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Jüdische Siedler treffen Islamisten

BERLIN (inn) – Höhepunkt zum Abschluss der Deutsch-Israelischen Literaturtage in Berlin: Am Samstagabend diskutierten die Autoren Assaf Gavron und Martin Schäuble darüber, was Juden und Muslime radikal werden lässt.
Zwei, die über religiösen Fundamentalismus geschrieben haben, trafen in Berlin aufeinander: (v. l.) Assav Gavron und Martin Schäuble.

Der eine hat mit „Auf fremdem Land“ ein Buch über radikale jüdische Siedler geschrieben. Der andere mit „Blackbox Dschihad“ eines über die wahre Geschichte zweier islamistischer „Gotteskrieger“. Der eine ist Israeli und hat sein Werk zum Teil in Berlin verfasst. Der andere ist Deutscher und lebt in Ramallah. Es gibt also einiges, was Assaf Gavron und Martin Schäuble verbindet. Im Rahmen der von der Heinrich-Böll-Stiftung ausgerichteten Deutsch-Israelischen Literaturtage trafen sie am Samstagabend aufeinander, lasen aus ihren Büchern und tauschten sich über ihre Erfahrungen mit Radikalen unterschiedlicher Glaubensrichtungen aus.

Den typischen Siedler gibt es nicht

Gavron berichtete von seiner langwierigen Recherche zu „Auf fremdem Land“, in dem er in das Leben jüdischer Siedler eintaucht. Fünf Jahre lang arbeitete er daran, zwei davon recherchierte er und suchte gezielt jüdische Siedlungen auf. Freundlich begrüßt wurde er nicht immer. Besonders im Westjordanland seien ihm die Familien feindlich begegnet. „Da sind die Leute extremistischer“, erklärte er. Gelernt habe er bei seinen Recherchen vor allem, dass es den typischen Siedler nicht gebe. Manche entschieden sich aus politischen oder religiösen Gründen dazu, sich illegal im palästinensischen Gebiet niederzulassen. Andere genössen einfach nur das ruhige und ökologisch ausgerichtete Leben in der Gemeinschaft.
Dennoch stellte Gavron klar: „Ich bin gegen die Siedler.“ Wie die meisten linken Intellektuellen in seiner Heimat sei er davon überzeugt, dass Juden nicht jenseits der Grünen Linie, also der Waffenstillstandslinien von 1949, leben sollten. Sein Buch habe er aber nicht geschrieben, um eine politische Botschaft zu senden, sondern weil ihn „das chaotische Geflecht“, in dem die Siedler lebten, interessiert habe. Entsprechend sei sein Buch in Israel von Linken wie Rechten begrüßt worden. Dennoch gab Gavron zu, dass es bestimmte Menschen gebe, die sein Werk niemals lesen würden. Manche Linke wollten nicht verstehen, warum Juden siedeln, ebenso gebe es Rechte, die „Auf fremdem Land“ von vornherein als Siedler-feindlich eingestuft hätten. „Aber die Mitte hat das Buch umarmt“, sagte er.

Dem Sauerland-Bomber auf der Spur

Martin Schäuble erzählt in „Blackbox Dschihad“ die wahre Geschichte zweiter radikaler Muslime: Sa‘ed aus dem palästinensischen Gebiet und Daniel Schneider, einem Mitglied der sogenannten Sauerland-Gruppe. Schneider wurde 2007 festgenommen und zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er gemeinsam mit anderen Dschihadisten Anschläge in Deutschland plante. Schäuble hat die Biografien der beiden jungen Männer aufwändig nachrecherchiert, mit Angehörigen und Freunden gesprochen und ist an die Orte gereist, die auch die beiden Islamisten besucht haben. So wie es keinen typischen Siedler gebe, existiere auch keine „Attentätergleichung“, ist sich Schäuble sicher. Es sei schlicht nicht möglich, im Vorhinein zu wissen, wer zum Selbstmordattentäter werde und wer nicht. Wenn überhaupt, fänden sich die meisten Erklärungen in der Kindheit, ist er überzeugt.
Auch der islamische Glaube an die Belohnung von Märtyerern im Paradies gereiche nicht zur Erklärung, warum junge Menschen in den Dschihad zögen. „Es spielt eine Rolle, aber ich würde es nicht überbewerten“, sagte Schäuble. Überhaupt sei vieles anders als gedacht. So habe er etwa mit der Familie des bei einem Selbstmordanschlag ums Leben gekommenen Sa‘ed gesprochen. Von Glorifizierung des Todes ihres Sohnes sei da nichts zu spüren gewesen. „Das waren Trauergespräche“, erinnerte sich Schäuble.
Entscheidend sei, wer junge Menschen in schwierigen Lebenssituationen abhole. Das nutzten radikale Islamisten aus. So sagt Schäuble über den Sauerland-Bomber Daniel Schneider: „Er hätte genauso gut – wenn er jemanden von Greenpeace getroffen hätte – radikaler Umweltschützer werden können.“

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