Auf Anweisung des israelischen Verteidigungsministers ist am Samstag „bis auf Weiteres“ der einzige verbliebene Warenterminal zwischen Israel und dem Gazastreifen geschlossen worden. Durch den werden frisches Obst und Gemüse, Medikamente, sanitäre Hilfsgüter und andere Waren in das von der Hamas-Organisation kontrollierte Gebiet transportiert. Damit war der Küstenstreifen mit etwa 1,8 Millionen Einwohnern vom Rest der Welt vollständig abgeschnitten. Am Sonntag, nach Eintreten der Feuerpause, wurde der Kerem-Schalom-Terminal wieder geöffnet.
Der konkrete Anlass für die Schließung des von hohen Betonmauern umgebenen Warenterminals in Kerem Schalom am Länderdreieck Israel-Ägypten-Gazastreifen war der Beschuss mit Mörsergranaten. Überwachungskameras haben gefilmt, wie die Granaten vor den in Reih und Glied stehenden Sattelschleppern explodierten. Der Warentransfer ist nach israelischen Angaben gestoppt worden, um die Arbeiter und Lastwagenfahrer im Terminal nicht zu gefährden. Israelische Lastwagen können nicht nach Gaza fahren, und umgekehrt werden Fahrzeuge mit palästinensischen Kennzeichen nicht nach Israel eingelassen, „aus Sicherheitsgründen“. Alle Waren werden geröntgt und in hoch ummauerten riesigen Schleusen hinter Stahltoren umgeladen.
Der Beschuss des Terminals mit Mörsergranaten bezeugt besser als jedes andere Beispiel die Absurdität des Krieges um den Gazastreifen.
Die wichtigste Forderung der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Organisation bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo und letztlich einer der Gründe für ihr Auslösen des Krieges mit massivem Raketenbeschuss Israels ist eine Aufhebung der israelischen Blockade. Die Hamas will neben der Öffnung aller Landgrenzen auch einen Seehafen bauen und den vor mehreren Jahren zerstörten Flughafen in Dahanija reparieren.
Doch die Wirklichkeit sieht ganz anders aus: Eine echte Blockade des Gazastreifens kam erst zustande, als die Ägypter nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi über tausend Schmugglertunnels unter der Grenze zwischen dem ägyptischen Sinai und dem Gazastreifen zerstört haben. Damit kam die Belieferung des Gazastreifens mit ägyptisch subventioniertem Benzin und Waffen, darunter Raketen, zu einem Ende. Im Gazastreifen entstand eine Elite mit Hunderten Hamas-Millionären, die sich an den Abgaben für diese Schmugglerware bereichert haben.
Zynische Forderung
Seit Israels Rückzug 2005 und sogar im Laufe der Kriege rollen Hunderte Sattelschlepper mit Waren in den Gazastreifen. Die UNO und Menschenrechtsorganisationen wie Oxfam führen darüber Buch.
Im Jahr 2013, so die Angaben der UNO-Unterorganisation OCHA, wurden von Israel durchschnittlich pro Monat 1.000 Lastwagenfuhren mit Baumaterialien, darunter Zement, Eisen und Kiesel, in den Gazastreifen geliefert. Erst seit Ausbruch dieses Krieges ist den Israelis klar geworden, dass damit nicht Schulen und Kindergärten gebaut wurden. Vielmehr wurden mit israelischem Zement die Angriffstunnel befestigt, durch die Hamaskämpfer nach Israel eindringen wollten, um Massaker in den grenznahen Ortschaften zu veranstalten.
Hinzu kommen jeden Monat noch etwa 1.500 Lastwagenfuhren mit humanitären Gütern und Nahrungsmitteln. Zusätzlich werden Millionen Liter Dieselöl, Benzin und Kochgas geliefert. Zehn Hochspannungsleitungen versorgen den Gazastreifen mit Strom. Drei Leitungen waren zeitweilig ausgefallen, weil sie von Raketen der Hamas beschädigt worden waren und israelische Elektriker sich zunächst geweigert hatten, sie unter Lebensgefahr zu reparieren.
Die Forderung der Hamas nach einer Öffnung der Grenzen, vermeintlich um der Bevölkerung zu helfen, oder um eine „humanitäre Katastrophe“ abzuwenden, wie es die UNO definiert, ist geradezu zynisch. Der mehrfache Beschuss des einzigen Warenterminals in Kerem Schalom führte zu einem Abbruch humanitärer Lieferungen, darunter aus Katar, Italien und der Türkei. Da Ägypten sich weigert, Hilfslieferungen nach Gaza durchzulassen, werden sie nach Tel Aviv geflogen oder auf dem Landweg über Jordanien in den Gazastreifen transportiert.
Zynisch ist die Forderung der Hamas auch, weil sie eigenhändig mit Autobomben, Selbstmordattentätern und Mörserbeschuss eine Schließung des großen Terminals in Karni erzwungen hat. Die Israelis wollten ihr Personal bei dem Terminal nicht gefährden. Karni wurde nach den Osloer Verträgen 1994 errichtet mit wesentlich größerer Kapazität als der heutige Kerem-Schalom-Übergang. 2011 wurde Karni endgültig geschlossen.
„Friedensprojekt“ wegen Angriffen geschlossn
Bis 2005 gab es zusätzlich ein gemeinsames Industriezentrum beim Eres-Übergang. Der dient heute nur noch für Menschenverkehr: Diplomaten, Journalisten und palästinensische Kranke auf dem Weg in israelische Hospitäler. In dem inzwischen abgerissenen Industriezentrum investierten israelische Unternehmer, während Palästinenser aus dem Gazastreifen die Produkte herstellten. Von diesem Modell profitierten alle. Tausende Palästinenser erhielten einen Lohn, wie in Ägypten üblich, also das Doppelte der Löhne im Gazastreifen. Die Israelis profitierten, weil sie nur die Hälfte der in Israel üblichen Löhne zahlen mussten. Vor allem während der „Zweiten Intifada“, als Israel keine Gastarbeiter aus Gaza mehr einreisen ließ wegen der Selbstmordattentate, bewahrte das Industriezentrum viele Palästinenser vor Armut und Arbeitslosigkeit. Doch das hinderte die Hamas nicht daran, dieses „Friedensprojekt“ so oft anzugreifen, bis die Israelis gezwungen waren, es zu schließen.