JERUSALEM (inn) – Der Gesetzentwurf über die Auflösung der 24. Knesset hat am frühen Dienstagmorgen im Parlament die nötige Mehrheit erreicht. Bei der Abstimmung handelte es sich jedoch nur um die erste von drei Lesungen, die der Verabschiedung vorangehen. Noch immer versuchen Mitglieder der Opposition, Zeit zu schinden, um innerhalb der alten Knesset unter der Führung von Ex-Premier Benjamin Netanjahu (Likud) eine neue Regierung ohne Neuwahlen zu bilden.
Auflösen oder nicht auflösen?
Gegensätzliche Entwicklungen laufen in diesen Tagen parallel ab. Während Koalition und Opposition zusammensitzen, um sich auf Eckdaten für Neuwahlen zu einigen, versuchen verschiedene Gruppen noch immer, genau diese zu verhindern. Die Opposition sammelt weiterhin Stimmen, mit denen sie die Mehrheit innerhalb der bestehenden Knesset erhalten und die Führung übernehmen könnte. Teile der Koalition, die einen bedeutenden Stimmverlust bei Neuwahlen zu befürchten hätten, wären bereit, sich einer solchen Regierung anzuschließen. Gleichzeitig sind Teile der Opposition strikt dagegen, darunter solche, die sich von Neuwahlen einen Machtzuwachs erhoffen.
Immerhin konnte das Parlament sich in der Nacht von Montag auf Dienstag auf zwei mögliche Termine für Neuwahlen einigen. Diese sollen am 25. Oktober oder 1. November stattfinden. Auch ein Etat für den fünften Wahlkampf der Parteien innerhalb von nur dreieinhalb Jahren wurde verabschiedet. Insgesamt sollen umgerechnet mehr als 8 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln dafür aufgebracht werden. Die letzten beiden Lesungen des Gesetzes zur Auflösung des Parlaments sollen am Mittwoch stattfinden. Bis dahin gehen voraussichtlich auch die Bemühungen weiter, eben diese Auflösung doch noch zu verhindern.
Ein holpriger Weg
Parallel dazu muss das zerrütte Parlament immer noch über anstehende Gesetzesentwürfe entscheiden. Dazu gehört das Gesetz über den Bau der israelischen Metro. Ein unterirdisches Schienennetz soll 24 Städte im Großraum Tel Aviv miteinander verbinden. Seit die Koalition ihre Mehrheit in der Knesset eingebüßt hat, braucht sie die Stimmen der Opposition für jede Entscheidung. Dem Metro-Gesetz hat die Likud-Partei ihre Unterstützung versagt, wohl um der Koalition nicht zum Erfolg bei einem so großen Projekt zu verhelfen. Premierminister Naftali Bennett (Jamina) hofft dennoch, dass das Gesetz vor der Auflösung der Knesset verabschiedet werden kann. Sonst könnten die Planungen um viele Jahre zurückgeworfen werden.
Ebenso scheiterte ein von der Koalition eingebrachter Gesetzentwurf, der einer vor Gericht angeklagten Person die Bildung einer Regierung verboten hätte. Der Entwurf war offensichtlich auf Benjamin Netanjahu zugeschnitten. Er bekam keine Mehrheit.
Noch immer steht eine Entscheidung über die Verlängerung eines Gesetzes aus, das das israelische Zivilrecht auf Siedler im Westjordanland ausdehnt. Löst sich die Knesset am Mittwoch auf, verlängert sich das Gesetz automatisch um sechs Monate. Verzögert sich der Prozess jedoch weiter ohne Einigung mit der Opposition, läuft das Gesetz am Donnerstag aus. Chaos im Westjordanland wäre vorprogrammiert.
Wenn alles läuft wie geplant
Sollte die Knesset wie vorgesehen am Mittwoch per Gesetz aufgelöst werden, wird Bennett seinen Posten an den derzeitigen Außenminister Jair Lapid (Jesch Atid) abgeben. Bis zu den Neuwahlen beziehungsweise bis zur Bildung einer neuen Regierung würde dieser als Interims-Premierminister regieren. (cs)
Eine Antwort
Ein paar freie Wahlen in den Nachbarstaaten,
dafür in Israel deutlich weniger.
Das wäre hilfreich.