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Versuch einer Analyse

Der nun auf den Golanhöhen aufgeheizte Konflikt zwischen Israel und dem Iran hat in der Welt große Aufregung und Angst vor einem nahöstlichen „Flächenbrand“ entfacht. Um dieses vermeintlich plötzliche Aufflammen eines militärischen Zusammenstoßes zu verstehen, müssen die Hintergründe betrachtet werden.
Der Iran bedroht Israel von Syrien aus auf den Golanhöhen

Israel und der Iran haben seit der Revolution der Mullahs 1979 im Iran einander ausschließende „Narrative“ – politische Staatsideologien mit strategischen Zielen. Jenseits praktischer wirtschaftlicher Interessen oder anderer Bestrebungen, friedlich mit seinen Nachbarn auszukommen und sich zu seinem eigenen Vorteil zu entwickeln, beinhaltet ein solches Narrativ Elemente, die andere kaum nachvollziehen können. Diese Narrative können positiv oder negativ gefasst sein. In dem einen Fall will man primär das Eigene aufbauen und sichern, in dem anderen Fall das Fremde oder Andere zerstören oder vernichten.

Ein drastisches Beispiel für ein negatives Narrativ lieferten die Nazis, die sich mit ihrer Ideologie die ganze Welt untertan machen und nebenbei die Juden ausrotten wollten. Solche Vorstellungen können sich auf lautstarkes Gröhlen am Stammtisch beschränken. Sie können aber genauso zu einem Weltkrieg führen, der am Ende die eigene Zerstörung nach sich zieht. Was passiert, hängt von Pragmatikern ab, die vielleicht noch einen gewissen Sinn für die Wirklichkeit haben, jenseits der propagierten Staatsideologie. In Diktaturen haben solche „Pragmatiker“ nur geringe Chancen, weil sie als „Schwarzseher“ die Ideologen an der Macht infrage stellen und deren Politik als „Wahnvorstellung“ bloßstellen.

Kein Platz für Israel in der „Umma“

Der Iran pflegte unter dem Schah „normale“ Beziehungen mit Israel und lieferte dem jüdischen Staat sogar ein Viertel seines Ölbedarfs. Sowie Ajatollah Chomeini aus dem Pariser Exil zurück nach Teheran gekommen war und den Staat zu einer religiös dominierten Diktatur umformte, wurde Israel aus Sicht des Iran wegen radikal-muslimischer Vorstellungen zu einem „Erzfeind“, der kein Existenzrecht mitten in der „Umma“, der islamischen Gemeinschaft, habe. Also betrieb Iran fortan mit verbalen Hieben und schließlich mit militärischen Mitteln die Auslöschung Israels.

Umgekehrt verfügt auch Israel über ein ideologisches Narrativ. Seine Staatsideologie wird „Zionismus“ genannt. Es handelt sich dabei um eine weltliche Unabhängigkeitsbewegung des jüdischen Volkes mit dem Ziel, in einem eigenen Staat ohne Unterdrückung und Verfolgung leben zu können. Diese Unabhängigkeitsbewegung ging vor genau 70 Jahren in Erfüllung, als David Ben-Gurion den Staat Israel ausrief. Seitdem sollte man nicht mehr von „Zionismus“ reden, sondern von israelischer Politik, genauso wie es deutsche, russische oder amerikanische Politik gibt, ungeachtet einer jeweiligen „Ideologie“ wie Kommunismus, Kapitalismus oder anderer „Ismen“.

Gleichwohl gelten im Staat Israel Grundsätze. Dazu gehört die Fürsorge für alle Juden in der Welt, denen jederzeit die sofortige Einwanderung ins Land offensteht. Von diesem „Recht“ haben immer wieder Juden profitiert und Israel mit Einwanderungswellen überschwemmt. Erwähnt seien hier die rund eine Million Juden aus der arabischen Welt kurz nach der Staatsgründung, oder die eine Million Russen nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa. Zurzeit kommen immer wieder Franzosen, Ukrainer, Äthiopier und Juden aus anderen Ländern, in denen der Antisemitismus neue Blüten treibt.

