Suche
Close this search box.

Jüdische Auswanderung aus der Sowjetunion

Zur Zeit der Sowjetunion konnten Flüchtlinge eher nach Israel oder Deutschland gelangen als in andere Länder. Die Ausreise erfolgte über Wien. Dort erweckten Agenten den Eindruck, die Aktionen seien illegal.
Von Ulrich W. Sahm

In den 1970er Jahren gab es noch den „eisernen Vorhang“, symbolisiert vor allem durch die Berliner Mauer. Die Menschen im ganzen Ostblock waren „eingesperrt“. Es gab kaum eine Möglichkeit, in den Westen zu fliehen, ohne das eigene Leben zu gefährden.

Interessanterweise waren es insbesondere Deutschland und Israel, die sich bemühten, Bewohnern der Sowjetunion eine legale Ausreise zu verschaffen. Damals war mein Vater, Dr. Ulrich Sahm, der deutsche Botschafter in Moskau.

Ich studierte zu dieser Zeit in Jerusalem. Für einen „Heimatbesuch“ bei den Eltern musste ich von Israel aus erst nach Wien fliegen, und von dort ging es dann weiter nach Moskau.

Offensichtliche Abhörmethoden

In der Moskauer Residenz gab es einen Bediensteten, der meinen Vater jeden Abend fragte, wo er denn seinen Whiskey trinken wolle. Wie sich herausstellte, stand dieser Mann in den Diensten des KGB. Er sorgte dafür, dass in jedem Zimmer, wo sich gerade mein Vater aufhielt, Abhörgeräte die Gespräche aufnahmen. Zu sehen war auch, dass viele Kabel ausgerechnet im Wächterhaus vor der Residenz zusammenliefen.

Diese Abhörmethoden waren also dermaßen offensichtlich, dass mein Vater sie bewusst nutzte, um den Russen seine Meinung kundzutun. So warfen damals die russischen Nachbarn ihren Bauschutt in unseren Garten. Beim Mittagstisch im Familienkreis sagte mein Vater laut und deutlich, dass er die Bundesrepublik zu Sanktionen gegen die Sowjetunion auffordern wolle, wenn das Territorium der Botschaft nicht respektiert würde. Kurze Zeit später war der Dreck weg.

Agenten auf dem Wiener Flughafen wahren den Schein

Vor allem der Rückflug von Moskau nach Tel Aviv war erlebnisreich. Auf dem Wiener Flughafen fingen „unauffällige“ Agenten mit Regenmantel und Schlapphut alle aus Moskau kommenden Passagiere ab und befragten sie. Dank meines deutschen Diplomatenpasses wurde ich durchgelassen und durfte mich sogleich für die Weiterreise einchecken.

Auswandernde Juden wurden herausgepickt und in ein Hotel in Schönau gebracht, entsprechend der Abmachung mit den Sowjets. So sollte der Anschein gewahrt bleiben, dass die Sowjetunion keine direkte Einwanderung nach Israel erlaube.

Gleichwohl gelangten auf diesem Weg im Laufe der Jahre fast eine Million gut ausgebildete sowjetische Juden nach Israel und schufen die Grundlage für Israel als „Hightech-Nation“. Jeder nach Israel einwandernde Jude erhält schon auf dem Flughafen seinen israelischen Personalausweis, eine Arbeitserlaubnis. Sie konnten sofort wählen und selbst ins Parlament gewählt werden.

Die Deutschen betrachteten ihrerseits die Wolgadeutschen als ihre Staatsbürger und verliehen ihnen bei der Ankunft in der Bundesrepublik mit ähnlichen Argumenten deutsche Papiere. In beiden Ländern gilt das sogenannte nationale „Rückkehrrecht“.

Riskanter Einsatz für Freiheit

Zu den lautstärksten „Kämpfern“ für die jüdische Auswanderung aus der Sowjetunion zählten damals Ida Nudel und Anatoli Scharanski. Ihr Einsatz für die Freiheit barg ein hohes Risiko, was ihnen sehr wohl bewusst war. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Nudel wurde weltweit bekannt, als sie am Balkon ihrer Moskauer Wohnung ein Plakat „KGB, gib mir ein Visum für Israel“ anbrachte. Dieses „Antisowjetische Verhalten“ erbrachte ihr eine mehrjährige Haft. Erst 1978 durfte Nudel auswandern.

Dem Physiker und Mathematiker Scharanski warf der KGB Spionage für die USA vor. Sein Einsatz für die Freiheit der Juden brachte ihn fast zehn Jahre in ein Straflager nach Sibirien.

Nach ihrer Einwanderung nach Israel hörte ihr Einsatz für die ausgewanderten Juden nicht auf. 2009 wurde Scharanski, nun mit dem Vornamen Natan, zum Vorsitzenden der Einwanderungsbehörde Jewish Agency gewählt, deren Aktivitäten der russische Präsident Wladmir Putin derzeit verbieten will. Nudel kümmerte sich in Israel besonders um das Schicksal jüdischer Emigrantenkinder, denn bei den Auswanderern waren auch viele alleinerziehende Frauen.

Das Verhältnis zwischen Moskau und Jerusalem war nie ohne Spannung. Es ist also weitaus mehr als nur ein einfacher Prozess, wenn jetzt am Moskauer Bezirksgericht Bassmany gegen die Organisation verhandelt wird, die sich um die Einwanderung von Juden aus aller Welt nach Israel bemüht. Was hier inszeniert wird, ist im Kern ein politischer Schauprozess. Ob es dabei „nur“ um Israels Haltung zum Ukraine-Krieg geht, wie manche behaupten, wage ich zu bezweifeln. 17.000 russische Juden sind in diesem Jahr schon nach Israel eingewandert und viele weitere wollen folgen. Es bleibt zu hoffen, dass der eiserne Vorhang sich nicht vorher wieder schließt.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

2 Antworten

  1. Israel hat mit Russia Schwierigkeiten seit Ukraine Krieg und ja, die Lage war immer angespannt.
    In Israel sind Russen und Ukrainer eingereist und weitere wollen kommen.
    Bisher ließ Putin IL in Syrien freie Hand. Dies wird sich auch ändern.
    Einem Putin widerspricht man nicht! Dann schlägt er vernichtend zu.
    OT
    Erdogan ist sein neuer Verbündeter. Der darf jetzt wohl die Kurden im Grenzgebiet Irak ermorden?

    10
    1. Nicht nur das liebe Maria, er ist auch zuständig für die Umgehung der Sanktionen für Rußland, da er sich nicht an ihnen beteiligt. Der Gedanke an ein neues osm. Reich ist ja noch nicht ausgeträumt und dafür braucht er Unterstützung gegen den Iran, der auch solche Träume hegt von der alten Medo-Persischen Großmacht.

      Rußland wird zukünftig noch ein paar sehr gute Gründe gegen Israel brauchen, damit es das Wort des Propheten Hesekiel erfüllt wird:
      Hesekiel 39,2 Und ich will dich herumlenken und dich gängeln und dich heraufführen vom äußersten Norden und dich auf die Berge Israels bringen.
      Hesekiel 38,6 Gomer samt allen seinen Truppen, das Haus Togarma vom äußersten Norden, auch mit allen seinen Truppen, viele Völker mit dir.

      3

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen