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„Mein Jüdischsein wird bei Druck stärker“

Als Teenager fand er auf einer spirituellen Suche in Israel Antworten im chassidischen Judentum. Zuletzt positionierte er sich in seinem neuen Song „Ascent“ und in einer Dokumentation deutlich gegen Antisemitismus. Am Sonntag wird der jüdische Reggae- und Hip-Hop-Musiker Matisyahu 45 Jahre alt.
Von Jörn Schumacher
Zwei abgesagte Konzerte: Der Musiker Matisyahu wirft der pro-Palästina-Bewegung in den USA Scheinheiligkeit vor

Es ist eine ungewöhnliche Entwicklung für einen Musiker: Geboren und aufgewachsen in den USA, wurde Matisyahu – mit bürgerlichem Namen Matthew Paul Miller – als Sohn jüdischer Eltern nicht-religiös erzogen. Als Teenager war er nach eigener Aussage auf einer spirituellen Suche, er lebte als Hippie und trug Dreadlocks.

Bei einem Campingausflug in die Natur begann er, an Gott zu glauben. Er reiste nach Israel, und in Jerusalem begann er eine tiefere Verbindung zu Gott und seinem jüdischen Glauben aufzubauen. Er wandte sich dem Chassidismus zu, einem Teil des ultra-orthodoxen Judentums, und schließlich dem Chabad, einer religiös-mystischen Strömung aus dem 18. Jahrhundert. Matisyahu ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Brooklyn. Am 30. Juni feiert er seinen 45. Geburtstag.

Bekannt wurde er unter seinem hebräischen Namen und Bühnennamen Matisyahu („Geschenk Gottes“) als Reggae-, Hip-Hop- und Alternative-Rock-Musiker. Musikalisch verbindet er Elemente des traditionellen Judentums mit modernen Musikstilen und prägte dadurch die Bezeichnung „Chassidischer Reggae“. Weil er ein bekannter Gegner der anti-israelischen Kampagne „Boykott, Desinvestition and Sanktionen“ (BDS) ist, erlebte er besonders nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 mehrere Absagen von Konzertterminen.

In den amerikanischen Städten Santa Fe und Tucson etwa hätte er im Februar auftreten sollen, doch die Veranstalter sagten die Konzerte des amerikanisch-jüdischen Künstlers wegen Sicherheitsbedenken ab. Matisyahu mutmaßte, die Absagen seien eher wegen seiner Unterstützung für Israel erfolgt. Der Musiker nutze die Gelegenheit, die „Pro-Palästina-Bewegung“ zu kritisieren: Es sei scheinheilig, zum Völkermord an Juden aufzurufen und die Juden als Kolonialisten zu verurteilen.

Single „Ascent“ stellt sich offen gegen Antisemitismus

Im März veröffentlichte Matisyahu eine Single mit dem Titel „Ascent“, sie ist auf seiner neuen EP mit dem Titel „ Hold the Fire“ enthalten. Das Lied handelt von Antisemitismus und geht explizit auf die Angriffe palästinensischer Terroristen auf Juden am 7. Oktober ein. „Es ist wohl eines der bedeutendsten Werke, die ich je gemacht habe“, schrieb der Künstler auf Instagram dazu.

Der Musiker besuchte Israel und drehte am Ort des Nova-Musikfestivals und in den zerstörten Gebäuden eines Kibbuzes ein Video zum Song. Das Musikvideo enthält auch historische Schwarz-Weiß-Aufnahmen von KZ-Insassen, Hitler und Begebenheiten aus der Geschichte, in denen Juden verfolgt wurden.

Im Liedtext heißt es: „Ich spüre, dass meine Familie angegriffen wird / Früher wurden wir immer in den Rücken geschossen.“ Und weiter: „Die Schuld liegt bei den Juden / Bist du verrückt? Das ist nichts Neues / Das sagen sie schon seit Jahren / Ihre Angst ist wie die von Heulsusen.“

Bezug zu einem Wallfahrtspsalm

Der Titel des Liedes „Ascent“ (Aufstieg) bezieht sich auf den Wallfahrtspsalm 120, der im Englischen den Titel „A Song of Ascents“ trägt. In Vers 6 heißt es dort: „Es wird meiner Seele lang, zu wohnen bei denen, die den Frieden hassen. Ich halte Frieden; aber wenn ich rede, so fangen sie Krieg an.“

Im Interview des Magazins „Billboard“ sagte Matisyahu, er habe „Ascent“ noch vor dem 7. Oktober als Reaktion auf die antisemitische Rhetorik von Ye (Kanye West) und anderen geschrieben. Er sei ursprünglich mit einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit nach Israel geflogen, doch „dort ist mein Glaube an die Menschlichkeit und mein Glaube an Gott wieder erneuert worden“, sagte der Musiker.

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Bei dem Besuch in dem Kibbuz, der von Palästinensern angegriffen worden war, traf er auch Überlebende des Massakers. „Eine junge Frau wurde zwölfmal von Schüssen getroffen“, sagte Matisyahu. „Sie sitzt im Rollstuhl und erzählte mir, dass alle im Kibbuz sehr für den Frieden mit den Bewohnern in Gaza gearbeitet hätten. Das war überhaupt der Grund dafür, dass sie dort lebten.“ Die palästinensischen Attentäter hätten wie in einem Computerspiel auf die Bewohner geschossen, erzählte ihm die Frau, und sie hätten dabei gelacht. Die junge Frau konnte nur überleben, weil sie in ein Loch fiel.

Matisyahu bedauerte in dem Interview außerdem, dass Juden in vielen Ländern der Welt nicht mehr offen einen Davidstern zeigen könnten. Sein eigenes Jüdischsein werde durch diesen Druck nur noch stärker. „Das bringt mich persönlich dazu, meine jüdische Identität noch mehr auszuleben. Vielen Juden geht es so – je mehr Widerstand es gegen ihr Jüdischsein gibt, desto mehr kommt so eine Art ‚Punk-Rock-Geist‘ der Revolte in ihnen auf, und das Jüdischsein wird erst recht für sie immer wichtiger.“

Dokumentarfilm auf dem „Los Angeles Jewish Film Festival“

Vor kurzem wurde eine Dokumentation mit dem Titel „Song of Ascent“ über das Massaker des 7. Oktober und Matisyahus Umgang damit veröffentlicht. Der 90-minütige Film feierte am 24. Juni seine Premiere auf dem Los Angeles Jewish Film Festival. Produzent und Regisseur ist Shlomo Weprin.

Der Dokumentar-/Livekonzertfilm zeichnet die Erlebnisse des Singer-Songwriters Matisyahu seit dem Massaker vom 7. Oktober in Israel nach. Er bindet Bilder seiner jüngsten US-Tournee sowie zwei Reisen nach Israel ein. Zu sehen sind seine Besuche in mehreren Kibbuzim, auf dem Nova-Festivalgelände, in Krankenhäusern und an anderen Orten, die mit dem Massaker verbunden sind. Ob der Film irgendwann auch in Deutschland zu sehen sein wird, teilte der Verleiher auf Anfrage nicht mit.

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4 Responses

  1. Danke für den Bericht. Ich wünsche dem Jüdischen Sänger Matisyahu alles Gute, möge er auch die kommenden besseren Zeiten für Israel mitbekommen, denn diese werden kommen !

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  2. Baruch HaShem. Man kann immer zu G’TT finden. Oder ER findet seine Schäfchen. Alles Gute. Shabbat Shalom ist 🇮🇱💙🇮🇱
    Danke @ Redaktion für Artikel.

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  3. „Bekannt wurde er unter seinem hebräischen Namen und Bühnennamen Matisyahu („Geschenk Gottes“) “

    Man sieht, der Mann ist bescheiden und auf dem Boden geblieben. Das ist auch gut so denn Selbsterhöhung und Hybris ist Gott zuwider.

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