Die neue zentrale Moschee in Moskau kann nach offiziellen Angaben bis zu 10.000 Menschen aufnehmen. Am Mittwoch ist sie nach einem aufwendigen Umbau wieder eingeweiht worden. Während der Zeremonie äußerte der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), Mahmud Abbas, scharfe Kritik an Israel. Er forderte Schutz für das Gelände der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg. Die palästinensische Religionsfreiheit in Jerusalem müsse im Einklang mit der Order aus der Zeit vor der israelischen Besatzung von 1967 gesichert werden.
In seiner Ansprache sagte Abbas laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA: „Die systematische israelische Aggression gegen das Gelände der Al-Aksa-Moschee, die erste Kiblah (Gebetsrichtung) und die drittheiligste Stätte im Islam im besetzten Ostjerusalem, der Hauptstadt des Staates Palästina, konnte nicht dem Frieden, der Koexistenz und der Toleranz zwischen Religionen und Völkern dienen. Im Gegenteil, sie liefert eine Ausrede für weltweite Extremisten, die Religionen ausnutzen, um die Menschheit zu terrorisieren.“ Die Moschee in Jerusalem gehöre einzig den Muslimen. Der PA-Vorsitzende kritisierte die zuweilen aus Sicherheitsgründen durch Israel verhängten Zugangsbeschränkungen.
Abbas ergänzte, die Moskauer Hauptmoschee sende eine klare Botschaft, die Russlands Geist von Toleranz und Koexistenz widerspiegele. Der Wille zu Offenheit sowie interkulturellem und interreligiösem Dialog manifestiere sich im Geist des gegenseitigen Respekts vor unterschiedlichen Glaubensrichtungen. Die Russische Föderation bezeuge ihren Respekt vor den arabischen und islamischen Ländern und dem Islam.
Putin: Traditionen des aufgeklärten Islam in Russland entwickelt
Der russische Staatspräsident Wladimir Putin sagte bei der Eröffnung nach einer Mitteilung des Kreml: „Eine der ältesten Moscheen von Moskau stand an dieser historischen Stätte und hat sich einem Umbau unterzogen, der sie jetzt zur größten in Europa macht. Sie hat ein herrliches neues Aussehen, das der Hauptstadt unseres vereinigten, multiethnischen und multikonfessionellen Landes würdig ist.“ Der Islam sei entsprechend dem Gesetz eine von Russlands traditionellen Religionen, Millionen Bürger zählten zu seinen Nachfolgern.
Das Staatsoberhaupt fügte an: „Die muslimische Gemeinde von Moskau entstand beispielsweise im Mittelalter, und dies spiegelt sich in den tatarischen Wurzeln der Straßennamen der Hauptstadt. Die Traditionen eines aufgeklärten Islam haben sich über viele Jahrhunderte hinweg in Russland entwickelt. Dass unterschiedliche Völker und Religionen in Russland friedlich nebeneinander leben, ist zu einem großen Teil der muslimischen Gemeinschaft zu verdanken, die einen wertvollen Beitrag dazu geleistet hat, Harmonie in unserer Gesellschaft zu wahren. Auch hat sie immer danach gestrebt, Beziehungen innerhalb und zwischen Religionen zu bauen, die auf Toleranz gegenüber dem Glauben eines jeden anderen basieren.“ Heute sei der traditionelle Islam ein wesentlicher Bestandteil des geistlichen Lebens in Russland.
Putin betonte, es sei wichtig, „der muslimischen Jugend traditionelle islamische Werte beizubringen und Versuche zu verhindern, uns Weltanschauungen aufzuzwingen, die uns fremd sind und nichts mit dem ursprünglichen Islam zu tun haben“. Die Behörden würden weiter dabei helfen, Russlands System islamischer theologischer Schulen und der religiösen Erziehung wiederzubeleben. Die Ideologie der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) bezeichnete er hingegen als Ideologie, die „auf Lügen und einer offenkundigen Perversion des Islam“ basiere.
Das Staatsoberhaupt schloss mit den Worten: „Freunde, diese neue Moschee eröffnet, während die muslimische Gemeinschaft davor ist, das große Fest Eid al-Adha zu feiern. Ich möchte allen Muslimen in Russland zu diesem freudigen Fest gratulieren und wünschen Ihnen allen Gutes, Freude und Wohlstand.“ An dem Opferfest Eid al-Adha gedenken Muslime der Bereitschaft des Erzvaters Abraham, einen seiner Söhne zu opfern.
Muslimische Gemeinden gegen große Moschee
Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach bei der Feier. Gemäß der Nachrichtenagentur dpa kritisierte er Europa dafür, dass es Zäune baue. Stattdessen müsse es mehr dafür tun, damit Menschen im Nahen Osten in Frieden leben können. Dabei bezog er sich direkt auf die Syrienkrise. Ferner nahm das kasachische Staatsoberhaupt Nursultan Nasarbajew an der Zeremonie teil.
Viele islamische Länder haben zur Finanzierung der Hauptmoschee beigetragen. Mitglieder der muslimischen Gemeinde hatten den Bau einer solch großen Moschee allerdings kritisiert. Sie würden mehrere kleinere Bethäuser in verschiedenen Stadtteilen der russischen Hauptstadt bevorzugen, berichtet die dpa. Derzeit läuft allerdings ein Antrag des Muftirates auf den Bau eine Moschee, die Platz für 20.000 Gläubige bietet. Schätzungen zufolge leben etwa zwei Millionen Muslime in Moskau.
Abbas trifft Putin
Bereits am Dienstag hatten sich Abbas und Putin über palästinensisch-russische Bemühungen beraten, in den Palästinensergebieten Energievorräte zu nutzen. Nach Angaben des palästinensischen Botschafters Abdel Hafis Nofal ging es um eine mögliche Beteiligung russischer Firmen bei der Förderung von Gas und Öl. Das Gespräch habe sich auch um die Frage gedreht, ob die Palästinenser Energie aus Russland importieren sollen, sagte der Diplomat der palästinensischen Nachrichtenagentur „Ma‘an“.
Ein weiteres Thema waren die aktuellen Unruhen in Ostjerusalem und vor allem auf dem Tempelberg. Der PA-Präsident merkte an: „Israel strebt danach, die Al-Aksa-Moschee zwischen Muslimen und Juden aufzuteilen. Eine solche Teilung würde bedeuten, dass sich Zeit und Ort fürs Gebet ändern: Muslime würden zu einer Zeit und an einem Ort beten, während Juden zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort beten würden.“ Abbas fügte hinzu: „Ich nehme auch Bezug auf Israels fortdauernde Siedlungsaktivität und die terroristischen Aktivitäten jüdischer Siedler, die fast täglich jugendliche Palästinenser töten.“
Abbas erhält Ehrenbürgerschaft von Paris
Vor seiner Reise nach Russland hatte sich der Vorsitzende der Autonomiebehörde in Paris mit französischen Politikern getroffen. Nach seinem Gespräch mit Staatspräsident François Hollande im Elysee-Palast warnte er den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu angesichts der Zusammenstöße auf dem Tempelberg vor „einer Intifada, die wir nicht wollen“. Israel müsse die Eskalationen einstellen. Hollande bekräftigte, er unterstütze den Status quo auf dem umstrittenen Areal.
In Paris erhielt Abbas zudem eine besondere Auszeichnung: Bürgermeisterin Anne Hidalgo erklärte ihn zum Ehrenbürger der französischen Hauptstadt. Dies sei in Anerkennung seiner Taten geschehen, um Frieden zwischen Palästinensern und Israelis zu finden, berichtet WAFA.
Am Freitag fliegt der PA-Präsident von Moskau aus weiter nach New York, wo er am 29. September seine Rede vor der UN-Generalversammlung halten soll. Zudem wird in diesem Jahr erstmals die palästinensische Flagge vor dem Hauptgebäude der Vereinten Nationen gehisst. Die PA hat bei den UN den Status eines Beobachterstaates inne. (eh)