Suche
Close this search box.

Kommentar: Magerkur für „Palästina“

RAMALLAH / JERUSALEM (inn) – Der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Ramallah stehen trotz des Jubels über den diplomatischen Erfolg bei den Vereinten Nationen schwere Zeiten bevor. Weil Israel die Umwandlung zum „Beobachterstaat“ bei den UN als Verstoß gegen die Osloer Verträge wertet, hat Finanzminister Juval Steinitz als erste „Sanktion“ ein Einbehalten der im Namen der PA eingezogenen Steuern und Zölle für Importwaren verkündet.
Finanzminister Juval Steinitz will die einbehaltenen palästinensischen Steuern zur Tilgung von Schulden der PA in Israel nutzen.

Da die Autonomiebehörde über keine Außengrenzen verfügt, obliegt es den israelischen Grenzbeamten, die Abgaben einzusammeln. So wurde es in den Pariser Wirtschaftsverträgen zwischen Israel und der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation) vereinbart. Das System funktionierte bisher einwandfrei, solange Israel die eingetriebenen Gelder monatlich nach Ramallah überwiesen hat.
Es handelt sich um etwa 90 Millionen Euro pro Monat, die wichtigste und vor allem sicherste Einnahmequelle der PA. Ohne dieses Geld wird sich die Regierung von Abbas schwer tun, den aufgeblähten Beamtenapparat entlöhnen zu können. Sollte Israel diese Strafmaßnahme aufrecht erhalten, droht der palästinensischen Regierung schon bald der Konkurs, denn arabische und palästinensische Banken verweigern Abbas schon jetzt weitere Kredite. Genaue Zahlen zu dem palästinensischen Finanzsystem liegen freilich nicht vor.
Neben den Geldern aus Israel verfügt der Apparat noch über Spenden der Geberländer. Die europäischen Länder haben in der Vergangenheit Milliardensummen in die Autonomiebehörde investiert, als Aufbauhilfe für den künftigen Staat. Doch diese Zahlungen wurden schon vor Jahren gekürzt, als nach dem Tod von Jasser Arafat nicht nur die Ausmaße der Korruption offenkundig geworden waren. Die Europäer wollten die Behörde auch zwingen, den Wasserkopf des aufgeblähten Verwaltungsapparats zu reduzieren und die Gelder sinnvoller einzusetzen. Inzwischen kommen noch wirtschaftliche Engpässe in Europa hinzu, was der Spendierfreudigkeit einen zusätzlichen Dämpfer aufgesetzt hat.
Die arabischen Staaten haben bei Konferenzen der Geberländer zwar Milliardenbeträge versprochen, aber ihre Versprechen kaum oder gar nicht eingelöst. Nach Angaben des israelischen Experten für die Palästinensergebiete, Dany Rubinstein, entspreche der Anteil der von Israel überwiesenen Gelder ungefähr der Hälfte der Gesamteinnahmen der Regierung in Ramallah.
Eigene Steuereinnahmen fallen offenbar überhaupt nicht ins Gewicht. Bei einem Besuch im Dorf Ouja bei Jericho im Juli erzählte der Bürgermeister stolz, einen Monat zuvor Wasseruhren bestellt zu haben, um sie in den Wohnungen seiner Dorfbewohner einzubauen. Gleichzeitig klagte er über eine unbezahlte Wasserrechnung aus Ramallah in Höhe von mehreren hunderttausend Schekel. Weil die Bürger von Ouja jedoch bisher für ihren Wasserverbrauch nichts entrichtet hätten, schlug der Bürgermeister den Europäern vor, diese Rechnung zu begleichen, um sein Dorf vor dem Bankrott zu retten.
Dieses ist nur ein Beispiel von vielen. Die Palästinenser zahlen weder für Strom noch Wasser, „weil sie nicht daran gewöhnt sind“, wie ein EU-Beamter eingestand, als die Europäer 2006 einsprangen, die Beschaffung des Schweröls zu finanzieren, mit dem das Kraftwerk im Gazastreifen für die Erzeugung von etwa zehn Prozent des Strombedarfs betrieben wird. Der restliche Strom wird bis heute aus Israel geliefert, kostenlos, mit Steuern der israelischen Bürger vorfinanziert. Die palästinensischen Schulden allein für Strom und Wasser häuften sich an. Steinitz will die einbehaltenen Gelder der Palästinenser zum Abtragen dieses Schuldenbergs verwenden.
Mangelnden eigenen Einnahmen stehen bei der Autonomiebehörde auch politisch motivierte sinnlose Ausgaben gegenüber. So erhält das Heer der Fatah-treuen Bediensteten der Autonomiebehörde im Gazastreifen weiterhin vollen Lohn, obgleich diese Gehaltsempfänger 2007 nach dem Putsch der Hamas-Organisation nach Hause geschickt und zur Untätigkeit verurteilt worden sind. Die Behörde in Ramallah will wenigstens virtuell einen Zugang zu dem abtrünnigen und vom Westjordanland geografisch separaten Küstenstreifen aufrecht erhalten.
Chefunterhändler Saeb Erekat bezichtigte Israel der „finanziellen Piraterie“ und drohte mit einem Boykott israelischer Waren. Angesichts der fast völligen Abhängigkeit vom israelischen Markt, während für Israel der Handel mit den palästinensischen Gebieten weniger als zehn Prozent ausmacht, dürfte diese Drohung nur geringen Eindruck auf Finanzminister Steinitz machen.
Nach Angaben der deutsch-arabischen Wirtschaftskammer (Ghorfa) beläuft sich der palästinensische Export (2008) auf fast 600 Millionen Dollar, wobei Israel 86 Prozent der Waren abnimmt, während die Palästinenser (2010) für fast 4 Milliarden Dollar importieren, überwiegend aus Israel. Der Staatshaushalt (2012) wurde auf 2,25 Milliarden Dollar geschätzt, die Ausgaben jedoch um etwa ein Drittel höher auf 3,45 Milliarden Dollar.
Trotz Unmut über die Politik Abbas‘ dürfte Israel keinen völligen Zusammenbruch der Autonomiebehörde anstreben, weil das politischen und wirtschaftlichen Interessen Israels widerspricht.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen