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Nachrichtenagentur dpa verdreht Wirklichkeit

Die deutsche Nachrichtenagentur dpa stimmt indirekt der palästinensischen Kritik zu, Israel komme seinen Verpflichtungen von Oslo nicht nach. Doch bei genauerem Hinsehen erweisen sich die Vorwürfe als haltlos. Ein Kommentar von Ulrich W. Sahm
Arafat zweifelte in den Osloer Abkommen nicht die Existenzberechtigung der Siedlungen an – er forderte lediglich Umgehungsstraßen

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtete am Dienstag über die palästinensischen Pläne, die Zusammenarbeit mit Israel aufzukündigen. In dem Artikel hieß es unter anderem: „Der Zentralrat der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) kritisierte, dass Israel seinen Verpflichtungen aus den Friedensverträgen von Oslo nicht gerecht werde. Dabei ging es um den israelischen Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem. Ziel der Verträge Anfang der 1990er Jahre war ein unabhängiger palästinensischer Staat innerhalb von fünf Jahren.“

Mit zwei kurzen Erklärsätzen wurde dank der Monopolstellung der dpa im deutschen Blätterwald eine verdrehte Wirklichkeit vorgestellt. Anstatt zu schreiben, dass es sich hier um palästinensische Wunschträume oder unerreichte politische Ziele handelt, behauptete die dpa, dass der israelische Siedlungsbau und die Errichtung eines palästinensischen Staates Teil und sogar „Ziel“ der Osloer Verträge gewesen seien.

Auch den Autoren der dpa sollte eigentlich bekannt sein, dass bei den Verhandlungen zu den Osloer Verträgen 1994 einige delikate Themen bewusst ausgelassen worden sind. Darunter waren die Siedlungen, der Status Jerusalems und die Frage der palästinensischen Flüchtlinge.

Beiden Seiten war damals klar, dass sie in diesen Fragen zunächst keine Einigung finden könnten. Um nicht das Gesamtprojekt einer vorläufigen Einigung scheitern zu lassen, wurden diese „Knackpunkte“ ausgespart.

Rabin rechnete nicht mit palästinensischem Staat

Mit keinem Wort wurde in den Osloer Verträgen die Idee der Errichtung eines palästinensischen Staates erwähnt. Das mag das Ziel Jasser Arafats und der Palästinenser gewesen sein. Doch die Israelis waren damals nicht dazu bereit, solange viele Sicherheitsfragen offen geblieben waren. Ohne deren Klärung wäre die Existenz des Staates Israel nicht garantiert gewesen. Entsprechend konnte es damals auch nicht die Idee einer „Zwei-Staaten-Lösung“ geben.

In seiner letzten Rede vor der Knesset vor seiner Ermordung hatte Israels Premierminister Jitzhak Rabin noch einmal betont: „Es wird niemals einen palästinensischen Staat geben“.

Jeder darf da anderer Meinung sein. Doch ist das eine Tatsache und auch die dpa sollte in ihrer Berichterstattung anerkennen, dass Rabin mit diesem Spruch nur eine politische Wirklichkeit wiedergegeben hat. Es war kein Verstoß gegen die von ihm selber unterzeichneten Osloer Verträge, wie das aus dem kurzen dpa-Text herausklingt. Gleiches gilt für die umstrittenen Siedlungen in Ostjerusalem und in den übrigen besetzten Gebieten. Wenn die Siedlungen im Vertragswerk nicht als „illegal“ erwähnt werden, kann weitere Bautätigkeit auch kein Verstoß sein. Im Gegenteil. Und da sollte die dpa noch einmal neu recherchieren.

Arafats geplante Umgehungsstraßen: Anerkennung der Siedlungen

Indirekt oder implizit hat Arafat die Siedlungen sogar anerkannt: Weil er notgedrungen Verständnis für das Bedürfnis der Israelis hatte, zu ihren Siedlungen zu gelangen, hatte er Forderungen geäußert, die von den Israelis akzeptiert worden sind. Er wollte weder Fahrzeuge des israelischen Militärs noch der Siedler in seinen selbstverwalteten Städten wie Ramallah oder Bethlehem sehen. Er verlangte deshalb den Bau von „Umgehungsstraßen“. So sollte der Verkehr um die künftig rein palästinensischen Städte umgeleitet werden. Diese manchmal auch „Siedlerumgehungsstraßen“ genannten Verkehrsadern gab es bis 1995 nicht.

Weil diese Straßen erst neu gebaut werden mussten und ein Wunsch der palästinensischen Seite waren, hatte Arafat in seinem Abkommen mit Israel ausdrücklich zugestimmt, für diesen Zweck auch palästinensisches Privatland zu enteignen, also Äcker, die nun asphaltiert werden sollten. Denn sonst hätten die Israelis ihre Siedlungen jenseits von Bethlehem oder Ramallah physisch nicht erreichen können.

Typische nahöstliche Kuriosität

Dieses Projekt war sehr kostenaufwendig, weil nicht nur Straßenbau teuer ist. So haben die Israelis sogar ganze Berge durchstochen und mit Hilfe der geübten Italiener zum Beispiel im Süden Jerusalems einen Tunnel unter dem palästinensisch-autonomen Beit Dschala gebaut. Bis dahin mussten die Israelis die palästinensische Stadt Bethlehem durchqueren, weil es rein geografisch sonst keine Verbindungsstraße zwischen Jerusalem und dem dicht mit Siedlungen bebauten Gebiet im südlichen Westjordanland gab.

So wurde einvernehmlich eine typisch nahöstliche Kuriosität geschaffen: eine zweistöckige Souveränität. Unten im Berg fahren auf einer israelischen Straße die Autos und oben auf dem Berg leben die Palästinenser unter ihrer souveränen Selbstverwaltung.

Allein diese Beispiele zeigen, dass Arafat die Siedlungen zunächst akzeptiert und anerkannt hat, auch wenn sie ihn politisch und ideologisch wohl gestört haben. Da Jerusalem in dem Vertragswerk aus genannten Gründen nicht angesprochen worden ist, kann es auch keine Erwähnung des Siedlungsbaus im ehemals jordanischen Osten der Stadt gegeben haben, wie die dpa leichtfertig hier behauptet.

Wie so oft bei vergleichbaren politischen Verträgen, müssen beide Seiten eine gewisse Flexibilität zeigen, um pragmatisch das Abkommen zustande kommen zu lassen.

Von: Ulrich W. Sahm

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