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Jusos entschuldigen sich für pro-israelische Beschlüsse

Der Juso-Bundeskongress sorgt für Aufsehen, weil dort die Fatah-Jugend als „Schwesterorganisation“ durchgeht. Erstaunlich ist aber etwas ganz anderes: Der Versuch, sich von pro-israelischen Resolutionen aus dem vergangenen Jahr zu distanzieren. Eine Analyse von Sandro Serafin
„Uns sind Menschen am anderen Ende der Welt, die unsere Werte teilen, viel näher als beispielsweise Fascho-Klaus von nebenan“, war am Wochenende beim Juso-Bundeskongress zu hören

Bis in israelische Medien hatten es die Jusos vor einem Jahr geschafft, als sie auf ihrem jährlichen Bundeskongress zwei pro-israelische Resolutionen verabschiedeten. In einem der Beschlüsse wandte sich die Jugendorganisation der SPD gegen die „unverhältnismäßige Verurteilung Israels“ bei den Vereinten Nationen. In dem anderen nahm sie Haltung gegen israelbezogenen Antisemitismus ein und bezeichnete die Israel-Boykott-Bewegung BDS als „im Kern antisemitische Kampagne“.

An diesem Wochenende nun, ein Jahr und einen Bundeskongress später, haben sich die Jusos zumindest für „Teile“ dieser Beschlüsse entschuldigt – mit einer weiteren Resolution. Von einem „Fehler“ war während der digitalen Verbandsversammlung mit Blick auf das vergangene Jahr die Rede, von gebrochenen Prinzipien und verletzten Regeln. „Das tut uns leid“, sagte ein Mitglied. Gegenredner gab es nicht. 96 Prozent der Delegierten stimmten der neuen Resolution zu.

Druck aus Nahost

Was Selbstkritik sein sollte, klang an diesem Wochenende eher nach Unterwerfung. An den israelfreundlichen Beschlüssen des vergangenen Jahres hatte es offenbar massive Kritik von Partnerorganisationen der Jusos im Nahen Osten gegeben. Nach Israelnetz-Informationen reagierte nicht nur die Jugendorganisation der palästinensischen Fatah-Partei (Schabiba) von Mahmud Abbas, sondern auch Vertreter der Jugendverbände der israelischen Arbeitspartei und von Meretz mit einem zeitweisen Boykott der Zusammenarbeit mit den Jusos. Mit allen drei Organisationen kooperierten die Jungsozialisten bislang im Rahmen des „Willy Brandt Centers“ (WBC) in Jerusalem. Das WBC war 1996 von den Jusos initiiert worden, um Kontakte zwischen Israelis und Palästinensern herzustellen.

„Wir wurden Anfang dieses Jahres vor die Wahl gestellt: Sehen wir dabei zu, wie unser größtes friedenspolitisches Projekt, das WBC, vor die Hunde geht, oder führen wir endlich die Debatten in unserem Verband, die längst überfällig waren“, sagte die stellvertretende Vorsitzende Manon Luther. Unter dem Druck der Nahost-Partner entschieden sich die Jusos dazu, eine neue Resolution zu verabschieden, um das WBC zu retten. Das Ergebnis ist der Beschluss vom Wochenende.

„Keine Deutungshoheit“?

Aus dem siebenseitigen Papier spricht das Bemühen um eine zum Scheitern verurteilte Haltung der Äquidistanz. Vom „Grundsatz der doppelten Solidarität“ ist die Rede. Man wolle eine „dritte Partei“ sein, „die sich selbst keine Deutungshoheit im Konflikt gibt“, sagte Juso-Vize Luther. Der Beschlusstext kann der Versuchung, den israelisch-palästinensischen Konflikt zu analysieren und Lösungsvorschläge zu machen, dann aber doch nicht widerstehen. „Einer friedlichen Lösung auf der Basis von zwei unabhängigen und lebensfähigen Staaten“ sei „absolute politische Priorität einzuräumen“, heißt es da unter anderem.

Auffällig ist, dass die Resolution den Themen „Grenzen und Siedlungsbau“ sowie „Besatzung und Annexion“ eigene Zwischenüberschriften widmet, dem omnipräsenten Themenkomplex Terror hingegen nicht. Das Wort selbst kommt im Text nicht einmal vor. Freilich: „Attentate, Raketenangriffe und Bombardierungen“ werden erwähnt. Gegen wen sich diese in erster Linie richten, liest man jedoch nicht. Stattdessen heißt es im nächsten Satz: „Wir verurteilen die Gewalt gegen die Zivilbevölkerungen“ – man beachte den Plural.

