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Kommentar: „Apocalypse Now“?

JERUSALEM (inn) - Seit Jahren rätseln Nahostinteressierte, wann der kleine Bärtige in Teheran seine Atombombe fertig haben und die Welt in ein Inferno verwandeln werde. Natürlich wird sich der jüdische Staat nicht widerstandslos gefallen lassen, von der Landkarte gewischt zu werden. Das ist klar. Deshalb verfolgen alle gespannt, ob die Amerikaner den Israelis nun endlich bunkerbrechende Bomben liefern (als würden die das vor aller Welt Augen tun) und mit welcher Reichweite die israelische Luftwaffe ihre Manöver durchführt.

Wenn die Türken ihr Verhältnis zu Israel versauern lassen, probieren die Saudis in einer groß angelegten Militärübung ihr hochmodernes Luftabwehrsystem abzuschalten – natürlich um den Israelis ihren Luftraum zu öffnen, so wird gemunkelt. Jedermann wartet auf die Nachricht, dass israelische Kampfjets Buschehr oder Natanz oder Arak oder Isfahan oder Darkhoveyn bombardiert haben – so wie einst in einer Nacht-und-Nebel-Aktion im Jahre 1981 den irakischen Atomreaktor Osirak. Keine Bewegung entgeht den Argusaugen der interessierten Beobachter. Oder doch?

Hat irgendjemand daran gedacht, dass eine Operation, die in allen Medien der Welt diskutiert wird, schon lange aufgehört hat, eine Nacht-und-Nebel-Aktion zu sein? Tatsache ist, dass keine erfolgreiche Militäroperation jemals vorhergesagt wurde. Die zutreffende Vorhersage hätte nämlich den Erfolg der Aktion zunichte gemacht. Und hört irgendjemand zu, wenn Militärexperten betonen, dass der Iran aus den Erfahrungen seiner Nachbarn mit Israel gelernt hat? Deshalb sind die (bekannten) iranischen Nukleareinrichtungen über das ganze riesige Land verteilt und lassen sich nicht so einfach aus der Luft erledigen – meinen Experten ziemlich einstimmig. Interessanterweise hat es übrigens niemand vorausgesehen, als (vermutlich!) die Israelis im September 2007 ein Loch in die nordsyrische Wüste bombten und (vermutlich!) die Aktion Osirak von 1981 ziemlich genau wiederholten.

Bleibt an dieser Stelle noch zu bemerken, dass Militärstrategen erklären, jede militärische Aktion, die einmal erfolgreich durchgeführt und bekannt wurde, sei in der Regel nicht wiederholbar. Deshalb haben sich Kriege in der Geschichte und die Mittel, mit denen sie geführt wurden, auch ständig verändert. Der „Dritte Weltkrieg“ wird kein Stellungskrieg wie der Erste und vermutlich auch kein Panzerkrieg mit großen Flächenbombardements wie der Zweite. Dass man ein Land nicht aus der Luft in die Kapitulation bombardieren kann, wenn man es danach noch nutzen und wieder aufbauen will, haben die Kriege der USA gegen den Irak gezeigt. Der Dritte Weltkrieg ist höchst wahrscheinlich ein so genannter asymmetrischer Krieg, in dem Staaten nicht-staatlichen Akteuren gegenüber stehen – und vermutlich sind wir bereits mitten drin.

Jedenfalls hat der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad längst gehandelt, während sich alle Welt noch in spekulativen Erwartungen überschlug. Selbstgefällig konnte Mossad-Chef Meir Dagan bei seinem Abschied zum Jahreswechsel 2010/2011 vermerken, der Iran brauche wohl mindestens noch bis 2015, um seine Atombombe bauen zu können. Zuvor war ein prophezeites Datum nach dem anderen in aller Stille verstrichen. Peinlich ist das Ganze nur deshalb nicht, weil die Prophetiegläubigen zum Glück der Propheten recht vergesslich sind und sich heute niemand mehr daran erinnert, was vor ein paar Tagen, geschweige denn Jahren, in der Zeitung gestanden hat.

Der Dritte Weltkrieg ist (möglicherweise) bereits in vollem Gange. Wir erleben also „Apocalypse Now“, ohne das zu merken. Das zeigen nicht nur die mysteriösen Morde am Generalstabschef der Hisbollah, Imad Mughniyeh, am Hamas-Waffenhändler Mahmud Mabhuh oder an einer ganzen Reihe von Nuklearwissenschaftlern und Technikern im Iran. Übrigens: Dass die Iraner den armen Madschid Dschamali Fasch der Öffentlichkeit als israelischen Spion vorführten, deutet eher auf ein hilfloses Medienmanöver, als auf einen echten Erfolg der Perser. Schon vor Jahren war informierten Beobachtern aufgefallen, dass die Russen eine ganze Reihe von Atomreaktoren desselben Typs wie in Bushehr problemlos betreiben – nur in Bushehr gab und gibt es ständig Schwierigkeiten.

Ein Hauptschlachtfeld des jüngsten Weltkriegs ist natürlich das Internet. „Cyperwarfare“ ist das neue Wort, das spätestens seit der Entdeckung des Viruses „Stuxnet“ die Öffentlichkeit in Atem hält. Die „New York Times“ will wissen, dass der Virus im israelischen Nuklearzentrum Dimona an Zentrifugen getestet wurde, die denen im Iran sehr ähnlich seien. Die Iraner hatten vor 18 Monaten noch circa 10.000 Zentrifugen zur Anreichung von Uran in der Stadt Natanz. Jetzt behaupten Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEO, nur 4.000 der Geräte seien überhaupt funktionsfähig. Kombiniert mit der Aussage des Ex-Mossad-Chefs bleibt also nur der Schluss: Israelischen Internet-Virus-Wurm-Bastlern ist ein Coup gelungen. Wirklich?

Tatsache bleibt, dass wir es nicht wissen. Richtig ist, dass Israel weltweit führend ist in der Computertechnik und Softwareentwicklung. Und ganz gewiss sind die Israelis auch am Cyberwarfare beteiligt. Aber sind sie dabei wirklich so stümperhaft, dass ihre Angriffe vor aller Öffentlichkeit auffliegen? Und hinterlassen sie dabei Spuren, die eindeutig nach Israel führen? Der amerikanische Sicherheitsexperte Nate Lawson meint zum Stuxnet-Wurm nämlich: „Ich hoffe sehr, dass er nicht in den USA geschrieben wurde, weil ich glauben möchte, dass unsere Cyberwaffenentwickler mindestens kennen, was bulgarische Teenager schon in den frühen 1990er Jahren gemacht haben.“

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