Suche
Close this search box.

Kommentar: Urteil von historischer Tragweite

JERUSALEM (inn) – Das Urteil zu dem ehemaligen Premierminister Ehud Olmert wirft die Frage auf, ob in Israel die Staatsanwaltschaft mehr Macht hat als die demokratische Wählerschaft. Denn er wurde erst zu Fall gebracht und dann für „unschuldig“ erklärt.
Das Bezirksgericht Jerusalem hat in Sachen Ehud Olmert eine historische Entscheidung getroffen.

Laut Anklageschrift wurde Olmert schlimmste Korruption vorgeworfen. Er habe Millionenbeträge in die eigene Tasche gewirtschaftet. In der sogenannten Talansky-Affäre hätten prall gefüllte Briefumschläge den Besitzer gewechselt. Von diesem Verdacht wurde Olmert freigesprochen. In der sogenannten Rischon-Tours-Affäre soll Olmert bei offiziellen Flügen Punkte gesammelt haben, die er an Familienangehörige weitergegeben und für private Flüge genutzt habe. Auch in diesem Punkt wurde er freigesprochen.
Übrig blieb noch die „Investment Center-Affäre“. In diesem Punkt der Anklageschrift bezichtigten die Richter den früheren Premierminister des „Vertrauensbruchs in prozeduralen Fragen“. Die Einzelheiten der 743 Seiten langen Urteilsbegründung sind noch nicht bekannt. Olmert habe in diesem dritten Fall kein strafbares Verbrechen begangen, sondern sich eines „fehlerhaften Vorgehens“ schuldig gemacht. Ob und welche Strafe er dafür erhält, entscheidet das Gericht am 5. September.
Problematisch ist, dass ein demokratisch gewählter Regierungschef zum Rücktritt gezwungen worden war wegen unbewiesenen Gerüchten in einer Anklageschrift, die mit einem doppelten Freispruch endete.
Israel hat sich mal wieder als Rechtsstaat erwiesen, in dem selbst der mächtigste Mann im Staat wie jeder Bürger angeklagt und verurteilt werden kann. Aber nach dem Freispruch stellt sich die Frage, ob der Staatsanwaltschaft mehr Macht zusteht als der demokratischen Mehrheit des Volkes. Denn die Staatsanwalt hat aufgrund fragwürdiger Gerüchte vorschnell eine Anklageschrift formuliert, die einen „unschuldigen“ Premierminister zu Fall gebracht hat. In Frankreich gilt die Regel, dass einem Präsidenten erst nach dem Ende seiner Amtszeit der Prozess gemacht werden darf, außer bei Mord oder Vergewaltigung. Zu Recht wurde deshalb Staatspräsident Mosche Katzav aus dem Amt verstoßen, zumal er inzwischen rechtskräftig wegen Vergewaltigung zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist.
Im Falle Olmerts steht das Urteil zu einem weiteren Korruptionsverfahren noch aus, dem sogenannten Holyland-Prozess. Doch bis dahin gilt, dass falsche Gerüchte zum Sturz Olmerts, zu kostspieligen Neuwahlen und zur Ernennung von Benjamin Netanjahu als gewähltem Nachfolger geführt haben. Wer darüber jubelt, dass Olmert wegen Korruption aus dem Amt gejagt worden ist, sollte sich nicht beklagen, dass Netanjahu sein Nachfolger geworden ist.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen