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Israels Perspektive zum Tod von Mubarak

Der verstorbene ägyptische Präsident Mubarak sorgte in seiner 30-jährigen Amtszeit für stabile Verhältnisse zwischen seinem Land und Israel. Deshalb kommen aus dem jüdischen Staat auch viele Beileidsbekundungen, wie Nahostkorrespondent Ulrich W. Sahm beobachtet.
Noch im September 2010 verhandelten sie in Scharm el-Scheich: (v.l.) US-Außenministerin Hillary Clinton, der palästinensische Präsident Mahmud Abbas, Mubarak und Netanjahu

JERUSALEM / KAIRO (inn) – Der Tod des im Jahr 2011 vom Thron gestürzten ägyptischen „Pharao“ im Alter von 91 Jahren hat in Israel Mitgefühl und Betroffenheit ausgelöst. Premierminister Benjamin Netanjahu bezeichnete Präsident Hosni Mubarak gar als „Freund“ – in Beileidstelegrammen an den heutigen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und an die Familie Mubaraks. Staatspräsident Reuven Rivlin kondolierte ebenfalls mit Hochachtung für den verstorbenen Herrscher des Nachbarlandes. Kommentatoren äußerten keinen Zweifel, dass Hosni Mubarak einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität in Nahost und für den Bestand des Friedensvertrags zwischen Israel und Ägypten geleistet habe.

Vor seiner Ernennung zum Präsidenten Ägyptens nach der Ermordung von Anwar el-Sadat am 6. Oktober 1981 hatte Mubarak eine militärische Karriere durchlaufen. Ein ägyptischer Journalist erzählte im israelischen Rundfunk, dass er entscheidend zu dem „Sieg“ Ägyptens über Israel im Oktoberkrieg von 1973 beigetragen habe. In Israel ist jedoch eher eine arabische Niederlage in Erinnerung geblieben, die freilich Ägypten und Syrien nie eingestanden haben.

Mubarak wird zugutegehalten, in den etwa 30 Jahren seiner Präsidentschaft den Frieden mit Israel gewissenhaft aufrecht erhalten zu haben. Dabei war dieser von seinem Vorgänger Sadat geschaffene Frieden bei der Bevölkerung Ägyptens nie populär – ein „kalter“ Friede. In der ganzen Zeit blieben die diplomatischen Beziehungen bestehen, trotz gelegentlicher Krisen, etwa als Israel seine Militäroperationen gegen die Hamas im Gazastreifen durchführte.

Da Ägypten den Gazastreifen bis 1967 „verwaltete“, wenngleich es den Küstenstreifen nicht annektiert hatte, wie es Jordanien mit dem Westjordanland und Ostjerusalem getan hatte, blieben Kontakte bestehen. Und so konnte sich Kairo in Krisenfällen als Vermittler zwischen der Hamas und Israel anbieten.

Waffenschmuggel verhindern mit ägyptischer Hilfe

Gleichzeitig beteiligte sich Ägypten auf Bestreben Israels auch an der Abriegelung des Gazastreifens. Im Jahr 2005, bei dem von Premierminister Ariel Scharon beschlossenen israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen, stellten die Israelis fest, dass sie sich in den Osloer Verträgen dazu verpflichtet hatten, jeglichen Waffenschmuggel nach Gaza zu unterbinden. Nach einer Aufgabe der Grenze zu Ägypten und der Mittelmeerküste wäre diese Verpflichtung nicht mehr erfüllbar gewesen. Deshalb wurde ein ausgeklügeltes Kontrollsystem an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ausgehandelt. Dabei behielten die Israelis per Fernlenkung weiterhin die Kontrolle über durchleuchtete Waren und die Personen, die nach Gaza ein- und ausreisten. Ägypten stimmte diesem Abkommen zu, obgleich unter der etwa 11 Kilometer langen Grenze durch Schmugglertunnel weiterhin Benzin, Waffen und Menschen neben allen anderen erdenklichen Waren flossen.

Im Juni 2007 putschte die Hamas gegen die herrschende Palästinensische Autonomiebehörde (PA). Sie riss alle Verantwortlichkeiten an sich, die ihr die in Ramallah herrschende Fatah unter Mahmud Abbas infolge eines Wahlsieges 2006 verweigert hatte.

Auch wenn die Grenzkooperation bis 2007 „offiziell“ funktionierte, gab es Unstimmigkeiten. Präsident Mubarak behauptete gegenüber den Europäern, dass sein Land nicht die „Fähigkeit“ habe, die Schmugglertunnel unter der Grenze zu entdecken. Das wurde von den Israelis stark bezweifelt. Denn als sie vor 2005 solche Tunnel entdeckten und dann mit gefärbtem Sprengstoff zerstörten, stiegen farbige Rauchwolken aus ägyptischen Stützpunkten auf. Die Ausgänge dieser Tunnel befanden sich mitten in ägyptischen Stellungen, was den Ägyptern gewiss nicht verborgen bleiben konnte. Offenbar spielte Mubarak da ein doppeltes Spiel und ermöglichte eigenhändig eine Bewaffnung der Hamas mit geschmuggelten Raketen aus dem Iran.

Geheime Zusammenarbeit bleibt

Gleichwohl geht eine mehr oder weniger geheime Kooperation vor allem im Sinai bis heute weiter. Immer wieder tauchen unbestätigte Berichte auf, wonach die israelische Luftwaffe auch gegen Stützpunkte von Hamas, Al-Qaida oder Islamischer Staat im Sinai vorgehe, die wiederum die Sicherheit sowohl Israels als auch Ägyptens bedrohen.

Unter Mubarak entstanden weitere Projekte, die ohne den Frieden zwischen Jerusalem und Kairo undenkbar gewesen wären. Dazu gehörte das Pumpen von Erdgas von Ägypten nach Jordanien und Israel durch die Sinaihalbinsel. Dieses endete erst, nachdem Terroristen die Pumpstationen bei El-Arisch gesprengt hatten. Inzwischen haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Ägypten ist einer der größten Abnehmer von israelischem Erdgas, das aus Gasfeldern vor der Küste Israels im Mittelmeer gewonnen wird und zum Schutz vor Terror über eine unterirische Rohrleitung fließt.

In Europa wird Mubarak heute als grausamer Diktator gesehen, der sein eigenes Volk unterdrückt habe. Dieser Aspekt war freilich sogar den in Kairo stationierten Medien, wie den ARD-Korrespondenten, völlig unbekannt. Deshalb waren alle so überrascht, als Tausende Ägypter auf den Tahrir-Platz in Kairo strömten, um Mubarak zu stürzen. Wie auch in anderen Fällen haben diese innenpolitischen Probleme autokratischer Herrscher in der arabischen Welt für die Israelis kaum jemals eine prominente Rolle gespielt.

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