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Nakba: Keine Kompromisse bei Rückkehrrecht

RAMALLAH / JERUSALEM (inn) - Zehntausende Palästinenser und israelische Araber haben am Dienstag den Tag der "Nakba" begangen. Sie erinnerten an die "Katastrophe" der Vertreibung nach der israelischen Staatsgründung vor 64 Jahren. Bei Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften wurden vier Israelis und 270 Palästinenser leicht verletzt.

In Ramallah versammelten sich am Mittag zahlreiche Demonstranten auf dem Jasser-Arafat-Platz. Einige trugen im Gedenken an die im Unabhängigkeitskrieg zerstörten arabischen Ortschaften schwarze Fahnen bei sich. Auf Transparenten waren die Namen der Dörfer zu lesen. Plakate zeigten den in Israel inhaftierten Führer der "Volksfront für die Befreiung Palästinas" (PFLP), Ahmad Sa´adat. Er wird für den Mord am israelischen Tourismusminister Rehavam Se´evi im Oktober 2001 verantwortlich gemacht. Angehörige von Häftlingen saßen in einem Protestzelt – in der Nähe war eine riesige nachgeahmte blaue Gefängniszelle aufgebaut worden, berichtet die "Jerusalem Post".

Der Premierminister im Westjordanland, Salam Fajjad, leitete die Kundgebung in Ramallah mit weiteren Vertretern der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Symbolisch war 64 Sekunden lang eine Sirene zu hören. "Das Rückkehrrecht ist heilig, dabei kann kein Kompromiss geschlossen werden", sagte Fajjad mit Bezug auf die palästinensischen Flüchtlinge und deren Nachkommen. Zudem betonte er die Notwendigkeit eines vollständigen israelischen Rückzuges auf die Waffenstillstandslinien von 1949, die heute oft als "Grenzen von 1967" bezeichnet werden.

"Ein Land wurde von der Landkarte gewischt"

Unterhändler Saeb Erekat rief zum "Nakba-Tag" die internationale Gemeinschaft auf, ihre "historische Schuld" zu begleichen: "Al-Nakba ist eine düstere Gelegenheit, die die internationale Gemeinschaft nutzen muss, um das historische Unrecht zu korrigieren, das über das palästinensische Volk hergefallen ist", teilte er laut der palästinensischen Nachrichtenagentur "Ma´an" mit. "Vor 64 Jahren wurde die blühende Gesellschaft und die reiche Kultur einer Nation ins Exil und in die Massenvertreibung gezwungen. Ein Land wurde von der Landkarte gewischt."

Erekat fügte hinzu: "Heute hat die internationale Gemeinschaft die moralische Verantwortung, zu reparieren, was getan wurde, indem sie Israels Straflosigkeit ein Ende setzt und die legitimen Bestrebungen der Palästinenser um Selbstbestimmung, Unabhängigkeit und Rückkehr, im Einklang mit internationalem Recht und relevanten UN-Resolutionen zur Kenntnis nimmt." Der Vertreter der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) wandte sich auch an die Israelis: "Wenn Israel wirklich an Frieden und einer Zweistaatenlösung interessiert ist, sollte es die Rechte und das Leiden unseres Volkes anerkennen."

Demonstrationen wurden auch in der Nähe des Kalandija-Checkpoints südlich von Ramallah und beim Ofer-Gefängnis in Beitunija abgehalten. Dort warfen Palästinenser Steine auf israelische Sicherheitskräfte. Ein Soldat und drei Grenzpolizisten erlitten leichte Verletzungen. Militär und Polizei reagierten mit Tränengas und Gummigeschossen auf die Angriffe. Zahlreiche Palästinenser wurden verletzt. Auch in Bethlehem und nahe Hebron bewarfen Demonstranten Israelis mit Steinen. Verwundete gab es dort jedoch nicht.

