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Levin: Justizreform anfangs zum Teil undemokratisch

Justizminister Levin ist nach wie vor überzeugt von der angestrebten Justizreform. In einem Punkt gibt er Kritikern aber Recht.
Von Israelnetz
Yariv Levin spricht vor der Knesset

JERUSALEM (inn) – Die umstrittene Justizreform hält Israel seit drei Monaten in Atem. Nun hat Justizminister Jariv Levin (Likud) erstmals zugegeben, dass der ursprüngliche Ansatz zur Richterernennung nicht zu einer Demokratie gepasst hätte. Die völlige Kontrolle einer Regierung über die Ernennung „hätte zu einer Situation geführt, in der alle drei Zweige der Staatsgewalten zu einem einzigen geworden wären“.

Die Äußerung ist bereits zwei Wochen alt, kam aber erst am Montag an die Öffentlichkeit. Sie stammt aus einem Interview des privaten Fernsehsenders „Kanal 14“. Darin sagte Levin, dass die meisten Argumente gegen die Reform „haltlos“ seien. Bei der Frage der Richterernennung, ein Kernelement der Reform, gebe es jedoch berechtigte Einwände.

Abgestufte Wahlkriterien

Levin betonte jedoch, dass der ursprüngliche Ansatz inzwischen geändert wurde. Die erste Version kam am 21. Februar in der Knesset durch die erste Lesung. In den darauf folgenden Beratungen im Verfassungsausschuss ging es bereits um eine geänderte Fassung.

Laut diesem Vorschlag besteht das Ernennungsgremium aus elf Personen: Sechs Minister und Abgeordnete der Regierungsparteien, zwei Abgeordnete der Opposition und drei Richter des Obersten Gerichts. Für die Ernennung von Richtern am Obersten Gericht sind immer mindestens sechs Stimmen erforderlich. Bei den ersten beiden Ernennungen können diese ausschließlich aus den Regierungsparteien kommen. Ab der dritten Ernennung ist mindestens eine Stimme von der Opposition nötig, ab der vierten auch eine von den Richtern. Dieser Ansatz soll verhindern, dass die Koalition die Besetzung der Posten im Obersten Gericht komplett kontrolliert.

Die „Times of Israel“ wendet jedoch ein, dass innerhalb einer Legislaturperiode im Schnitt ohnehin nur zwei bis drei Richter am Obersten Gericht ernannt werden. Insofern bekommen die Regierungsparteien auch mit dem neuen Vorschlag weitgehende Kontrolle über die Ernennungen. Hinzu kommt, dass die Koalition den Gerichtspräsidenten bestimmen kann, der dann später im Ernennungsausschuss womöglich im Sinne der Regierung stimmt.

Wenig Aussicht auf Kompromiss

Der Verfassungsausschuss hat dem Vorschlag am Montag der vergangenen Woche zugestimmt. Damit machte er den Weg frei für die zweite und dritte, finale Lesung. Doch aufgrund massiver Proteste stoppte die Regierung den Gesetzgebungsprozess vorerst. Aktuell befindet sich die Knesset in der Pessach-Pause, am 13. April nimmt sie die Arbeit wieder auf.

Der israelische Präsident Jitzchak Herzog versucht indes weiter, im Reformstreit zu vermitteln. Am vergangenen Montag kam es zu einem ersten Treffen, an diesem Montag zu einem zweiten. Doch schon am Freitag räumten die Beteiligten den Gesprächen wenig Chancen auf eine Lösung ein. Ein Grund sei, dass die Koalition am aktuellen Vorschlag der Richterernennung festhalten wolle.

Gemeinsamer Auftritt von Netanjahu und Gallant

Unterdessen haben der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Gallant (beide Likud) ihren ersten gemeinsamen Auftritt nach dem Streit um die Fortsetzung der Justizreform absolviert. Im Vorfeld des Passahfestes zeigten sie sich in einem Ausbildungslager der Armee nahe der zentralisraelischen Stadt Modi’in. Beide betonten, es sei wichtig, Politik aus den Einheiten herauszuhalten und in der Verteidigung Israels zusammenzustehen.

Netanjahu hatte vor mehr als einer Woche angekündigt, Gallant zu entlassen, nachdem dieser einen Stopp der Justizreform gefordert hatte. Diese Ankündigung führte zu weiteren Protesten auf den Straßen. Ein offizielles Entlassungsschreiben wurde jedoch nie übermittelt. An diesem Montag hieß dann aus dem Regierungsamt, die Entlassung werde „aus Sicherheitsgründen aufgeschoben“.

Ebenfalls am Montag erklärte die Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara, dass Netanjahus aktive Beteiligung am Reformprozess aus ihrer Sicht keine Missachtung des Gerichtes darstellt. Das erklärte sie in einer Anhörung vor dem Obersten Gericht. Die „Bewegung für gute Regierungsführung“ beanstandet in einer Petition, dass Netanjahus Beteiligung aufgrund des Korruptionsprozesses einen Interessenkonflikt darstellt. Netanjahu bestreitet dies und sagt, dass er sich aufgrund der Bedeutung der Justizreform daran aktiv beteiligen müsse. Noch Ende März hatte Baharav-Miara allerdings behauptet, Netanjahus aktive Beteiligung sei „illegal und mit einem Interessenkonflikt behaftet“. (df)

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3 Antworten

  1. Ok, gemäß der Regierungskoalition soll es also bei der geplanten „Justizreform“ bleiben. Die pompös angekündigten Änderungen bei den Ernennung der Supreme Court-Richter sind letztendlich nur Schönheitsreparaturen.
    An der geplanten völligen Machtlosigkeit des Supreme Court soll sich offensichtlich gar nichts ändern. M.a.W.: Rechtsstaat ade! Israel war bis Anfang 2023 eine liberale Demokratie.

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  2. Wenn die Justitzreform schon von Anfang an undemokratisch ist so wird sie es auch weiterhin bleiben.

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  3. Zum Thema der „Justizreform“ empfehle ich als Literatur:
    HaGalil.com: HaGalil Newsletter vom 4.04.2023

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