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Der Holocaust muss uns eine Mahnung bleiben

Es gibt nicht mehr viele Zeitzeugen, die den Holocaust überlebt haben und darüber berichten können. Umso wichtiger ist es für die jüngeren Generationen, die Erinnerung daran wach zu halten. Die Geschichte muss uns eine Mahnung bleiben. Gerade in unserer Zeit, wo Antisemitismus immer offener zutage tritt. Ein Kommentar von Jonathan Steinert
Margot Friedländer ist eine der letzten Zeitzeugen des Holocausts. Diese Woche hat sie den „Talisman“-Preis der Deutschlandstiftung Integration bekommen.

Margot Friedländer hat in dieser Woche eine Ehrung erhalten: als „Glücks- und Hoffnungsbringer für Deutschland“ bekam sie den „Talisman“-Preis der Deutschlandstiftung Integration. Den Preis vergibt die Stiftung an Persönlichkeiten, die sich für den Zusammenhalt der Gesellschaft verdient gemacht haben.

97 Jahre ist Margot Friedländer alt. Die gebürtige Berlinerin hat als Jüdin am eigenen Leib erlebt, was Judenhass bedeutet, hat sich versteckt, wurde gefasst, kam ins KZ, hat überlebt. Sie wanderte in die USA aus und kam 2003 das erste Mal wieder nach Deutschland. Mittlerweile lebt sie wieder hier, in ihrer Heimatstadt, und spricht vor allem vor jungen Menschen über ihre Erfahrungen. Ihr Laudator, Spinger-Chef Matthias Döpfner, äußerte sich bewundernd über ihre Versöhnungsarbeit. Ihr sei es wichtig, „den Menschen entgegenzukommen“, zitierte er sie und ermahnte gleichzeitig die jüngeren Generationen, die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten.

Sie ist eine der letzten Zeitzeugen des Holocausts. Bald wird niemand mehr aus eigenem Erleben berichten können, wohin ideologischer Hass in der deutschen Geschichte geführt hat. Die Auszeichnung kommt daher zu einer Zeit, in der diese Mahnung so dringend ist wie lange nicht mehr. In einer Zeit, da die Partei „Die Rechte“ mit Sprüchen wie „Israel ist unser Unglück“ für sich wirbt und sich nicht einmal bemüht, ihren Antisemitismus zu verstecken, im Gegenteil: Die sich damit direkt auf eine Parole des Nazi-Hetzblattes „Der Stürmer“ bezieht. Eine Zeit, in der ein gewählter Politiker der AfD die Distanz anderer zu seiner Partei mit dem Boykott jüdischer Geschäfte in den Dreißigerjahren vergleicht. „Habt ihr denn gar nichts gelernt?“, fragt er auf einem Flyer. Welch armselige Opfer-Stilisierung! Welch geschichtsvergessene Assoziation! Hat er denn gar nichts gelernt – darüber, wes Geistes Kind der Boykott damals war und wohin er führen sollte? Viel mehr kann man den Holocaust fast nicht verharmlosen.

Die Erinnerung wach halten

In dieser Woche stellten Bundeskriminalamts-Chef Holger Münch und Bundesinnenminister Horst Seehofer die Statistik politisch motivierter Kriminalität vor. Während es insgesamt im vorigen Jahr weniger Taten gab als 2017, stieg die Zahl antisemitischer Straftaten um 20 Prozent, zu 90 Prozent begangen von Rechtsextremisten. Das sollte uns mehr als beunruhigen. Es sollte uns aufrütteln, einer Haltung entgegenzutreten, die sich in undifferenzierten Anschuldigungen, in Verschwörungsfantasien oder Opfermythen ergeht. Denn von dort bis zu unterschwelligem oder offenem Antisemitismus ist es nicht weit. Schnell kanalisiert sich darin eine wahrgenommene Unsicherheit und Unzufriedenheit, ein Misstrauen gegenüber gesellschaftlichen Eliten und Institutionen. Oder, wie Michael Blume, der Beauftragte gegen Antisemitismus von Baden-Württemberg sagt: „Antisemitismus richtet sich immer gegen unsere Grundordnung. Schon allein deswegen, weil ein Antisemit die Vorstellung in Abrede stellt, dass alle Menschen gleich sind.“

Margot Friedländer hat es sich trotz ihrer Vergangenheit zum Ziel gesetzt, auf Menschen zuzugehen. Das sollten wir uns zu eigen machen: Auf Menschen zugehen und mit ihnen sprechen, statt sie fantasiereich als Blitzableiter unseres Unmutes ins eigene Weltbild einzupassen. Denn wie gesagt: Wo das hinführt, hat Margot Fuhrländer erlebt.

Immer wieder werden – auch unter Christen – Stimmen laut, es müsse „auch mal gut sein“ mit der Erinnerung an den Holocaust. Nein! Das darf es nicht! Sie mag anstrengen und belasten. Aber dieses Stück Geschichte ist uns heute anvertraut als Lehre und Mahnung. Deshalb dürfen wir nicht aufhören, daran zu erinnern – auch wenn irgendwann die letzten Zeugen nichts mehr sagen können.

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