Auch im Gazastreifen gingen Tausende Palästinenser auf die Straße. Der Premierminister der Hamas-Regierung, Ismail Hanije, verkündete: "Unsere Botschaft an die Flüchtlinge ist, dass wir nicht auf das Rückkehrrecht verzichten." Im Norden wurden etwa 25 Menschen in ein Krankenhaus eingeliefert. Offenbar hatten sie nahe der Stadt Beit Hanun israelisches Tränengas eingeatmet. Nach Angaben einer israelischen Militärsprecherin hatte die Armee eine Demonstration beim Eres-Grenzübergang aufgelöst.

"Zug der Rückkehr"

In der Autonomiestadt Kalkilija im Westjordanland enthüllte Gouverneur Ribhi Chandakji den "Zug der Rückkehr". Das Eisenbahnmodell symbolisiert das Recht der Flüchtlinge, aus dem Exil in ihre Heimat zurückzukehren. Der Zug sei nach Israel gerichtet, sagte der Gouverneur. Seine Stadt liege nicht weit entfernt von palästinensischen Ortschaften und Städten, die während der Nakba beschlagnahmt worden seien. "Dieser Zug wird uns und unsere Kinder an das Rückkehrrecht erinnern."

Eine weitere friedliche Kundgebung hielten Hunderte Palästinenser in Nablus ab. Sie marschierten zum Bürogebäude des UN-Hilfswerkes für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Dort gaben sie einen Brief ab, in dem sie die Organisation aufforderten, ihre Hilfe für die Flüchtlinge nicht zu verringern. Zudem warben sie um Unterstützung für den Kampf um eine Rückkehr in ihre ehemaligen Dörfer. Gouverneur Dschabarin al-Bakri sagte, die Palästinenser warteten seit 64 Jahren darauf, dass die internationale Gemeinschaft die UN-Resolution 194 umsetze. Diese fordere, dass palästinensische Flüchtlinge entschädigt und zu ihrer Heimstatt zurückgebracht würden.

Auch in Ostjerusalem begingen Araber den Tag der Nakba. Es blieb weitgehend ruhig. Nur in der Nähe der Hebräischen Universität wurden fünf Personen festgenommen, die sich an Auseinandersetzungen beteiligt hatten. Später warfen Kinder, von denen einige erst fünf Jahre alt waren, Steine auf israelische Sicherheitskräfte. Vor dem Damaskustor zur Altstadt protestierten etwa 150 Menschen friedlich. Sie skandierten "Wir opfern unser Leben und unsere Seelen für Palästina" und "Wir sind alle Häftlinge" – damit nahmen sie Bezug auf den Hungerstreik palästinensischer Gefängnisinsassen, der durch ein Abkommen beendet wurde.

"Nakba ist wie die Zerstörung der jüdischen Tempel"

Nahe der israelischen Stadt Umm el-Fahm nahmen mehrere arabische Knessetabgeordnete an einer Kundgebung teil. Am Veranstaltungsort wurden mehrere Zelte zu Ehren der Häftlinge errichtet, die an dem vierwöchigen Hungerstreik teilgenommen hatten, schreibt die Tageszeitung "Yediot Aharonot".

"Ich empfinde eine Atmosphäre des Sieges", sagte Dschamal Sahalka (National-Demokratisches Bündnis). "Sie haben eine Schlacht um ihre Rechte gewonnen, und wir haben es geschafft, die Nakba in den öffentlichen Diskurs einzubringen. Wir werden weder vergeben noch vergessen."

Ahmad Tibi (Hadasch) sprach ebenfalls bei der Kundgebung: "Empathie gegenüber dem Leiden eines anderen Volkes ist ein erhabener menschlicher Wert auf dem Weg zur Versöhnung. Das kollektive Gedächtnis eines Volkes, das 1948 ethnisch gesäubert wurde, wird nicht unterdrückt, indem man 530 Ortschaften auslöscht."

