Im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt sei die Erkenntnis wichtig: „Unsere Probleme haben keine Lösung“, sagte Schueftan. Man könne sie nur „auf eine Ebene bringen, mit der man leben kann“. Als Beispiele für seine These nannte der Israeli die Armut und die Kriminalität. Diese Probleme seien nicht vollständig lösbar, aber sie könnten verringert werden. Deshalb laute die Frage zum israelisch-palästinensischen Konflikt: „Wie kann man für Jahrzehnte mit einem Problem leben, das keine Lösung hat?“
In seinem Vortrag nannte der Direktor des israelischen Zentrums für Nationale Sicherheitsfragen an der Universität Haifa zwei Herausforderungen, mit denen der jüdische Staat konfrontiert sei: die geographische Lage in einem „ekelhaften Teil der Welt“ und die internationale Gemeinschaft mit ihrer anti-israelischen Haltung. Die aktuelle Situation in Syrien sei ein Spiegelbild für das Geschehen im Nahen Osten. Es gebe auch Gute, aber sie kämen nie an die Macht. Die Kriege zwischen den Arabern seien schon immer so blutig gewesen – auch als es noch keine Mobiltelefone gab, um die Bilder in der Welt zu verbreiten. Auf eine Zuhörerfrage, ob ein innerarabischer Konflikt nicht gut für Israel sei, entgegnete er: „Im Moment, wo ein Araber den anderen hasst, wird er Israel bombardieren.“ Denn dadurch könne er unter den Arabern Freunde gewinnen.
„Das ist die politische Kultur vom Nahen Osten“, folgerte Schueftan und schloss die Frage an: „Kann sie sich ändern?“ In Ägypten sei aus einer schlechten in den vergangenen anderthalb Jahren eine katastrophale Lage geworden. Wer nach Demokratie strebe, komme in der arabischen Welt nicht an die Macht. Und wer eine Universität besucht, Sprachen gelernt und weite Reisen unternommen habe, neige dort eher zur Radikalität – anders als in der westlichen Welt. Aber eine solche Feststellung sei nicht politisch korrekt. Nur eine winzige Minderheit im arabischen Islam heiße den Pluralismus gut.
Für den Hass der Nachbarvölker gegen Israel sieht der Wissenschaftler zwei Gründe. Einer sei ein Konsens in der arabischen Welt: „Alle Araber glauben, dass die Juden kein Volk sind.“ Deshalb hätten sie nach dieser Auffassung kein Recht auf Selbstbestimmung oder einen eigenen Staat.
Ein zweiter Faktor sei Neid, meinte Schueftan. Die arabische Welt habe in den vergangenen 200 Jahren Misserfolge bei allem erlebt, was ihnen wichtig war. Für diese Ansicht erhalte er Zustimmung, wenn er sie auf Arabisch im Sender „Al-Dschasira“ äußere. Mitten in diesem Misserfolg befinde sich der enorme Erfolg von Israel – der wahrzunehmen sei, „wenn man nicht die europäischen Medien liest“.
Angesichts der zahlreichen Bürgerkriege in arabischen Ländern fragt der Israeli: „Was können wir erwarten gegenüber Israel? Dass sie uns mehr lieben als ihre Brüder? Dass sie uns in Ruhe lassen?“ Die meisten Israelis wollten von den Arabern in Ruhe gelassen werden. Das einzige brauchbare Mittel sieht der Referent in der Abschreckung: „Wir sind so stark, dass, wenn ihr versucht, Israel zu zerstören, wir euch die Knochen brechen werden.“ So habe der Anfang 2011 gestürzte ägyptische Präsident Hosni Mubarak seine friedliche Haltung gegenüber dem jüdischen Staat auf diese Weise erklärt: „Wir können uns einen Krieg gegen Israel nicht leisten.“ Doch selbst die Abschreckung könne nur bis zu einem bestimmten Punkt wirken. Mitunter sei die Motivation so stark, dass es wie bei einem Vulkan zu einer Eruption komme, die nicht vorhergesagt werden könne. Deshalb gebe es von Zeit zu Zeit Kriege.
Schueftan setzt auf eine räumliche Trennung zwischen Israelis und Palästinensern. Den israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen hat er 2005 unterstützt – nicht weil das Land den Palästinensern gebührte oder Frieden brächte. Nach eigener Aussage wusste er auch, dass der Terror zunehmen und die Hamas die Herrschaft übernehmen würde. Doch er begrüßt die Trennung der beiden Völker, die „sich gegenseitig nicht leiden können“. Auch ein palästinensischer Nachbarstaat werde mies sein. Es gebe hier „zwei ekelhafte Alternativen“.
