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1914 – Gespitzte Stifte

2014 ist ein Jahr der Rückblicke ins vergangene Jahrhundert. Die Welt heute ist auch ein Ergebnis jener Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, die als „Erster Weltkrieg“ in den Geschichtsbüchern steht. 1914 waren die Stifte bereits gespitzt, um den Orient neu in die Landkarten zu zeichnen.
Mit gespitzten Stiften und Lineal wurden die Grenzen in Nahost gezogen.

Medien und Politik haben ein „Europäisches Erinnerungsjahr 2014“ ausgerufen. Der Rückblick wird vor allem auf die Schlachtfelder an Marne und Somme gelenkt, wo Briten, Franzosen, Deutsche und am Ende Amerikaner Kriegsgeschichte schrieben. Seltener geht der Blick auf den Kampf um Ostpreußen, die Schlacht bei Tannenberg und den Frieden von Brest-Litowsk zwischen Deutschland und Russland. Der Weitblick in den Orient fehlt oft völlig. Dabei ging dort mehr in die Brüche als in Europa. Im „Ersten Weltkrieg“ endete die achthundertjährige Geschichte des Osmanischen Reiches. Ziemlich genau vierhundert Jahre davon herrschten die Türken über die arabische Welt. „Suleiman der Prächtige“ brachte den Orient von Jerusalem bis Bagdad, von Aser-baidschan bis zum Jemen dauerhaft unter die osmanische Hand.

Europäer können Land kaufen

Diese Zeit endete zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schon in den Jahrzehnten zuvor war der osmanische Glanz verblasst, wie auch die Erinnerung, dass die Türken bereits vor Wien standen und das halbe Abendland in der Tasche hatten. Die europäischen Großmächte nannten die schwindende Macht in Istanbul den „kranken Mann am Bosporus“. Wirtschaftlich, militärisch und politisch war der türkische Halbmond am Sinken. 1840 sicherte europäisches Eingreifen die Macht der Osmanen im Nahen Osten, nachdem abtrünnige Machthaber in Ägypten Feldzüge bis in den Libanon und nach Syrien unternommen hatten.
Das war der Auftakt für den wachsenden Einfluss von Briten, Franzosen, Deutschen, Österreichern und Russen auch in Palästina. In Jerusalem und am See Genezareth konnte Land gekauft werden. Hatte bis dahin alles Land dem Sultan gehört, gab es fortan eingetragenen Grundbesitz für Ausländer. Kirchen und Kapellen entstanden in Jerusalem. 1863 öffnete das Österreichische Hospiz in der Altstadt. Bald darauf wurden im Auftrag des Deutschen Reiches die evangelische Erlöserkirche und die katholische Dormitio-Kirche errichtet, nachdem Kaiser Wilhelm II. das Land erworben und es dem „Deutschen Verein vom Heiligen Lande“ übergeben hatte. Doch auch Juden kauften des Sultans Land. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten jüdische Organisationen und Bankiers beträchtliches Grundeigentum erworben. Mit der Eröffnung des Suezkanals 1869 bekam der Orient strategische Bedeutung für Großbritannien. Es ging um die Sicherung des Seewegs nach Indien. Bedrohlich aus der Sicht Londons entwickelte sich das deutsch-türkische Projekt der Bagdad-Bahn, einer in Berlin geplanten Eisenbahn bis Bagdad mit einem Ableger nach Mekka.

Europäer teilen den Orient

Als 1914 die Kanonen in Europa donnerten, waren die Stifte für den Orient schon gespitzt, um dort neue Landkarten zu zeichnen. Um gegen die Türken und die mit ihnen verbündeten Deutschen bestehen zu können, sicherten sich die Engländer den Zuspruch der arabischen Herrscher. Der britische Hochkommissar von Ägypten, Sir McMahon, versprach den Arabern Freiheit vom türkischen Joch und ein eigenes Reich. Im Oktober 1915 wurde im „McMahon-Papier“ dieses Versprechen formuliert.
Im Mai 1916 teilten Engländer und Franzosen das Erbe der Osmanen unter sich auf. Im Sykes-Picot-Abkommen wurden mit Stift und Lineal jene Grenzen gezogen, die auch heute zu sehen sind. Für die Region Libanon und Syrien wurde Frankreich zur Schutzmacht. Ägypten, Irak und Palästina wurden Großbritanniens Schutz zugeordnet. Palästina war damals das Gebiet des heutigen Staates Israel, der Autonomiegebiete und Jordaniens. Dabei war im November 1917 gerade dieses Palästina dem Zionistischen Weltkongress in Aussicht gestellt worden. In der „Balfour-Deklaration“ wurde den Juden die Errichtung einer „Jüdischen Heimstätte“ zugesichert und so auch jüdische Unterstützung im Weltkrieg gewonnen. Der britische Außenminister Arthur James Balfour sicherte darin dem Baron Rothschild und der zionistischen Bewegung das Land zu. Anfang Dezember 1917 zog General Allenby siegreich in Jerusalem ein – ehrfurchtsvoll zu Fuß, an seiner Seite Chaim Weizmann. Der Krieg im Orient und das Land waren gewonnen. Die Juden jubelten.

Kunststaaten entstehen

Doch die Friedensverträge von Versailles brachten 1918 weder den Arabern das versprochene Großreich noch den Juden das verheißene Land. Auf der Völkerbundkonferenz von San Remo wurden 1922 Grenzen und Einflusszonen bestätigt. Unter französischem und britischem Schutz entstanden Kunststaaten wie der Libanon, Syrien, Jordanien und der Irak. Verschiedene Kulturen und Religionen, verfeindete Stämme und Völker wurden zu Nationalstaaten zusammengefasst.
Einige Wurzeln der heutigen Nahostkonflikte ragen bis in jene Zeit. Die Friedenspläne von 1918 führten nahezu zwangsläufig in Europa zum nächsten Krieg. Im Orient ist die Zahl der Kriege kaum zu überblicken und ihre Zeit nicht zu Ende: Stammeskriege, Religionskonflikte, Rebellionen, Kämpfe um Ölfelder – und mittendrin Israel. 2014 sind die Stifte erneut gespitzt für neue Linien zwischen Israel und Palästina, vermutlich in Syrien und vielleicht bald im Irak.

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