Besonders konkret werden die Jungsozialisten mit einer Forderungen an die israelische Seite. Um Vertrauen zu schaffen, müssten „Checkpoints und Sperranlagen“ zurückgebaut werden. „Für eine Mauer zwischen Israel und Palästina ist kein Platz.“ Kurz zuvor hatte der Text noch die „legitimen Sicherheitsinteressen des Staates Israel“ betont. Die israelische Sperranlage, über weite Teile ein Zaun, hat im Zuge der „Zweiten Intifada“ zu einer massiven Reduktion der Terroranschläge beigetragen. Eine ähnlich direkte Aufforderung an die palästinensische Seite, etwa die Zahlung von Terror-Renten einzustellen, sucht man vergeblich.

„Schwesterorganisation“ Fatah

Besonders pikant an dem Beschluss erscheint zudem, dass den Juso-Partnern vor Ort, also der Fatah-Jugend sowie den Jugendorganisationen von Avoda und Meretz, ein Veto-Recht für Juso-Beschlüsse eingeräumt werden soll, die sich mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt befassen. Israelfreundliche Resolutionen wie die vom vergangenen Jahr hätten bei einer konsequenten Anwendung dieses Passus in Zukunft keine Chance mehr.

In zahlreichen großen Medien hatte der Beschluss bereits am Montag für Aufregung gesorgt, weil die Fatah-Jugend darin als „Schwesterorganisation“ der Jusos bezeichnet wird. Eine Kooperation zwischen beiden Verbänden besteht allerdings schon seit vielen Jahren, nicht zuletzt weil beide dem internationalen Jungsozialisten-Verband „IUSY“ angehören. Auch die Mutterpartei SPD hat internationale Verbindungen zur Fatah. Bereits 2012 hatten Äußerung der damaligen SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles für Empörung gesorgt, wonach SPD und Fatah „gemeinsame Werte“ teilten. „Sozialismus geht für uns nur international“, sagte die stellvertretende Juso-Vorsitzende Hanna Reichhardt am Wochenende. „Uns sind Menschen am anderen Ende der Welt, die unsere Werte teilen, viel näher als beispielsweise Fascho-Klaus von nebenan.“

SPD-Generalsekretär wegen CDU-Kritik verärgert

Obwohl die Kooperation alles andere als neu ist, sorgte sie zu Wochenbeginn vor allem bei jüdischen Interessenverbänden sowie Vertretern von Union, FDP und AfD für Kritik. Dass sich auch mehrere CDU-Vertreter empört zeigten, kann dabei durchaus irritieren: Schließlich ist es die von einer CDU-Kanzlerin geführte Bundesregierung, die alljährlich Millionenbeträge in die Palästinensische Autonomiebehörde pumpt und auf diese Weise Kritikern zufolge indirekt Gehälter für Terroristen mitfinanziert.

Der scheidende Juso-Chef Kevin Kühnert, der zuletzt mit der Aussage aufgefallen war, dass Israel „für mich etwas ganz besonderes ist“, versuchte am Abend die Wogen zu glätten. In einem Livevideo im Sozialen Netzwerk Instagram relativierte er das Veto-Recht der Fatah als eine „Ehrenerklärung“ der Jusos, die entfalle, wenn die Organisation ihr vorgebliches Bekenntnis zur Gewaltfreiheit verlasse – „so sehe ich das zumindest“. Es gehe darum im Gespräch zu bleiben, Kritik werde keinesfalls „runtergeschluckt“. „Wir würden dort nicht mit Leuten zusammenarbeiten, wenn nicht auch unsere israelischen Partner diese Kooperation leben würden.“ Dass die Juso-Partner Meretz und Avoda in der israelischen Politik ein absolutes Randphänomen darstellen und keine ernsthafte Relevanz haben – bei den vergangenen Knesset-Wahlen kamen sie zusammen nicht einmal auf sechs Prozent –, erwähnte er nicht.

Offensichtlich vom Thema genervt zeigte sich SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Ein wirklich komplexes Thema“ werde auf niedriges Niveau heruntergefahren. Die CDU wolle damit von der eigenen Kooperation mit der AfD ablenken, sagte er. Doch auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik. Der Juso-Verband Leipzig reagierte auf den Beschluss bei Twitter mit dem Ausspruch: „We stand with Israel“ (Wir stehen an der Seite Israels).

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