JERUSALEM (inn) – Der Rabbiner Isaak Goldstein und seine Frau, die Rebbezin Schoschana Goldstein, haben ihre Kinder und Enkelkinder auf dem Jerusalemer Zionsberg um sich versammelt. Außerdem haben sie Journalisten aus dem Ausland eingeladen, um ihnen ihre Kultur zu erklären.
Goldstein ist Oberrabbiner auf dem Zionsberg und damit auch für das Davidsgrab zuständig, das in unmittelbarer Nähe zur Altstadt liegt. „Gott sei Dank, haben meine Frau und ich 16 Kinder“. erzählt der Rabbiner fröhlich. „Und so Gott will, werden es künftig noch mehr. Heute wollen wir die erste Kerze des Chanukkaleuchters entzünden.“ Dazu sind auch die schon verheirateten Kinder mit den Schwiegerkindern und Enkeln angereist.
An der stark befahrenen Hauptstraße auf dem Zionsberg steht Goldstein vor einem eisernen Tor. „Tatsächlich entzünden wir zwei Chanukkaleuchter. Den ersten entzünden wir an der Hintertür unseres Hauses, hier an der Straße, damit jeder, der vorbeifährt, die Lichter sieht. Den zweiten Leuchter entzünden wir am Hauseingang.“
Die Rebezzin steckt zwei Behälter in den hüftgroßen Leuchter und füllt diese mit Öl. Als der Rabbiner das Streichholz nimmt, um die Ölbehälter zu entzünden, fällt ihm auf, dass ihm eine Kerze fehlt. Die achtjährige Zippora läuft schnell los, um die Kerze aus dem Haus zu holen.
Dank für eigene jüdische Traditionen
Währenddessen erklärt der Rabbiner den Journalisten: „Dieses Fest ist ein Familienfest. Etwa 200 Jahre vor der Zerstörung des Zweiten Tempels hätten die Griechen es fast geschafft, das jüdische Volk zu zerstören. Sie hatten den ganzen Nahen Osten eingenommen und wollten auch Jerusalem einnehmen. Zwar wollten sie nicht dieses Land zerstören, aber sie wollten ihm ihre Traditionen und Kultur aufzwingen. Im Gegensatz zu vielen anderen Ereignissen, an die wir uns im jüdischen Jahr erinnern, war dieser Krieg keine Frage von Tod und Leben, sondern es ging um die Tradition. Die Juden gewannen den Krieg, die Griechen verschwanden und die Juden zündeten im Tempel die Kerzen an. An diesem Feiertag erinnern wir uns dankbar an unsere jüdischen Traditionen.“
Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Rabbiners. „Heute feiert die Welt auch das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft. Im Prinzip hat sich auch hier die griechische Kultur in der Welt durchgesetzt – wenn wir nur an den Olymp, die Olympischen Spiele und das alles denken.“
Vor allem bei den kleinen Kindern ist die Aufregung vor dem Kerzenentzünden groß. Während der Vater beziehungsweise Großvater den Journalisten die Geschichte und Traditionen von Chanukka erklärt, rennen die Kinder aufgeregt um den Chanukkaleuchter herum. Die Frau des Rabbiners und ihre älteren Töchter warten geduldig an der Seite.
Am ersten Abend drei Segenssprüche
Als die Kerze bereit ist, entzündet der Rabbiner sie, beugt sich über den Leuchter und singt mit kräftiger Stimme den ersten Segensspruch: „Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König des Universums, der uns mit seinen Geboten geheiligt und uns geboten hat, das Chanukka-Licht zu entzünden.“ Die ganze Familie antwortet singend mit einem lauten „Amen“.