Die Erben der Nazis in der arabischen Welt und in Europa

Die Erinnerung an den Holocaust, den Völkermord an den Juden durch die Nazis, hat Israel gezwungen, ein hochgerüsteter Staat zu werden. Denn Hitlers Träume einer Vernichtung „aller“ Juden wurden nach 1945 mit fast wortgleichen Formulierungen von der arabischen Welt übernommen und mit gescheiterten Kriegen immer wieder umgesetzt: 1948, 1967 und 1973. Die Idee eines eliminatorischen Antisemitismus, die völlige physische Auslöschung aller jüdischen Menschen, war ursprünglich dem Islam fremd und wurde vor allem durch den Mufti von Jerusalem, Hadsch Amin el-Husseini, ab 1941 mit seinen Rundfunksendungen von Berlin in die arabische Welt getragen. Zuvor waren Juden zwar unterdrückt, verachtet und mit unmäßigen Steuern belegte Bürger zweiter Klasse, aber der traditionelle politische Islam hatte den Völkermord nicht im Programm.

Selbst im „aufgeklärten“ Europa wird Israel nicht als „normaler“ Staat akzeptiert, wie Dutzende andere nach dem 2. Weltkrieg „künstlich“ entstandene Staaten. Rechte streiten den Juden den Status eines Volkes ab und halten deshalb Israel für ein „illegales Gebilde“. Linke berufen sich auf ihre Interpretation des Völkerrechts und betrachten Israel als illegales Produkt eines westlich imperialistischen Kolonialismus. Sowohl Rechte als auch Linke können dabei Allianzen untereinander und mit dem politischen Islam eingehen (Querfront).

Israel setzt sich zur Wehr

Wer welche Argumente gegen die Existenz des jüdischen Staates hervorbringt, ist den Israelis letztlich gleichgültig. Ob die nun unter einer Paranoia leiden oder unter „posttraumatischem Stress“, spielt in der politischen Praxis auch keine Rolle. Tatsache ist, dass sie täglich durch feindliche Propaganda daran erinnert werden, keinen Platz auf Erden zu haben. Doch statt sich ihrem „Schicksal“ hinzugeben und zu jammern, was ihnen in den letzten 2.000 Jahren nie geholfen hat, rüsteten sie auf und wehren sich gewaltsam gegen jede Attacke.

Anti-israelische Politik

Im Augenblick gilt der Iran als der gefährlichste Feind Israels, mitsamt der Absicht, den Staat zu vernichten. Dabei betreibt Teheran eine anti-israelische Politik auf vielen Ebenen. Der Iran war verantwortlich für mehrere schwere Terroranschläge gegen jüdische und israelische Ziele in Argentinien. Raketen und andere Waffen werden an Terror-Organisationen wie die Hamas im Gazastreifen und die Hisbollah im Libanon geliefert, die sich einen ständigen Kleinkrieg gegen Israel liefern.

Mit Waffenschmuggel und Unterstützung für die aufständischen Huthis im Jemen betreibt der Iran strategische Interessen gegen sunnitisch-arabische Staaten. Und schließlich nutzt er den Zustand der Auflösung im bürgerkriegsgeplagten Syrien, um direkten Zugang zum Mittelmeer zu erlangen und um Israel auf den Golanhöhen direkt zu bedrohen.

Israels „rote Linien“

Die gegenseitigen militärischen Auseinandersetzungen derzeit rund um die Golanhöhen sind letztlich Detailfragen. Israel hat klare „rote Linien“ verkündet. Dazu gehört, dass Waffenschmuggel an die Hisbollah im Libanon und die Errichtung von iranischen Militärposten auf der grenznahen syrischen Seite nicht akzeptabel seien und bekämpft würden. Sollte der Iran nachweislich wieder sein Atomprogramm aufnehmen, wäre auch das für Israel ein existenzieller Grund, den Iran direkt anzugreifen.

Niemand weiß, was der Iran plant, ob er die Konfrontation mit Israel will, oder sich wieder zurückzieht. Doch nur davon hängt ab, ob es zu dem befürchteten „flächendeckenden Nahostkrieg“ kommt.

Wobei die Angst vor einem „künftigen“ Flächenbrand schon ziemlich zynisch ist, denn in Syrien, dem Irak, dem Jemen, im ägyptischen Sinai oder in Libyen ist es auch ohne jüdische Beteiligung alles andere als friedlich.

Es ist allerdings nicht zu erwarten, dass Israel ohne jeden Grund oder Anlass einen Krieg gegen den Iran startet. Denn im Unterschied zum Iran will Israel lediglich sich selbst absichern und nicht das andere Land auslöschen.

Von: Ulrich W. Sahm

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