So soll ein „israelischer Offizieller“ der „New York Times“ gesteckt haben, dass „Israel“ den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad allen Alternativen vorziehe, weil dieser „verantwortungsvoll“ die Waffenstillstandsabkommen auf den Golanhöhen respektiere und die Giftgasarsenale unter Kontrolle halte. Auf dem gleichen Weg, über „hohe Beamte“, hätten sich die Amerikaner bei Israel dafür entschuldigt, den Medien einen Luftangriff auf den Flughafen von Damaskus „bestätigt“ zu haben. Derweil haben „israelische Offizielle“ gedroht, aktiv den Sturz Assads durch schmerzhafte Schläge betreiben zu wollen, falls der es wagen sollte, die libanesische Hisbollah-Miliz mit russischen Flak und Boden-See-Raketen auszustatten. Das hätten israelische „Geheimdienstkreise“ der „New York Times“ gesteckt, „weil entsprechende Drohungen über geheime Kanäle in Damaskus nicht angekommen“ seien.
Die „hohen Beamten“ haben sich offenbar nicht einmal abgestimmt, wenn sie innerhalb von drei Tagen widersprüchliche Behauptungen in die Welt setzen. Die Verwirrung wird umso größer, wenn in Israel erfahrene Experten und ehemalige Amtsinhaber wie die Generale Amos Jadlin und Giora Eiland, die Aussagen dieser ominösen „hohen Beamten“ kommentieren und wiederum mit einleuchtenden Argumenten das Gegenteil behaupten.
Spekulationen oft als Wahrheit aufgefasst
Gerüchte über „angesehene Zeitungen“ zu verbreiten, ist ein altbewährtes Mittel, Druck auf andere Länder auszuüben, wenn es keine direkten diplomatischen Kanäle gibt wie zwischen Israel und Syrien. Doch namenlose Aussagen als offizielle Politik eines Landes mit reißerischen Titeln wie „Israel will an Assad festhalten“ zu verbreiten, während alle Welt nach Wegen sucht, den grausamen Diktator und Schlächter von fast 100.000 Syrern abzusetzen, birgt auch Gefahren. Denn oft genug werden Gerüchte oder auch reine Spekulationen als Wahrheit aufgefasst oder propagandistisch genutzt, um ein Wettrüsten zu starten, das Nachbarland anzugreifen und einen Krieg zu starten.
Gerade in Nahost, wo Verschwörungstheorien Teil der Wirklichkeit sind, ist die Kriegsgefahr besonders groß, zumal das Pulverfass durch den geringsten Anlass zur Explosion gebracht werden kann.
Ein klassisches Beispiel ist der „unmittelbare“ Angriff Israels auf den Iran, erstmals vor sieben Jahren in der „Sunday Times“ veröffentlicht. Seitdem wiederholen auch andere Medien in regelmäßigen Abständen vermeintliche israelische Regierungsbeschlüsse oder Vorbereitungen, „übermorgen“ das iranische Atomprogramm zu zerstören. Selbstverständlich finden die Medien stets „Geheimdienstkreise“ oder „hohe Beamte“, die ihnen jegliche Spekulation bestätigen. Und da die namenlos zitiert werden, kann niemand zur Verantwortung gezogen werden. Kein Journalist wird gezwungen, „Beweise“ zu liefern. Ganze sieben Jahre sind seit dem Artikel in der „Sunday Times“ vergangen, und es ist immer noch nichts passiert.
Selbst die besten Geheimdienste der Welt wissen nicht, wie der Bürgerkrieg in Syrien enden wird. Genauso hat niemand den Fall der Berliner Mauer und das Verschwinden der DDR 1990 vorhergesehen. Jene „Experten“, die vor über zwei Jahren einen Sturz Assads innerhalb von zwei Wochen verkündet hatten, sind längst Lügen gestraft worden.
Viele Kriege, darunter die Weltkriege, sind durch Zufälle und ohne vorherige Ankündigung ausgebrochen. Am 11. Juli 2006 wusste niemand, dass die Hisbollah am darauffolgenden Tag zwei israelische Soldaten in den Libanon entführen und den Zweiten Libanonkrieg ausbrechen lassen würde. Hisbollah-Chef Nasrallah gestand später, sich „verrechnet“ zu haben. Genauso überrascht war die israelische Regierung. Sie hat erst am Abend nach der Entführung beschlossen, mit Krieg zu antworten, obgleich bekanntlich die Armee überhaupt nicht auf einen Feldzug vorbereitet war.
Niemand kann die Entwicklungen in Syrien vorhersehen. Die Russen haben 15 Kriegsschiffe ins östliche Mittelmeer verlegt. Autobomben sind in der Türkei explodiert. Angeblich stammten sie aus Syrien. Die Israelis haben mutmaßlich bei Damaskus angegriffen und immer wieder explodieren „Querschläger“ aus Syrien auf den israelisch kontrollierten Golanhöhen. Israelische Panzer seien „für alle Fälle“ in Stellung gebracht worden. Da reicht ein einziger Volltreffer oder das kleinste falsche Manöver einer der beteiligten Parteien, um schlagartig eine neue Lage zu schaffen.
Die Redeschlachten der namenlosen „hohen Beamten“ schütten zusätzliches Öl in die Flammen der unberechenbaren Emotionen. Und zudem sei hier eine Banalität erwähnt. Selbst der beste Geheimdienst der Welt kann nicht in die Köpfe unberechenbarer und offensichtlich völlig rücksichtsloser Diktatoren oder Rebellenführer schauen. Die jüngsten Szenen unbeschreiblicher Brutalität passen nicht zu westlichen Konzepten von Vernunft und „Besonnenheit“ oder „Mäßigung“, zu denen westliche Politiker unermüdlich aufrufen.
Selten offizielles Dementi
Der israelische Militärsprecher, Oberst Joav Mordechai, hat auf seiner Facebook-Seite auf Hebräisch die vermeintlichen Äußerungen eines israelischen Geheimdienstoffiziers gegenüber der Londoner „Times“ als „unglaubwürdig und sogar als aus der Luft gegriffen“ abgetan. Nach Angaben der „Times“ halte Israel am syrischen Präsidenten Baschar al-Assad fest. Der Militärsprecher schrieb weiter: „In den vergangenen zwei Jahren habe ich dazugelernt, wie man mit derartigen Zitaten für allerlei Ziele guten Gebrauch machen kann.“ Doch kenne er den Standpunkt des Geheimdienstes zu den Ereignissen in Syrien und wisse deshalb, dass das Zitat falsch sei. Die israelische Armee, so Mordechai, beobachte die Lage und bereite sich auf jedes Szenario an der Nordfront und allen anderen Bereichen vor. Deshalb bleibe nicht viel Zeit für ein Vorhersagen der Zukunft.
Ein derartiges offizielles Dementi zu Zeitungsberichten gibt es in Israel nur selten. Berichte über die israelischen Attacken in Syrien hat Regierungssprecher Mark Regev mit einem lakonischen „Presseberichte kommentieren wir nicht. Weder bestätigen noch dementieren wir“ abgetan.