Der 60 Tage lange Hungerstreik palästinensischer Gefangener ist mit einem Kompromiss beendet. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Die Häftlinge protestierten gegen die Verwaltungshaft, die beliebig oft verlängert werden kann. Israelische Richter dürfen Palästinenser laut Militärgesetzen in den besetzten Gebieten für bis zu sechs Monate ins Gefängnis stecken, ohne bei dem Prozess den Verteidigern belastendes Beweismaterial vorzulegen. So werden Geheimdienstquellen geschützt. Diese Methode widerspricht allen Regeln eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, auch gemäß israelischem Zivilrecht. Auf Anfrage sagte ein Anwalt des Militärgerichts, dass es sich bei den Administrativhäftlingen um besonders gefährliche Drahtzieher des Terrors handle. Die Administrativhaft haben die Briten während der Mandatszeit eingeführt. Sie wird heute in den umstrittenen Gebieten angewandt, wo osmanisches, britisches, jordanisches, israelisches und palästinensisches Recht nebeneinander Gültigkeit hat.
Die rund 90 streikenden Häftlinge haben überlebt, weil sie zwar Zwangsernährung abgelehnt, aber dennoch Flüssigkeit und Pillen mit Zucker, Vitaminen und Mineralien zu sich genommen haben. Ihren Streik haben sie angeblich beendet, weil viele fromm sind und der muslimische Fastenmonat Ramadan bevorsteht. Da ist ein Festessen nach Sonnenuntergang vorgeschrieben. Hinzu kam, dass die mediale Aufmerksamkeit derzeit vor allem auf die drei entführten jungen Israelis gerichtet ist. Das hat den Hungerstreik aus den Schlagzeilen verdrängt.
Am Mittwochabend hat die israelische Regierung neue Sanktionen gegen die palästinensischen Häftlinge in israelischen Gefängnissen beschlossen. Künftig will Israel den Transfer von „Gehältern“ von der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) an die Gefangenen unterbinden. Wirtschaftsminister Naftali Bennett warf der PA am Donnerstag vor, sie ermutige durch diese Überweisungen zum Mord an Juden. Im Blick auf den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas sagte er: „Ein Mensch, der jeden Monat Zehntausende Millionen Schekel in die Taschen von Mördern fließen lässt, ist ein Mega-Terrorist.“
Je höher die Opferzahl, desto höher das Gehalt
Gemäß Gesetzen der PA erhält jeder Häftling, der wegen terroristischer Gewalt verurteilt worden ist, ein monatliches Gehalt von etwa 300 Euro. Einfache Kriminelle wie Einbrecher oder Autodiebe erhalten keinen Monatslohn von der palästinensischen Regierung.
Je länger die Haftstrafe, also je größer die Zahl der israelischen Opfer ist, kann ein Häftling bis zu 3.000 Euro monatlich beziehen, was einem palästinensischen Ministergehalt entspricht. Während der Haftzeit finanziert die Behörde auch den Lebensunterhalt der Angehörigen des Gefangenen. Sowie der Häftling freikommt, kann er mit großzügigen Abfindungen und weiteren Monatsgehältern rechnen. So erhalten verurteilte Massenmörder in israelischen Gefängnissen ein Vielfaches des Gehalts eines Beamten oder Polizisten in Diensten der palästinensischen Regierung. Das Durchschnittseinkommen eines Palästinensers liegt laut Angaben des palästinensischen Statistikbüros bei 470 Euro.
Zu den finanziell entschädigten Terroristen zählt gemäß einer israelischen Aufstellung auch Abu Musa Atia, der mit einer Axt Isaak Rotenberg ermordet hat – einen Holocaust-Überlebenden, der aus Sobibor entkommen war. Die höchstmögliche Kompensation erhielt Issa Abed Rabbo, der 1984 zwei Studenten der Hebräischen Universität nahe Bethlehem ermordet hat. Neben einem Bonus in Höhe von 45.000 Euro bot ihm die Autonomiebehörde an, für die Kosten seiner Hochzeit aufzukommen. Das sei eine „humanitäre Hilfe“, um den Häftlingen einen Neustart zu ermöglichen, erklärte der Minister für die Angelegenheiten von Gefangenen, Issa Karake.
Deckmantel: Gefangenen-Ministerium wird zur Behörde
Laut offiziellen Angaben der Autonomiebehörde wurden allein im Jahr 2012 umgerechnet etwa 55 Millionen Euro an die Häftlinge und etwa die gleiche Summe an deren Angehörige überwiesen. Das entspricht etwa 16 Prozent der ausländischen Zuwendungen an die Palästinenser für den Aufbau ihres künftigen Staates. Weitere Summen werden vom Wohlfahrtsministerium und aus anderen Quellen an die Angehörigen von „Märtyrern“ (Selbstmordattentätern) gezahlt.
Wegen Kritik an westlichen Staaten wie den USA und EU-Ländern, mit ihren Hilfsgeldern an die Autonomiebehörde Terror gegen Israel zu finanzieren, hat der palästinensische Regierungssprecher Ehab Bessaiso eine geplante Umbenennung des „Gefangenen-Ministeriums“ in „Behörde für Gefangenen-Angelegenheiten“ bestätigt. Die Namensänderung diene als politischer wie juristischer Deckmantel, damit den Geberländern nicht mehr vorgeworfen werden könne, Terroranschläge gegen Israel zu finanzieren. Assam al-Ahmad, ein Mitglied des Zentralkomitees der Fatah-Bewegung, bestätigte auf einer Pressekonferenz, dem Druck der Geberländer nachgegeben zu haben, Gefangene und Angehörige von Märtyrern nicht mit Regierungsgeldern zu belohnen. Die Gelder würden weiter fließen, aber aus einem anderen Topf unter anderem Namen.
Mit 12 Millionen US-Dollar monatlich verfügte das Gefangenen-Ministerium bisher über das drittgrößte Budget aller Regierungsämter in Ramallah.
Noch ist unklar, wie die Israelis den Geldfluss an die Gefangenen unterbinden wollen.