Auf Nachfrage von Israelnetz räumte der Akademiker im Anschluss an den Vortrag ein, dass es auch schon gute Beziehungen zwischen Siedlungen und palästinensischen Ortschaften gegeben habe. Dies habe allerdings überhaupt keine Bedeutung. „Das kann manchmal richtig sein, aber es ist normalerweise Propaganda.“ Denn „wenn wir sie zwingen, mit uns zusammenzuleben, sind sie bereit, mit uns zu arbeiten“. Es gebe auch persönliche Freundschaft, aber ohne langfristige Wirkung. „Ich will nicht jemandem verbieten, dass er einen Freund hat von der anderen Seite. Das ist in Ordnung. Das ist nicht meine Sache als Staat. Aber ich will nicht mit denen im selben Staat leben. Und sie wollen es nicht.“ Der Wunsch, nicht mit den anderen zusammenzuleben, sei die einzige Gemeinsamkeit zwischen Israelis und Palästinensern. Die Frage sei, warum sie es trotzdem tun sollten. „Weil irgendjemandem in Europa das gefällt?“
Eine zweite Herausforderung liege darin begründet, dass sich Israel auch innerhalb der UNO in einer feindlichen Umgebung befinde. „Barbaren diktieren, was Menschenrechte sind“, sagte der Israeli mit Bezug auf den UN-Menschenrechtsrat, dem Staaten wie Libyen angehören. „Die UNO ist eine Beleidigung für die Zivilisation.“
In Europa seien Antisemitismus und Antiisraelismus auf dem Vormarsch. Schueftan definiert Antisemitismus folgendermaßen: „Jeder, der sagt, es gibt einen Standard für Juden und einen anderen Standard für andere Menschen, ist automatisch ein Antisemit.“ Wenn etwa der deutsche Schriftsteller Günter Grass sage, Israel sei gefährlich wegen der Atombombe, aber nicht England, die USA, Nordkorea oder der Iran, dann sei er Antisemit – wenn auch möglicherweise unbewusst.
Israel habe den höchsten Standard aller Zeiten, was den Schutz von Unbeteiligten im Krieg angehe, fügte der Referent hinzu. Die Behauptung, Israel führe „einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser“, sei daher antisemitisch. Natürlich sei es legitim, Israelis zu beschimpfen – „warum auch nicht?“. Aber in letzter Zeit geschehe dies wieder mit historischen antisemitischen Motiven wie der Ritualmordanklage. Er erinnerte an die britische Zeitung „Independent“, die 20o3 die Karikatur: „Scharon isst Babys“ veröffentlicht hatte. „Julius Streicher wäre stolz gewesen, diese Karikatur im ‚Stürmer‘ zu haben.“ Und noch schlimmer sei es, dass diese Zeichnung in Großbritannien zur besten Karikatur des Jahres gewählt wurde.
„Der Antisemitismus von links ist gefährlicher als der Antisemitismus der 30er Jahre“, behauptete Schueftan. Seine Begründung: Damals sei für die Krankheit ein Gegenmittel entwickelt worden, die Menschenrechte. Doch heute geschehe Antisemitismus „im Namen der Menschenrechte“. Die Juden würden wieder als „Gottesmörder“ verunglimpft. Denn der neue Gott sei der Friede. „In Europa glauben mehr Menschen, dass die Juden Jesus umgebracht haben, als an Jesus glauben.“ Der Antisemitismus sei leider Teil der europäischen Identität.
Der Israeli prangerte das „europäische Märchen“ an, nach dem die Europäer früher Barbaren gewesen seien, die sich gegenseitig abschlachteten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hätten sie nach eigener Auffassung verstanden, dass es schrecklich sei, und von der Gewalt abgelassen. Er wandte ein, dass kein Friede zwischen Hitler und Churchill geschlossen worden sei. Erst sei der Nazismus mit Gewalt vernichtet worden, dann habe man mit den Deutschen sprechen können. Eine gute Grundlage sei die pluralistische Kultur gewesen, die schon vorher in Deutschland existierte. Europa sei nur durch Amerika gerettet worden.
„Fast alles, worauf ich stolz bin, habe ich von den Europäern gelernt“, betonte Schueftan. „Aber sie können diese Werte nicht verteidigen, weil sie glauben, dass man nicht kämpfen soll, weil es nicht nett ist.“ Doch man müsse diese Werte „gegen die Barbaren verteidigen“. Er sei froh, dass Angela Merkel Bundeskanzlerin ist. Denn weil sie die DDR-Zeit erlebt habe, erinnere sie sich daran, dass es böse Menschen gibt.
Trotz aller Widrigkeiten erklärte der Referent: „Ich lebe in Israel, weil das Leben in Israel wunderbar gut ist.“ In 120 Jahren hätten die Israelis ohne Frieden und ohne eine Lösung alles erreicht. So werde es aus seiner Sicht auch in 120 Jahren noch sein. Israel sei stark genug, um in der feindlichen Umgebung viel zu erreichen. Trotz der Kriege hätten sie eine Demokratie aufgebaut. Dabei stamme ein Großteil der Israelis aus Marokko oder Osteuropa, also dem Zarismus oder Kommunismus. Die meisten hätten kaum Erfahrung mit Demokratie gehabt.
Schueftan schätzt die Vielfältigkeit der israelischen Gesellschaft. Die Ultraorthodoxen betrachtet er jedoch als Parasiten und würde ihnen das Ausreiseticket zahlen, wenn sie das Land freiwillig verlassen wollten. „Sie arbeiten nicht, ein sehr großer Teil. Sie leben auf meine Kosten“, erläuterte er seinen Standpunkt gegenüber Israelnetz. „Ich arbeite, und sie machen Kinder.“ Dazu sei er nicht bereit. „Es kann einzelne Menschen geben, die wunderbar sind. Aber als Kollektiv benehmen sie sich als Parasiten.“
Zu dem Vortrag eingeladen hatten das „Mideast Freedom Forum Berlin“, die Zionistische Organisation Frankfurt, die Deutsch-Israelische Gesellschaft Frankfurt und die Pro-zionistische Linke Frankfurt.