TEL AVIV (inn) – Die weltweit längste Unterwasser-Gas-Pipeline soll Israel mit Europa verbinden und bis 2025 einsatzbereit sein. Israelische und europäische Beamte veröffentlichten dazu am Montag eine gemeinsame Erklärung: „Der beispiellose Plan über sechs bis sieben Milliarden Dollar sieht den Bau einer privat finanzierten, 2.200 Kilometer langen Tiefsee-Pipeline vor, die israelisches und zypriotisches Gas an die griechischen und italienischen Küsten bringen soll. Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen vier Mittelmeerländern – Israel, Zypern, Griechenland und Italien“, sagte Juval Steinitz, Israels Minister für nationale Infrastruktur, Energie und Wasser.
Der EU-Kommissar für Klimaschutz und Energie, Miguel Arias Cañete, sagte: „Zypern und Israel sind sehr zuverlässige Lieferanten. Wir schätzen die Gasversorgung aus der Region als wichtige Quelle für unsere Gasversorgung. Sie wird einen wertvollen Beitrag zu unserer Strategie zur Diversifizierung von Quellen, Strecken und Lieferanten leisten. Dies ist eine Pipeline, die die volle Unterstützung aller Mitglieder der Europäischen Union vereint.“
Ob das Riesenprojekt wirklich umgesetzt werden kann, ist noch nicht gewiss. Denn es müsste von dem amerikanischen Unternehmen Nobel Energy und der israelischen Delek-Gruppe und bestimmten griechischen wie italienischen Firmen finanziert werden. Beim heutigen Preis von etwa fünf Dollar pro Gas-Einheit lasse das Rohr jedoch keine lohnenden Einkünfte erwarten. Erst wenn der Gas-Preis auf zehn Dollar steige, sei mit Wirtschaftlichkeit zu rechnen, hieß es beim israelischen Kanal 10.
Internationale Verwicklungen
Politische Einwände warf die Türkei auf. Sie will von dem Deal nicht ausgeschlossen bleiben. Der türkische Energieminister reiste nach Tel Aviv, um bei der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Israel und den europäischen Staaten zugegen zu sein. Europa bezieht heute seine Energie aus Russland, Aserbaidschan, Marokko, Libyen, Algerien und anderen „instabilen“ Ländern.
Aufgrund der Entdeckung der Leviathan- und Tamar-Gasfelder im Mittelmeer ist Israel ein Exporteur von Erdgas geworden, was wegen der israelischen Demokratie für Europa reizvoll ist. Die arabischen Nachbarn sind weniger begeistert: Jordanien hatte früher Erdgas aus Ägypten bezogen. Doch diese Lieferungen wurden eingestellt, nachdem Terroristen die Pipeline im Sinai mehrfach gesprengt und Pumpstationen zerstört hatten. Im vergangenen Monat wurde berichtet, dass Israel im Januar mit der Lieferung von Gas nach Jordanien begonnen habe, was zu anti-israelischen Protesten in der jordanischen Bevölkerung führte.
Technische Probleme
Im israelischen Fernsehen präsentierte der Konstruktionsingenieur Avi Scheffler die technischen Probleme beim Bau einer solchen Unterwasser-Gas-Pipeline: Für eine etwa 400 Kilometer lange Leitung im Schwarzen Meer von Russland in die Türkei hat man erstmalig ein Rohr in 2150 Metern Tiefe verlegt. Dazu seien nur zwei Spezialschiffe weltweit fähig. Jeder Kilometer koste vier bis fünf Millionen Dollar. „Das Problem ist nicht die Länge des Rohres, sondern die Wassertiefe“, sagte Scheffler. Zwischen Israel und Zypern sei das Mittelmeer etwa 3.000 Meter tief. Um in solcher Tiefe ein Rohr zu verlegen, gebe es bis heute keine „geprüfte Technologie“.
Die Rohre müssten einen Durchmesser von 24 Inch – das entspricht mehr als 70 Zentimeter – haben, um wirtschaftlich Gas zu transportieren. Die Rohre aus einem Spezialstahl würden auf dem Schiff verschweißt und senkrecht zum Meeresboden herabgelassen. Dort mache das Rohr eine „Biegung“, um flach auf dem Meeresgrund zu liegen. Problematisch sei vor allem der Berührungspunkt zwischen dem schon auf dem Boden liegenden Rohr und dem senkrechten neuen Rohr bei einem Druck von 300 Bar in einer Triefe von 3.000 Metern. Schluchten oder andere Hindernisse müssten vorher ermittelt und umgangen werden. Falls das Rohr beschädigt sei, könnten in einer Tiefe von über 2.000 Metern nur Roboter Reparaturen durchführen. Noch nie seien diese Roboter in solchen Tiefen eingesetzt worden. Scheffler hat seine 40-jährigen Erfahrungen unter anderem bei der Verlegung eines 800 Kilometer langen Rohres vom chinesischen Hainan nach Hongkong gesammelt.
Von: Ulrich W. Sahm