Eine Deutsche ergreift bei der Eröffnungszeremonie das Wort und bittet unter Tränen um Vergebung. Der Großvater von Bärbel Pfeiffer hat unter anderem am Zaun um das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau mitgebaut. Mit ihr sind 50 bis 60 weitere Nachkommen von Mitgliedern der deutschen Wehrmacht, der Polizei und der SS nach Polen gekommen. Gemeinsam mit den Nachfahren von Holocaust-Überlebenden starteten sie vergangenen Sonntag in Auschwitz den Marsch. Auch Ruth Sax, die dank Schindlers Liste den Holocaust überlebte, sprach in der Eröffnungsveranstaltung.
Junge Menschen aus Deutschland, Israel, den USA, Weißrussland und Polen versammelten sich, um an die schrecklichen Ereignisse der NS-Zeit zu erinnern. Von Auschwitz aus machte sich die Gruppe auf den Weg nach Kielce, Chelmno, Sobibor, Majdanek und Belzec, bis sie am Donnerstag schließlich in Treblinka ankam. Ihre geographische Lage verbindet diese Orte durch einen symbolischen Davidstern miteinander. Kirchen und Gemeinden im gesamten Land veranstalteten im Rahmen des Marsches Versöhnungsgottesdienste.
Von Treblinka aus sind die Teilnehmer am heutigen Freitag in die polnische Hauptstadt Warschau aufgebrochen. Hier findet eine Schabbat-Feier und das Fest des Lebens statt. Das Fest ist die Abschlussveranstaltung der sechs Tage und „hat einen freudigen Charakter“, teilte Heinz Reuss, einer der Veranstalter des Marsches, gegenüber Israelnetz mit. Viele der Gottesdienste und Gedenkfeiern seien sehr getragen gewesen, das Fest soll zum Abschluss einen Gegenpol setzen. Hauptrednerin wird die israelische Abgeordnete Lia Schemtov (Israel Beitenu) sein. Sie repräsentiert ihr Land während des Marsches. Die Tageszeitung „Yediot Aharonot“ zitiert die Politikerin mit den Worten: „Das sind unglaubliche Jugendliche, die ihre tragische Verbindung mit den Juden entdeckt und sich entschieden haben, diese Wahrheit zu beherzigen, während sie Vergebung und Freisprechung von den Holocaust-Überlebenden suchen.“
Polen war einer der Hauptschauplätze des Holocaust. Von den etwa 6 Millionen Juden, die unter dem NS-Regime ihr Leben gelassen haben, kamen mehr als 3 Millionen dort um.
Den Marsch des Lebens gibt es bereits seit mehreren Jahren. Einer der Initiatoren, die evangelische Freikirche TOS, beschreibt diese Kundgebungen als „Gedenk- und Versöhnungsmärsche an Orten des Holocaust in Europa“. Jedes Jahr am israelischen Holocaustgedenktag gibt es, in Erinnerung an die Todesmärsche der KZ-Häftlinge, einen Marsch der Lebenden von Auschwitz nach Birkenau.