Tibis Parteigenosse Talab el-Sana bezeichnete die Leugnung der Nakba als "ebenso großes Verbrechen wie die Nakba selbst". Israel habe die Pflicht, sie anzuerkennen. "Was die Palästinenser betrifft, ist die Nakba gleichbedeutend mit der Zerstörung des ersten und des zweiten Tempels. Es ist ein traumatisches Ereignis, das die Palästinenser von einem Volk, das in seinem Heimatland lebt, in Flüchtlinge verwandelt hat, die sich danach sehnen, in ihr Heimatland zurückzukehren."

Netanjahu-Sprecher: "Palästinenser müssen gegen eigene Führung demonstrieren"

Der Sprecher des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu, Mark Regev, kritisierte die Protestaktionen. Die Demonstranten sollten sich lieber fragen, warum sie in diesem Jahr nicht wie Israel 64 Jahre Unabhängigkeit feierten. "Die Antwort ist klar", zitiert ihn die "Jerusalem Post". "Die palästinensische Führung hat 1947 und 1948 eine extremistische und maximalistische Haltung übernommen. Anders als die jüdische Führung hat sie die Teilung abgelehnt und sich geweigert, einen jüdischen Staat selbst in gestutzten Grenzen zu akzeptieren."

Nicht Israel, sondern die damalige eigene Führung müsse das Ziel des palästinensischen Ärgers sein, folgerte Regev. Diese habe seinerzeit proklamiert: "Alles oder nichts". Dadurch habe sie die Palästinenser verraten. Er wolle die Demonstranten fragen, ob die aktuelle palästinensische Führung die Lektionen aus den "extremistischen und maximalistischen" Standpunkten gelernt habe. Immerhin habe sie immer noch ein Problem damit, "die Legitimität des jüdischen Staates anzuerkennen". "Ich würde sie fragen, ob sie nicht die Fehler der extremistischen Führung von 1947 und 1948 wiederholen."

"Akko, Haifa und andere Teile von Palästina"

Auch in mehreren islamischen Ländern gab es Nakba-Kundgebungen. In der libanesischen Hauptstadt Beirut demonstrierten Palästinenser und Mitglieder der regierenden Zukunftsbewegung vor dem UN-Hauptquartier.

Eine in der ägyptischen Hauptstadt Kairo geplante Versammlung wurde nicht verwirklicht. Doch der islamistische Präsidentschaftskandidat Abdel Moneim Abol Fotuh lobte die Gefangenen, die sich am Hungerstreik beteiligt hatten: "Wir gratulieren unseren Brüdern, den palästinensischen Häftlingen in den Gefängnissen der zionistischen Besatzung, zu ihrer Standhaftigkeit in ihrem Sieg über den Feind in der Schlacht des leeren Darmes. Wir unterstützen den fortgesetzten, damit all ihre menschlichen Rechte erfüllt werden." Dasselbe gelte für die Selbstverteidigung und den Widerstand gegen die Besatzung.

Ägypten habe sich seit den Tagen von Hosni Mubarak verändert, fügte Abol Fotuh laut der staatlichen ägyptischen Zeitung "Al-Ahram" hinzu. Damals sei es "ein strategischer Schatz für den zionistischen Feind" gewesen. Israel sei auf "ethnischer Säuberung und Apartheid" gegründet worden. Der Kandidat bekundete seine Unterstützung für die Rückkehr der Flüchtlinge an die Orte, von denen sie gewaltsam vertrieben worden seien – "Akko, Haifa, Jaffa, Lod, Ramle und andere Teile von Palästina". Das frühere Mitglied der Muslimbruderschaft gilt neben dem ehemaligen Außenminister Amr Mussa als aussichtsreichster Bewerber um das Amt des Staatspräsidenten in dem nordafrikanischen Land.

In der iranischen Hauptstadt Teheran versammelten sich Demonstranten mit palästinensischen Fahnen. Sie verbrannten 64 israelische Flaggen und trampelten darauf herum.

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