Goldstein singt den zweiten Segensspruch: „Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König des Universums, der damals und heute Wunder an unseren Vorfahren vollbracht hat.“ Und wieder antwortet die Familie laut singend „Amen“. Dieses Ritual wird sich in den kommenden sieben Nächten wiederholen, doch heute, am ersten Abend singt Goldstein noch einen dritten Segensspruch. Dieser wird Schehechijanu genannt, „der du uns das Leben gegeben hast“: „Gelobt seist du, Herr, unser Gott, König des Universums, der uns das Leben geschenkt, uns erhalten und uns ermöglicht hat, dieses Ereignis zu erleben.“
Sobald der erste Ölbehälter und der dazugehörige Schamasch, die sogenannte Helferkerze, entzündet sind, stimmt die Familie das Lied „Maos Zur Jeschuati“ an: „Oh mächtiger Fels meiner Rettung, dich zu preisen ist meine Freude. Stelle du unser Gebetshaus wieder her, dass wir dir Opfer bringen können. Ich werde dir mein Lied singen und deinem Altar widmen.“ Das Lied hat sechs Strophen und stammt wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert in Deutschland. Die Anfangsbuchstaben der Strophen ergeben den Namen Mordechai, was eventuell auf den Namen des Dichters hindeutet.
Familie Goldstein singt viel und gerne. Nach dem dritten Lied geht sie ins Haus zurück. Vor dem Haus entzünden die anderen Familienväter mit ihren Kindern weitere Leuchter. In der Küche, die einem großen Warenlager gleicht, sind noch mehr Leuchter auf dem Fenstersims aufgestellt. Diese werden erst von der Rebbezin, dann, nach und nach, von allen Töchtern angezündet.
Milchprodukte in Erinnerung an Heldentum
Im Wohnzimmer erklärt Vater Goldstein: „Beim Chanukkafest handelt es sich auch um das Fest der Frauen. Wir denken an die Heldin Judith“, deren Geschichte im apokryphen Buch der Bibel „Judith“ geschildert ist. „Judith hat durch ihren Mut und ihre Tapferkeit das jüdische Volk vor seinen Feinden errettet. Mit Wein und Käse verführte sie den assyrischen Feldherrn Holofernes und enthauptete ihn, während er schlief.“
Deshalb, so erklärt Rabbiner Goldstein, werden zu Chanukka neben den traditionellen ölhaltigen Gerichten auch viele Milchprodukte verzehrt. Das Essen heute hat die Rebbezin bei einem Caterer bestellt; es gibt Pizzen, Fisch, frisches Obst und Gemüse.
Die kleinen Kinder fragen die Rebbezin immer wieder ungeduldig nach den Geschenken. Schließlich setzt sich diese mit ihrem Mann in das geräumige Wohnzimmer. Vor ihnen steht eine riesige Plastiktüte. Dann werden alle Kinder und Enkel namentlich aufgerufen und die Geschenke einzeln verteilt. Für die Kleinen gibt es elektrische Kreisel, die Großen bekommen Brettspiele. Die Stimmung ist ausgelassen. Und Rebbezin Goldstein lächelt zufrieden: „Ich selbst bin die Älteste von zwölf Kindern. Zum Entzünden der dritten Kerze sind wir alljährlich von meiner Mutter eingeladen. Sie ist weit über 90 und hat mehr als 300 direkte Nachkommen, da müssen wir schon einen großen Saal mieten.“ (mh)
4 Antworten
Friedliches fröhliches Chanukka
Möge das Chanukka Licht leuchten in alle Herzen der Menschen.
Gott JHWH wirkt auch heute noch Wunder, lass uns deine Wunder schauen in dieser Zeit Du großer Allmächtiger Gott Israels! Todah v’Amen
Meinen Sie Jehova?
Jahwe. ..nicht Jehova.
Herzlichen Dank für diesen tiefen Einblick in die Welt der Haredim („orthodoxen“ Juden) an die Redaktion! Chanukkah ist ein sehr fröhliches Fest und wir können an dieser Freude teilhaben. Chag chanukka sameach leIsrael! Ein fröhliches Chanukkafest nach Israel!