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Kommentar: „Iwan“ im Auge des Sturms

JERUSALEM (inn) – Ein kahler Hügel mit dem Namen „E1“ (auf Englisch ausgesprochen „E-One“, klingt im Hebräischen wie „Iwan“) hat weltweiten Wirbel und präzedenzlos scharfe Kritik gegen Israel ausgelöst, nachdem Premierminister Benjamin Netanjahu den Bau von 3.000 neuen Wohneinheiten verkündet hatte. Dem Premier wurde nachgesagt, aus „Wut“, völlig „irrational“, wie ein Mann an der Spitze einer „Verbrecherbande“ diesen Beschluss aus Rache wegen des Alleingangs der Palästinenser zu den UN gefasst zu haben.
Israel will seine Siedlungen ausbauen. Im Bild: Die Siedlung Ma'aleh Adumim im Westjordanland.

Während unter anderen die Niederlande, Schweden, Frankreich und Australien die israelischen Botschafter in die Außenämter zitiert haben, um heftige Rügen auszusprechen, lamentierten israelische Kommentatoren: „Jetzt hat Israel auch noch Europa verloren.“ Linksgerichtete wahlkämpfende Oppositionspolitiker wie Nurit Galron fuhren im strömenden Regen zu dem Hügel, um Netanjahu eines „Todesstoßes“ gegen den Frieden mit den Palästinensern zu bezichtigen. Die linksgerichtete israelische Menschenrechtsorganisation „B‘Tselem“ wittert Verstöße gegen internationales Recht und eine Aussperrung der Palästinenser von Jerusalem, der Hauptstadt ihres angestrebten Staates. Dabei grenzen Ramallah im Norden und Bethlehem im Süden nahtlos an Jerusalem an. Mauern und Grenzkontrollen wurden erst als Folge palästinensischen Terrors errichtet.
„Iwan“ oder eher „E1“ ist ein weitgehend unbewohnter Hügel östlich des Jerusalemer Ölbergs. Noch weiter östlich liegt Ma‘aleh Adumim, eine 1974 im besetzten Gebiet gegründete Schlafstadt, heute mit etwa 40.000 Einwohnern, die täglich zu ihren Arbeitsplätzen in Jerusalem pendeln. Ma‘aleh Adumim wurde errichtet, nachdem sich herausstellte, dass 1973 jordanische Panzer ungehindert auf einer breiten Autobahn bis zum Stadtzentrum Jerusalems hätten fahren können, wenn König Hussein sich entschlossen hätte, dem Überraschungsangriff der Syrer und Ägypter zu Beginn des Jom Kippur-Krieges (Oktoberkrieg) anzuschließen. Das stellten Premierminister Jitzhak Rabin und der König bei einem Gespräch 1994 fest.
Rabin, der Architekt des Friedensprozesses mit den Palästinensern und der Osloer Verträge mit Jasser Arafat, erkannte schon 1994 die Notwendigkeit, das zwölf Quadratkilometer große Gelände mit Schluchten und Steilhängen, zu bebauen, um eine geografische Kontinuität zwischen Jerusalem und der isolierten Stadt Ma‘aleh Adumim zu schaffen. Deshalb ließ Rabin während der Verhandlungen mit Arafat die Munizipalgrenzen der Stadt bis zum Berg „Iwan“ ausweiten.
Unter Rabins Nachfolgern, darunter Ehud Barak, Benjamin Netanjahu (während seiner ersten Legislaturperiode als Premierminister) und vor allem unter Ariel Scharon und Ehud Olmert wurden Bebauungspläne entworfen und ein Polizeihauptquartier mitten auf dem Hügel errichtet. Das geschah weitgehend unbeachtet von den Amerikanern. Gleichwohl hatten sich alle genannten israelischen Premierminister gegenüber den amerikanischen Regierungen unter George W. Bush und Bill Clinton verpflichtet, die Errichtung von Wohnungen in „Iwan“ ruhen zu lassen. 2005 wurden unter Premierminister Ariel Scharon erstmals Baupläne für die Errichtung neuer Viertel veröffentlicht. Scharons Vize, Ehud Olmert, der Netanjahu „unverantwortliches Handeln“ vorwarf, verkündete die Schaffung einer physischen Verbindung zwischen Jerusalem und Ma‘aleh Adumim „im passenden Augenblick“, während Scharon grünes Licht für die inzwischen abgeschlossene Errichtung des Polizeihauptquartiers gab. Die Amerikaner schwiegen zum Bau der Polizeistation, weil sie sich damals nicht mit einem „Mikro-Management“ des Konflikts aufhalten wollten.
Gleichzeitig wurde eine Schnellstraße zwischen den palästinensischen Ortschaften El Asariah (Bethanien) und Anata bei Ramallah gelegt. So wurde eine direkte Verbindung zwischen dem Süden des Westjordanlandes und dem Norden gewährleistet.
Die von Palästinensern und in deren Gefolge auch von europäischen Regierungen erhobene Behauptung, dass Netanjahus Beschluss die Errichtung eines zusammenhängenden palästinensischen Staates unmöglich mache, ist nicht nachvollziehbar. Denn der weitgehend unerschlossene „Iwan“-Hügel ist für Fahrzeuge und sogar für Esel unpassierbar. Für „territoriale Kontinuität“ sind gute Straßen zweifellos wichtiger, als Schluchten und Steilhänge eines unzugänglichen Berges. Ebenso stellt sich heraus, dass Netanjahu lediglich uralte Pläne seiner Vorgänger seit Jitzhak Rabin aus der Schublade hervorgeholt und erneut veröffentlicht hat. Bis zu einer Genehmigung der Pläne und Ausschreibungen für den Baubeginnen wird die Weltgemeinschaft noch weitere Gelegenheiten zu Protest gegen ein zwanzig Jahre altes Projekt erhalten.
Zudem bleibt den Palästinensern bei Jericho eine etwa 14 Kilometer breite Schneise, um auf Umwegen vom Norden in den Süden zu fahren. Bekanntlich gibt es zwischen dem Norden Israels, also Galiläa, und dem Süden mit der Negevwüste, bei Natanja nördlich von Tel Aviv auch nur eine 14 Kilometer breite Schneise, auch „Wespentaille“ genannt, ohne dass je jemand behauptet hätte, dass Israel kein lebensfähiger Staat sei oder über kein „zusammenhängendes Territorium“ verfüge. Wer von Jerusalem aus nach Tiberias im Norden oder Dimona im Süden will, ohne durch besetztes Gebiet zu fahren, muss lange Umwege einplanen.

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