Suche
Close this search box.

Mr. X macht weiter Schlagzeilen

JERUSALEM / MELBOURNE (inn) – Zwei Jahre nach dem Selbstmord eines mysteriösen Häftlings hat Israel die Nachrichtensperre geringfügig abgeschwächt. Der gebürtige Australier hatte für den Auslandsgeheimdienst Mossad gearbeitet.
Der mysteriöse Häftling stammte aus der australischen Stadt Melbourne.

Der mysteriöse Mossad-Agent Mr. X hat sich vor zwei Jahren, am 15. Dezember 2010, im Ajalon-Gefängnis in seiner überwachten „Selbstmord-sicheren“ Isolierzelle erhängt. Die Zelle war ursprünglich für den Rabin-Mörder Jigal Amir eingerichtet worden. Bis Mittwochmorgen durften israelische Medien nicht einmal unter Berufung auf „ausländische Quellen“ vermelden, was einigen Journalisten offenbar doch bekannt war. Dann wurde die Nachrichtensperre leicht gelockert. So wurde bekannt, dass Mr. X ein Jude namens Ben Zygier war. Vor zehn Jahren ist er vom australischen Melbourne nach Israel ausgewandert. In Israel nahm er den Namen Ben Alon an und gründete in Ra‘anana eine Familie mit zwei Kindern. Er arbeitete für den Geheimdienst Mossad und starb im Alter von 34 Jahren.
Im Jahr 2010 wurde der Mann mit australischem und israelischem Pass aus unbekannten Gründen heimlich verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. In Israel wurde ein ungewöhnlich striktes richterliches Veröffentlichungsverbot verhängt, wegen eines „ernsten Verstoßes gegen die Sicherheit Israels“. Kein Detail, nicht einmal die Existenz des Gefangenen, durfte bekannt werden.
Offenbar wussten der Abgeordnete Nitzan Horowitz und Menschenrechtsorganisationen schon 2010 – vor seinem Tod – vom „Verschwinden“ dieses Mannes. Ihnen wurde Schweigen auferlegt wegen eines „sehr delikaten Sicherheitsproblems“. Inzwischen stellt sich gemäß Medienberichten heraus, dass „Mr. X“ vor seiner Verhaftung vom australischen Geheimdienst zu seinen Aktivitäten für den Mossad befragt worden sei. Das berichtet die australische Zeitung „Age“.
Spross einer wohlhabenden jüdischen Familie
Nach seinem Tod nahmen seine Angehörigen Kontakt mit dem australischen Außenministerium auf, um den Leichnam nach Australien zu überführen. So ist klar, dass die Australier zumindest teilweise in den Fall eingeweiht waren. Ben Zygier stammte aus einer wohlhabenden, angesehenen jüdischen Familie in Melbourne. Seine Angehörigen schweigen eisern „wegen der Trauer“ und auch die jüdische Gemeinde in Melbourne will sich nicht äußern.
Ben Zygier und zwei weitere nach Israel ausgewanderte australische Juden sind angeblich nach Australien zurückgereist. Dort haben sie ihre Namen geändert und reisten nun mit angelsächsischen Namen wie Ben Allen und Barrows und australischen Pässen in den Iran, nach Syrien und in den Libanon. Was sie dort getan haben und warum der Mossad-Agent Ben Zygier in Isolierhaft gesteckt worden ist, bleibt im Dunklen.
Öffentlich wurde jetzt die Affäre in Israel durch drei linke Abgeordnete, darunter den Araber Ahmad Tibi. Im Schutze ihrer parlamentarischen Immunität konfrontierten sie den Minister für innere Sicherheit mit Fragen zu dem geheim gehaltenen Gefangenen.
Obwohl weiterhin nur wenige Eingeweihte wissen, in welcher Weise Ben Zygier eine „große Gefahr für die Sicherheit Israels“ darstellte, entfachten die Abgeordneten eine Diskussion zu den Begleitumständen: Wie legitim ist Isolierhaft? Darf der Staat einen Häftling verschwinden lassen? Wie konnte der Häftling trotz Überwachung Selbstmord verüben?
Australischer Journalist trat Skandal los
Trevor Bormann von ABC in Australien hatte zuvor einen Bericht zu Mr. X veröffentlicht und den Skandal losgetreten, obgleich das israelische Nachrichtenportal „Ynet“ schon am 27. Dezember 2010 über den Freitod eines namenlosen Gefangenen berichtet hatte. ABC gesteht, „keine Ahnung“ vom dem „extrem sensiblen“ Vergehen zu haben, dessen Ben Zygier verdächtigt worden ist und das eine „sofortige Gefahr für Israel als Nationalstaat“ bedeutete. „Wahrscheinlich werden wir das nie erfahren.“
Der israelische Geheimdienstexperte Jossi Melman kennt auch keine Details, vermutet aber einen „Hochverrat, der die Existenz des Staates Israel gefährdet hätte“. Das geht aus einem zensierten und schnell wieder gelöschten hebräischen Text hervor, von dem aber im Internet noch ein „Screenshot“ existiert.
Mit einer schnellen Schadensbegrenzung blähte die israelische Regierung die Affäre zum internationalen Skandal auf. Premierminister Benjamin Netanjahu bestellte die „Chefredakteurs-Konferenz“ zu einer überstürzt einberufenen Notsitzung ein. Deren Teilnehmer sind Spitzenjournalisten der offiziellen Medien. Da werden auch kritische Staatsgeheimnisse mitgeteilt, mit der Auflage, nichts zu veröffentlichen. Eitan Haber, ehemaliger persönlicher Referent von Premierminister Jitzhak Rabin, sagte im Rundfunk: „Dank diesem Gremium konnte schon mal ein Krieg mit Syrien verhindert werden.“ Doch der angesehene TV-Journalist Jakob Achimeir meinte: „Wir leben nicht mehr in den Fünfziger Jahren, als es gerade mal ein paar Zeitungen und den Staatsrundfunk gab.“ Im Zeitalter des Internet können israelische Blogger und elektronische Nachrichtenseiten keiner Zensur mehr unterworfen werden. Derartige Versuche, Veröffentlichungen zu unterbinden, ergeben „keinen Sinn“ mehr.
In Israel darf weiterhin nichts Neues zu Ben Zygier berichtet werden. Die Australier jedoch waren voll informiert, behaupten aber, nichts zu wissen, obgleich deren Außenministerium die Überführung der Leiche von „Mr. X“ organisiert hatte.
In der Nacht zum Donnerstag wurde das Veröffentlichungsverbot im „schweren Verbrechensfall 8493-03-10“ aufgehoben. Ohne den Namen des Delinquenten zu nennen, hieß es, dass Ben Zygiers Familie über dessen Haft informiert worden war. Rechtsanwälte hätten ihn begleitet. Alle weiteren gesetzlichen Vorgaben seien eingehalten worden. So habe ein Richter seinen Tod durch Erhängen bestätigt. Weiterhin bestehe jedoch ein Veröffentlichungsverbot zu seinen mutmaßlichen Vergehen.
Der ABC-Artikel: http://tinyurl.com/ABC-Artikel
Screenshot des gelöschten Berichtes: http://tinyurl.com/d3seroe

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen