Livnis Wahlsieg wird angefochten

Mit nur 431 Stimmen Vorsprung hat Außenministerin Zipi Livni die Wahl zur Kadima-Vorsitzenden gewonnen. Der unterlegene Verkehrsminister Schaul Mofas rief Livni zwar am frühen Donnerstagmorgen an und gratulierte ihr. Aber seine Mitarbeiter kündigten an, das Wahlergebnis anzufechten.

Laut dem vorläufigen Endergebnis erhielt Livni 43,1 Prozent der Stimmen und Mofas 42 Prozent. Meir Schitrit kam auf 8,5 und Avi Dichter auf 6,5 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,7 Prozent.

Am Wahlabend herrschte Chaos. Kurz vor 22 Uhr, dem ursprünglichen Termin für die Schließung der Wahllokale, klagten Mofas-Leute bei der obersten Wahlkommission der Kadima-Partei über „großes Gedränge“ bei einigen Wahllokalen. Bis zum frühen Abend lag die Wahlbeteiligung nur bei knapp 30 Prozent. Das kam angeblich eher Mofas zugute. Doch dann wachten die eingetragenen Parteimitglieder plötzlich auf und drängten zu den Urnen. Gleichwohl forderte Mofas, die Öffnungszeiten nicht zu verlängern. Aber Livni stellte dann doch den Antrag, den Spätwählern eine Chance zu geben, bis 23 Uhr ihre demokratische Pflicht tun zu können.

Die Wahlkommission einigte sich auf einen Kompromiss und genehmigte eine Verlängerung um 30 Minuten, bis 22:30 Uhr. Daran fühlten sich aber die israelischen Fernsehsender nicht mehr gebunden. Etwa 15 Minuten vor Schließung der Wahllokale veröffentlichten die drei Fernsehkanäle ihre jeweiligen Hochrechnungen. Deren Zahlen unterschieden sich nur leicht voneinander. Aber alle Sender waren sich einig, dass Livni mit einem großen Vorsprung von etwa 10 Prozent vor Mofas gesiegt habe. Nach Auszählung der Stimmen im Laufe der Nacht reduzierte sich der vermeintliche Erdrutschsieg auf nur noch 431 Stimmen, also etwa 1 Prozent der 32,872 abgegebenen Stimmen. Das entspricht der Stimmenzahl eines einzigen Wahllokals.

Am Nachmittag brachen bei einem Wahllokal der Beduinen in Rahat in der Negevwüste Tumulte aus. Das Lokal wurde in Brand gesteckt und dann von der Polizei geschlossen. Anhänger von Livni stehen im Verdacht, die Provokation ausgelöst zu haben. Es ist also nicht auszuschließen, dass dieser Zwischenfall oder andere „Unregelmäßigkeiten“ der Außenministerin den Wahlsieg beschert haben könnten. Auch die Tatsache, dass die Hochrechnungen schon veröffentlicht wurden, ehe die Wahllokale geschlossen waren, gilt als Verstoß gegen die üblichen Regeln.

Versagen der Umfrageinstitute

„Wir sind mit einem riesigen Wahlsieg von Zipi schlafen gegangen und mit einem winzigen Vorsprung aufgewacht“, fasste die Kommentatorin Keren Neubach den faden Geschmack nach dem völligen Scheitern der Umfrageinstitute zusammen.

Dennoch habe sich Mofas noch nicht für den Rechtsweg und eine Anfechtung des Wahlergebnisses entschlossen. Mit seinem Anruf bei Livni am frühen Donnerstagmorgen und seinem Glückwunsch zu ihrem Wahlsieg tat er einen politischen Schritt. So gab Mofas auch das Zeichen für den bevorstehenden Machtkampf in Israel. Denn Zipi Livni müsste nach dem angekündigten Rücktritt von Premierminister Ehud Olmert eine neue Regierungskoalition basteln. Fühler sind da schon in alle Richtungen ausgestreckt.

Wie Mofas hatte Livni schon während des Wahlkampfes ein Bündnis mit deren „alter Heimat“, dem rechtskonservativen Likud-Block unter Benjamin Netanjahu, nicht ausgeschlossen. Auch in der ultra-linken Meretz-Partei werde nachgedacht, sich einer Koalition mit Livni anzuschließen. Das könnte die Arbeitspartei unter Ehud Barak vergraulen. Entsprechend wird schon um die personelle Besetzung der wichtigsten Posten in der künftigen Regierung gerangelt. Mofas gebührt angesichts des knappen Wahlergebnisses hoher Lohn. Verteidigungsminister Barak ist im Augenblick der mächtigste Koalitionspartner und wird nicht bereit sein, seinen Posten zugunsten von Mofas aufzugeben. Also dürfte Mofas der Posten des Außenministers angeboten werden, der mit dem Wechsel Livnis auf den Sessel des Premierministers vakant würde.

Möglicherweise bleibt Olmert noch lange im Amt

Das eigentliche politische Erdbeben in Israel steht also noch bevor, während der wegen Korruptionsverdachts ins Abseits gedrängte Ehud Olmert als Übergangspremier möglicherweise noch viele Monate im Amt bleiben wird. Denn niemand weiß, ob Livnis Koalitionsbemühungen von Erfolg gekrönt sein werden. Sollte sie scheitern, müssten nach 90 Tagen Neuwahlen in Israel ausgeschrieben werden. Olmerts versprochener Rücktritt würde erst in Kraft treten, sobald ein anderer Politiker es geschafft hat, als Premierminister vor dem Parlament vereidigt zu werden. Bis dahin wird Olmert weiterhin über Krieg und Frieden entscheiden und auch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas die Verhandlungen weiterführen, obgleich dessen Mandat als gewählter Präsident am 8. Januar 2009 endet.

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