Manchen Mitgliedern der Arbeitspartei waren die ausgiebigen Debatten in den Medien geradezu peinlich. „Wieso interessieren Sie sich so sehr für eine der kleinsten Parteien Israels?“, klagte ein sozialistischer Abgeordneter im Fernsehen, den Untergang der Arbeitspartei offen eingestehend.
Dem hochdekorierten Ex-Generalstabschef und Premierminister in der Periode zwischen Benjamin Netanjahu und Ariel Scharon werden mangelnde Führungsqualitäten vorgeworfen. Obgleich die Genossen in der Partei schon lange Baraks Rücktritt forderten, oder, wie Daniel Ben Simon, mit dem Austritt drohten, ist nicht Barak das Problem der Arbeitspartei. Ohne die Vorarbeit der Sozialisten wäre der Staat Israel 1948 nicht zustande gekommen, darunter David Ben Gurion, Golda Meir und Mosche Dajan. Die Sozialisten hatten die allmächtige Gewerkschaft mit integriertem Krankenkassensystem und ein Wirtschaftsimperium geschaffen.
Die Wahlniederlage 1977 an den rechtskonservativen Menachem Begin hatte jedoch bewiesen, dass die aus Osteuropa stammenden, teils stalinistisch gefärbten Sozialisten den Kontakt zu der damaligen „Arbeiterklasse“ verloren hatten. Die aus Nordafrika und arabischen Ländern stammenden Juden verstanden eher den religiös angehauchten nationalistischen Pathos des Menachem Begin.
Anfang der 90er-Jahre erlebten die längst zu einer kapitalistischen Partei mutierten Sozialisten unter Jitzhak Rabin noch einmal einen kurzen Höhepunkt. Die gegenseitige Anerkennung Israel-PLO, die Osloer Verträge und die Errichtung einer palästinensischen Selbstverwaltung (Autonomie) unter Jasser Arafat hatten das Land in eine Friedenseuphorie versetzt. Doch mit zunehmendem palästinensischem Terror, teilweise sogar durch Polizisten im Dienste Arafats, die mit ihren von Israel zugelassenen Dienstwaffen Israelis ermordeten, zerstob die Friedenshoffnung. Rabin wurde von einem rechtsradikalen Israeli ermordet, aus Wut darüber, Israel „verraten“ und an den palästinensischen „Erzterroristen“ ausgeliefert zu haben. Der Übergangspremier Schimon Peres verlor die Wahlen an Benjamin Netanjahu, weil er jüdische Terrortote als „Opfer des Friedens“ bezeichnet hatte.
Rechtsgerichtete Premierminister gaben Siedlungen auf
Letztlich hatte sich Israels Bevölkerung jedoch mit dem Osloer Prozess abgefunden, trotz Feindseligkeit gegenüber Arafat und den Palästinensern. Der von Rabin initiierte Friedensprozess wurde fortgesetzt. Der rechtsgerichtete Netanjahu übergab den Palästinensern nicht nur Hebron, die Stadt der biblischen Erzväter, sondern mehr Dörfer und Land, als Rabin es zuvor gewagt hatte. Unter dem nächsten rechtsgerichteten Ministerpräsidenten, Ariel Scharon, wurde im Sommer 2005 sogar der ganze Gazastreifen geräumt.
Früher bedeutete „Links“ sozialistisch und „Rechts“ kapitalistisch. In Israel jedoch wurde Links mit Kompromissbereitschaft gegenüber den Palästinensern und Landverzicht gleichgesetzt, während die „Rechten“ mit dem Bau von Siedlungen die Errichtung eines palästinensischen Staates unmöglich machen wollten.
Doch die Wirklichkeit stellte dieses Konzept auf den Kopf. Die Rechten, darunter Begin, Netanjahu und Scharon, vollzogen die vermeintlich „linke“ Politik eines Territorialverzichts. Die Siedlungspolitik, ein Erbe der Sozialisten nach 1967, wurde von linken wie rechten Regierungen gleichermaßen gepflegt. Während aus der Sicht großer Teile der Bevölkerung Rabin den Terror ins Land holte und Barak wegen seiner gescheiterten Politik für den Ausbruch der blutigen zweiten „Intifada“ ab September 2000 verantwortlich gemacht wurde, waren es rechte Ministerpräsidenten, Netanjahu 1996 und Ariel Scharon ab 2001, die den Terror in den Griff bekamen.
So hatte die israelische Linke schließlich der Bevölkerung keine Perspektive mehr zu bieten. Bei den Wahlen erhielt sie immer weniger Stimmen. Baraks Bereitschaft, unter der nationalen Regierung Netanjahus das vermeintlich „gemäßigte“ Feigenblatt zu spielen, schadete dem Ruf der traditionsreichen Arbeitspartei zusätzlich. Die bevorstehende Auflösung der sozialistischen Arbeitspartei ist die Folge eines langen Prozesses, eines Ausverkaufs ihrer Ideologie und eines Scheiterns ihrer Politiker. Hinzu kommt, dass die israelische Rechte längst die einst bahnbrechenden Prinzipien der Linken übernommen hat: Dialog mit den Palästinensern, Autonomie und sogar die Zweistaaten-Lösung. Letztlich haben sich Israels Sozialisten selber überflüssig gemacht. „Diese Krise bietet eine große Gelegenheit zur Wiederbelebung der Partei“, sagte der Abgeordnete Avischai Braverman. Doch von der Partei ist jetzt kaum noch etwas übrig geblieben.