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Mofas in turbulenter Parlamentssitzung vereidigt

JERUSALEM (inn) - Der Kadima-Vorsitzende Schaul Mofas ist am Mittwoch als Minister ohne Geschäftsbereich vereidigt worden. Außerdem wurde er stellvertretender israelischer Regierungschef. Der Vereidigung war eine lebhafte Debatte der Knesset über die neue Große Koalition vorausgegangen.

"Sie haben Ihre Seele an den Teufel verkauft", warf der frühere Infrastrukturminister Benjamin Ben-Elieser (Avoda) dem Kadima-Chef vor. Umweltminister Gilad Erdan äußerte daraufhin sein Befremden darüber, dass ein langjähriger Abgeordneter den Premier mit dem Teufel gleichsetze. "Als Ihre Partei in der Regierung war, schien es, als wären Sie und der Premierminister befreundet", sagte der Likud-Politiker. Kurz darauf bat Ben-Elieser darum, dass seine Bemerkung aus dem Protokoll entfernt werde. Der politische Schritt sei "satanisch", aber er habe nicht Regierungschef Benjamin Netanjahu als "Teufel" bezeichnen wollen, stellte er laut der Zeitung "Jerusalem Post" klar.

Die Meretz-Vorsitzende Sahava Gal-On übte ebenfalls Kritik an Likud und Kadima. Die Parteien hätten "sich einen Deal ausgedacht, der so schmutzig ist, dass die Öffentlichkeit das Vertrauen zu uns allen verloren hat. Ein fauler Apfel – die Kadima-Partei – hat uns alle verdorben".

Die Likud-Abgeordnete Zippi Hotovely wies die Anschuldigungen zurück. "Was wäre anders, wenn wir im September Wahlen hätten?", fragte sie die Vertreter der Opposition. "Wäre Mofas glaubwürdiger? Er hat sowieso gesagt, er würde sich nach den Wahlen Netanjahus Regierung anschließen, weshalb ist dies also schlimmer?"

Netanjahu: "Keine geheimen Absprachen"

Oppositionsvertreter beschuldigten Netanjahu und Mofas, außerdem ein geheimes Abkommen abgeschlossen zu haben – zusätzlich zum Koalitionsvertrag. Dieser war von den beiden Parteien in der Nacht zum Dienstag unterzeichnet worden, weil sie vorgezogene Neuwahlen im September vermeiden wollten. Aufgrund der Anschuldigungen wurde die Knessetsitzung unterbrochen. Netanjahu entschuldigte sich für einen Augenblick, um mit einem Rechtsvertreter zu beraten, schreibt die Tageszeitung "Yediot Aharonot".

Anschließend dementierte der Premierminister, dass er geheime Vereinbarungen mit Kadima getroffen habe: "Während der Verhandlungen wurde über Möglichkeiten gesprochen, die in Zukunft geschehen könnten. Doch dies hat nie den Punkt eines Abkommens erreicht." Er fügte an, der Einheitsvertrag sei das einzige Abkommen, das unterzeichnet worden sei.

Bei der Abstimmung über Mofas‘ neue Rolle als stellvertretender Regierungschef und Minister ohne Geschäftsbereich votierten 71 Abgeordnete dafür. Es gab 23 Gegenstimmen. Anschließend wurde der Kadima-Vorsitzende vereidigt. Gemäß der Vereinbarung ist Mofas das einzige Kadima-Mitglied im israelischen Kabinett. Am Dienstag gab es allerdings Berichte, denen zufolge drei weitere Vertreter der Partei in einigen Monaten zu Ministern ernannt werden sollen.

Ramon verlässt Kadima

Der ehemalige Abgeordnete Haim Ramon legte am Mittwochabend aus Protest gegen die Große Koalition  sein Amt als Vorsitzender des Kadima-Rates nieder. Gleichzeitig trat er aus der Partei aus. Gegenüber "Yediot Aharonot" erklärte er den Schritt mit der Richtungsänderung: "Von einem ideologischen Standpunkt aus existiert Kadima nicht länger für mich." Die Partei sei zum Likud geworden. Viele Mitglieder hätten sich diese Entwicklung gewünscht und gegen die vorige Kadima-Chefin Zippi Livni gestimmt. "Sie bevorzugten eine Kadima, die Teil des Likud sein will. Kadima ist keine zentristische Partei mehr."

Wenn Livni und der frühere Journalist Jair Lapid gemeinsam eine neue Partei bildeten, würde er sich ihnen anschließen, fügte Ramon hinzu. Lapid hat vor kurzem die Partei "Jesch Atid" gegründet, die nach seinem Dafürhalten der Mittelschicht eine Zukunft geben soll. Livni hat nach ihrer Abwahl die Knesset verlassen.

Ramon betonte, dass er nicht wütend auf seine bisherigen Parteigenossen sei. "Sie haben ihren Weg gewählt, ich wähle meinen. Dies war nicht die Kadima, der ich mich angeschlossen habe." Er war von der Arbeitspartei (Avoda) zu Kadima gewechselt.

Avoda-Chefin neue Oppositionsführerin

Infolge der Vereinbarung zwischen Likud und Kadima ist die Opposition gewissermaßen machtlos. Sie verfügt nicht über die 40 Abgeordneten, die nötig sind, um einen Misstrauensantrag zu stellen. Zur neuen Oppositionsführerin wurde am Mittwoch die Avoda-Vorsitzende Schelly Jachimowitsch vereidigt. Wenige Stunden zuvor sagte sie in einer Pressekonferenz: "Keine Partei ist besser geeignet, die Opposition zu führen, als die Avoda. Kadima war keine Minute lang eine Alternative." Es sei eine der kleinsten Oppositionen in der israelischen Geschichte, mit einem breiten Meinungsspektrum, aber sie würde sie alle führen.

Ihre erste Ansprache vor dem Plenum begann Jachimowitsch hingegen mit einer persönlichen Geschichte. Anlass für die Rede war das Gedenken an den sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg. Veteranen der Roten Armee waren deshalb im israelischen Parlament zu Gast. Die neue Oppositionsführerin erzählte von ihrer Mutter, die am Ende des Krieges in der polnischen Hauptstadt Warschau von sowjetischen Soldaten gerettet worden war. Ihnen schulde sie persönlich Dank. Eine der Botschaften des Zweiten Weltkrieges laute, man dürfe nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen.

"Doch die Botschaft von Stärke und Verteidigung muss mit Gerechtigkeit und Gleichheit ausgeglichen werden", so Jachimowitsch weiter. "Das, was wir verteidigen, muss eine Bedeutung haben." Den Veteranen sagte sie: "Sie verdienen es, mit Respekt, einer guten Rente, einem Dach über Ihrem Kopf und der Möglichkeit, Geschenke für Ihre Enkel zu kaufen, zu leben."

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