die Orthodoxen für die Erste Hilfe, in der Notfallmedizin bei Terroranschlägen, aber vor allem um den demografischen Untergang zu stoppen. Das sagt meine Ehefrau, die beste von allen. Sie hat immer Recht.

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    1. Okay, ich mag grundsätzlich „satirischen“ Humor, aber in der Sache ist leider vieles todernst im wahrsten Sinne des Wortes. Halten Sie oder ihre Frau es denn für gerechtfertigt junge Frauen und Männer in den Krieg ziehen zu lassen, extreme Gebiets-und Gesellschaftsforderungen zu stellen um dann selbst aber den Dienst an der Waffe nicht auszuüben? und ist dies vor allem gerecht, gegenüber den Familien, die ihre Töchter und Söhne zum Militär schicken müssen….

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  7. Yoav Gallant war schon einmal weg zu Beginn des Krieges und nach einem Monat ist er damals zurück gekehrt. Es ist besser es als israelische Stärke aufzufassen in dieser schweren Zeit Streit auszuhalten. Demokratie ist Streitkultur … beten wir weiter für einen nahen Erfolg und eine lange Schwächung der israelfeindlichen Kräfte.
    Psalm 34 ff.
    17 Das Antlitz des HERRN steht wider alle, die Böses tun, dass er ihren Namen ausrotte von der Erde. 18 Wenn die Gerechten schreien, so hört der HERR und errettet sie aus all ihrer Not. 19 Der HERR ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben. 20 Der Gerechte muss viel leiden, aber aus alledem hilft ihm der HERR. 21 Er bewahrt ihm alle seine Gebeine, dass nicht eines von ihnen zerbrochen wird. 22 Den Frevler wird das Unglück töten, und die den Gerechten hassen, fallen in Schuld. 23 Der HERR erlöst das Leben seiner Knechte, und alle, die auf ihn trauen, werden frei von Schuld. 

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  8. Guten Morgen,
    liebe christliche Redaktionsgemeinde in Wetzlar.
    Leider ist in der (westlich demokratischen) die letzten Stunden einiges passiert:
    Nun ist die Regierung in Israel wirklich unbestreitbar rechtsradikal dominiert. In DE ist sie gestern Abend gecrasht. Auf Merzens-ChristenUnion oder gar die AfD habe ich gar keine Lust. Und in den Staaten: Bislang nur ein Jubelartikel auf dieser Seite. Als (auch) israelischer Staatsbürger empfinde ich die Lobpreisung von Trumpf als grössten Israel-Unterstützer aller Zeiten übrigens als genauso verkehrt wie unangenehm.

    Nur : Von all dem findet sich auf Ihrer Seite wenig. Ich hoffe, auf eine energisches Veröffentlichen von redaktionellen Beitrag nach dem Morgen-Kafi…

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    1. So ein Unsinn, Sarah. Gerade zu Trump gab es hier etliche Kommentare, die sehr kritisch gegenüber Trump formuliert waren.

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  9. Schade, dass es überhaupt Menschen gibt, die ihre eigene Agenda verfolgen und man nie weiß, wann sie einem in den Rücken fallen. Möge es dazu beitragen, dass die Regierung stabiler wird, mehr geeint und damit erfolgreicher und möge dieser Geist auf das Volk übergreifen, so dass sie wie ein Mann gegen all das Böse stehen, das sie vernichten will.

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  10. Herr Gallant und Netanjahu werden sich spätestens vor dem IGH wiedersehen. Gute Freunde kann nichts trennen.
    „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere und wir handeln entsprechend“.
    Verteidigungsminister Yoav Gallant

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  11. IGH abschaffen? Ja, so schnell wie möglich, sagt unser Gärtner Ernesto, hochgebildet.

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  12. Netanjahu hat täglich schwierige Entscheidungen zu treffen, doch keiner würde aushalten, was er aushält. Gallant ist auch ein Hitzkopf. Israel Katz ist ein guter Mann.

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  13. Die Entlassung stand schon lange im Raum. Die Hamas ist militärisch zerschlagen, die Hisbollah stark angeschlagen. Wie soll es jetzt weitergehen ? Das sind die Fragen.

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