HAMBURG (inn) – Der Liedermacher und Schriftsteller Wolf Biermann hat in einer Rede in Israel eine pro-arabische Stellungnahme zum Nahostkonflikt in Deutschland angegriffen. Hart ins Gericht ging Biermann dabei auch mit der deutschen Berichterstattung über Israel.
Biermann, dem das für ihn „fremdvertraute Israel“ nach eigener Aussage in den letzten Jahren „zum Vaterland wurde“, hielt im Oktober eine Gastvorlesung in Jerusalem und Haifa. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte in ihrer jüngsten Ausgabe eine gekürzte Fassung der Rede.
Gleichsetzung des Sicherheitszauns mit Berliner Mauer „zynisch“
Biermann prangert darin vor allem die „aggressive Ignoranz der westlichen Welt“ an, „die sich die Nahosttragödie wie eine Seifenoper anschaut“. In ihm wachse Furcht, „denn das nahöstliche Israel ist der bedrohteste Teil der fernwestlichen Zivilisation“. Biermann weiter: „In diesem historischen Trauerspiel kann es kein Happy-End geben… Falsch ist alles! Und jeder Weg führt in die Katastrophe.“ Das Dilemma bleibe bestehen: „Diesen Zaun zu bauen ist falsch, aber den Zaun nicht zu bauen ist – vermute ich – noch falscher.“ In Deutschland „liebten“ es die Meinungsmacher, „den Zaun, mit dem sich Israel schützt, in Erinnerung an das geteilte Deutschland gehässig eine Mauer zu nennen. Ich lebte lange genug hinter der Berliner Mauer und weiß, wie zynisch diese Gleichsetzung ist.“
Der Staat Israel habe in Deutschland „schon eine bessere Presse“ gehabt, so der Liedermacher. „Drei Jahrzehnte nach dem Holocaust hatten die Deutschen dem jüdischen Volk schon fast verziehen, was sie ihm angetan haben. Doch nun werden die Täter mehr und mehr ungnädig angesichts dieses heillosen Dauerkonflikts ihrer Opfer. Immer wieder höre ich das kalt-herzliche Argument: Diese Juden müssten doch während der Nazizeit am eigenen Leibe gelernt haben, was Unterdrückung ist. Na eben drum! halte ich dann heiß-herzlos dagegen, die Überlebenden haben die Schoah-Lektion gelernt und wollen sich niemals wieder abschlachten lassen.“
„Araber schicken Palästinenser in den tödlichen Kampf“
Manche Deutsche seien der Meinung, dass Juden und Araber gleich schuld am Konflikt seien, und Biermann erwidert: „Ja, jeder Krieg stinkt. Böse sind auch die Krieger aufseiten der Guten… Sogar die fanatisierten Intifada-Kids und ihre todtraurig-jubelnden Heldenmütter und all die analphabetischen Männer, wie sie im Westjordanland für jeden falschen Märtyrer Freudentänze machen, kann ich nicht so einfach aus meiner Menschheit ausschließen.“ Doch die Palästinenser würden „von ihren arabischen Brüdern selbst aus der Menschheit ausgeschlossen und vorgeschickt in einen tödlichen Kampf. Die riesigen reichen arabischen Länder rund um Israel mit ihren gewaltigen Ressourcen an fruchtbarem Land und Bodenschätzen und alter Hochkultur sollten ihre Ölmilliarden investieren, um diesen Elendsten ein friedliches Leben zu ermöglichen.“
Biermann: „Stern“ und „Spiegel“ einseitig
In Bezug auf die Nahost-Berichterstattung prangert Biermann an: „Journalistische Ausgewogenheit der Berichterstattung über den Nahostkonflikt ist für das populäre deutsche Wochenmagazin ’stern‘ nur noch ein Feigenblatt in Fingernagelgröße. Und das wirkungsmächtigste Blatt des Westens, ‚Der Spiegel‘, beugt sich der antiisraelischen Stimmung in Deutschland und bestärkt sie zugleich im Tonfall augenzwinkernder Ausgewogenheit. Auch die meisten Nachrichten im Radio, die verschiedenen Fernsehsender – fast alle singen mit falscher Stimme und echtem Gefühl, so wie das deutsche Harfenmädchen in Heines Wintermärchen.“ Ihn widere „die großmäulige Besserwisserei der Wenigwisser in Europa gegenüber dem Nahostkonflikt“ an, so Biermann.
Wie früher in den „Weisen von Zion“ die Juden als Christenkinderfresser dargestellt wurden, so würden heute die Israelis als Kinderschlächter dargestellt, „die eine christlich-moslemische Zivilisation in die Steinzeit zurückbomben wollen. In Wirklichkeit aber sind es Araber, die Israel ausrotten und im nächsten Schritt die gesamte westliche Zivilisation vernichten wollen.“ Die „simpleren Durchschnittsdeutschen“ ergriffen „Partei für die Araber“. „Es wird wieder der Refrain des alten Liedes geschwiegen, geknurrt und geplärrt: Die Juden sind an allem schuld!“ Geschützt werde dies mit dem Argument: „Man wird Freunde doch kritisieren dürfen!“
Die EU sei der „Zahlmeister“, der „regelmäßig Alimente an die Palästinenser überweist“ und nicht wahrhaben wolle, „dass sich im Gaza-Streifen die abgeklärten Massenmörder der Fatah mit den fanatischen Massenmördern der Hamas eigentlich nur über den Weg zur Endlösung der Judenfrage streiten, denn im Grunde sind sie alle einer Meinung: Israel muss vernichtet werden!“
Der 69-jährige Biermann ist Sohn eines jüdischen Werftarbeiters aus Hamburg. Sein Vater wurde wegen seines Widerstandes gegen die NSDAP im KZ Auschwitz ermordet. Biermann selbst wurde 1976 aus der DDR ausgebürgert. Seine Liedtexte waren dem DDR-Regime zu kritisch. Soeben erschien im Verlag „Hoffmann und Campe“ sein neuer Gedichtband „Heimat“.