Über die Formen und Unterformen des Antisemitismus in Geschichte und Gegenwart lassen sich Bände füllen. Immer wieder neues Material liefert der „Spiegel“. Das Hamburger „Nachrichtenmagazin“ druckte in der Ausgabe vom Osterwochenende ein Beispiel für das, was sich als Anti-Israelismus en passant charakterisieren lässt. In dieser beiläufigen Selbstverständlichkeit ist das fragwürdig.
Die Beiläufigkeit ergibt sich aus dem Format: Ein Bild und eine kurze „Erklärung“ dazu, bei der nur aufmerksame Leser stutzen. Zu sehen ist eine Konfliktszene zwischen einer israelischen Grenzpolizistin und einem Palästinenser. Anhand des Textes weiß der Leser: Es handelt sich um ein Dorf bei Nablus, die Szene trug sich bei einem Protestmarsch in Erinnerung an ein Ereignis aus dem Jahr 1976 zu. Der Protest entzündet sich damals wie heute an der Enteignung arabischen Landes sowie der Tötung von sechs israelischen Arabern bei Widerständen dagegen.
Zusammenhangloses Wirrwarr
Der Text legt dann aber mit einem überleitenden „zugleich“ seinen Fokus auf die bedenkliche Corona-Lage bei den Palästinensern – und führt an, dass Israel in der Pandemie außerordentlich gut dasteht. Einen Zusammenhang zwischen dem Protestmarsch und der Corona-Lage gibt es nicht – die verantwortlichen Journalisten führen ihn durch Zusammenstellung herbei. Worin die Verbindung liegt, soll sich der Leser dann selbst denken: Damals wie heute, so der Subtext, lässt Israel keine Gelegenheit aus, Araber zu drangsalieren. Das lässt nur den Schluss zu, dass Israel dem Wesen nach ein Übel ist.
Unterschlagen werden bei dieser plumpen Darstellung mehrere Aspekte: Einerseits, dass die Palästinenser noch im Sommer 2020 Corona-Hilfen der Emirate abgelehnt haben, weil sie über Israel kamen; andererseits, dass Israel nicht zuständig ist für die Gesundheitsversorgung für Gebiete unter palästinensischer Verwaltung. Trotzdem impft es inzwischen auch palästinensische Arbeiter.
An dieser Stelle zeigt sich der Unterschied zwischen legitimer Kritik an israelischem Regierungshandeln und böswilliger Berichterstattung über den jüdischen Staat: Die Enteignung ist ein Aspekt, bei dem sich Kritik anbringen lässt. Wenn mit den Protesten am „Tag des Landes“ nicht zugleich Forderungen nach einem Ende Israels einhergingen, könnte man die Protestler in ihrem Anliegen sogar unterstützen. Dem „Spiegel“ aber liegt es fern, das in einer abwägenden Haltung darzustellen. Er nutzt lieber die Gelegenheit, Israel Böswilligkeit zu unterstellen, selbst wenn er dabei nicht umhin kommt, seinen Lesern einen nicht nur aufgrund seiner Kürze wirren Text zu bieten.