Die Folgen des Terrormassakers vom 7. Oktober sind auch in Europa zu spüren. Anfang Juni sah sich der Verband Europäischer Juden (EJA) deswegen zu einer Dringlichkeitskonferenz in Amsterdam veranlasst. „Wir befinden uns im Kampf für die Fortführung europäischen Lebens in Europa“, sagte der Vorsitzende, Rabbi Menachem Margolin. Der Verband rief Israel dazu auf, einen Aufnahmeplan für europäische Juden bereitzuhalten.
Joel Mergui, Präsident des Israelitischen Zentralkonsistoriums in Frankreich, brachte es bei der Konferenz so auf den Punkt: „Wir dachten, dass nach dem schlimmsten Massaker nach dem Holocaust das jüdische Volk, sowohl in Israel wie auch in der Diaspora, auf Dauer stark unterstützt wird, doch das war leider nicht der Fall“, sagte der 1958 in Marokko geborene Arzt. „Sehr schnell wurden Israel und die Juden weltweit wegen der Folgen des schrecklichen und barbarischen Krieges beschuldigt, den die Hamas gegen sie lostrat. Diese dunkle und ungerechte Realität ist sehr beängstigend.“
„Öl ins Feuer gegossen“
Als eine zentrale Figur in dieser Entwicklung machte der Verband den Außenbeauftragten der Europäischen Union aus: Josep Borrell habe sowohl vor als auch nach dem 7. Oktober eine „klare und wiederholt anti-israelische Voreingenommenheit gezeigt“. Dies sei ein „wesentlicher Beitrag“ für den anhaltenden Antisemitismus und für die Verunglimpfung Israels im öffentlichen Raum gewesen.
Mit dieser Einschätzung ist der EJA nicht allein. Bereits Ende März hatte der Europäische Jüdische Kongress (EJK) der EU und den Vereinten Nationen vorgeworfen, mit ihren Stellungnahmen zum Gazakrieg Judenhass anzufachen. Auch der Kongress nannte dabei Borrell: So habe dieser Israel vorgeworfen, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Diese Behauptungen seien jedoch falsch und unbegründet. „Sie gießen Öl ins Feuer, das die Hamas-Terroristen entfacht haben und das sich durch ihre Unterstützer in Europa verbreitet.“
Checkpoints als Friedenshindernis
Diese Bewertungen sind für einen Diplomaten ein Armutszeugnis. Indes war absehbar, dass die Beziehungen der EU zu Israel unter Borrell keine neuen Höhen erreichen würden. Schon als spanischer Außenminister hatte er die Auslöschungsdrohungen seitens des Irans als Normalität ausgerufen. Grundsätzlich scheint dem 77-jährigen Spanier die Stärke Israels ein Dorn im Auge zu sein. Zudem mag er den Palästinensern keine Mitverantwortung für ihr Schicksal zumuten.
Ein Gastbeitrag für diverse Medien von Anfang März 2023 liefert dafür Beispiele. Dort beklagte Borrell: „Während sich die Israelis auf einen starken Staat und eine starke Armee verlassen können, haben die Palästinenser keine solche Zuflucht. Diese immense Ungleichheit in der Fähigkeit, das eigene Schicksal zu kontrollieren, wird an jedem Straßen-Checkpoint sichtbar.“
Israelnetz Magazin
Nun wäre es denkbar, die Stärke Israels als Errungenschaft des jüdischen Volkes nach Jahrhunderten der Verfolgung, nicht zuletzt in Borrells Heimatland, zu betrachten. Als die Chance, sein eigenes Schicksal zu kontrollieren.
Denkbar wäre es auch, die Checkpoints nicht als israelische Gängelei zu sehen – so mutet Borrells Aussage an –, sondern als Reaktion auf palästinensischen Terror zum Schutz jüdischen Lebens. Für Borrell stellen sie jedoch ein „Hindernis zum Frieden“ dar. Ein flammender Appell an die Palästinenser, dem Terror abzuschwören, fehlte in seiner fünfjährigen Amtszeit; es kam höchstens zu routinemäßigen Verurteilungen solcher Taten.
Ein Eklat und eine Mahnung
Besagter Gastbeitrag führte zu einem diplomatischen Eklat zwischen Israel und der EU. Denn Borrell verglich darin palästinensische Terroraktionen mit israelischen Militäroperationen gegen Terroristen. Zur Erinnerung: Israel war damals wieder einmal mit einer Vielzahl von Terroranschlägen konfrontiert: Im Januar und Februar 2023 hatten Terroristen 14 Israelis getötet.
Israel erklärte Borrell faktisch zur unerwünschten Person: „Wir denken nicht, dass jetzt eine gute Zeit wäre, zu kommen“, sagte damals ein nicht genannter Vertreter des Außenministeriums. Etwa ein halbes Jahr später durfte Borrell dann doch kommen: Er besuchte die vom Terrormassaker betroffenen Kibbuzim. Dabei mahnte er die Israelis, „sich nicht vom Hass aufzehren zu lassen“.
Immerhin verurteilte er bei dem Besuch das Terrormassaker: „Nichts rechtfertigt, was die Terroristen der Hamas hier und an anderen Orten am 7. Oktober taten.“ Für die Vereinten Nationen wäre so ein Satz zu israelfreundlich: Bekanntlich weiß UN-Generalsekretär António Guterres, dass nichts in einem Vakuum geschieht, wie er am 24. Oktober dem UN-Sicherheitsrat erklärte.
Nichtsdestotrotz bleibt die Bilanz für Borrell wenig schmeichelhaft – zumindest mit Blick auf die Beziehungen zu Israel. Anfang des Jahres forderte er gar, einen palästinensischen Staat notfalls auch ohne Zustimmung Israels auszurufen. Israel warnt regelmäßig, dass so ein Staat ein „Terrorstaat“ würde. Umfragen bestätigen das: Ende Mai gaben mit 40 Prozent die meisten Palästinenser an, dass sie die Hamas unterstützen.
Tore verschlossen
Im Verlauf des Jahres besserten sich die Beziehungen nicht. Wiederholt prangerte Borrell israelische Angriffe auf humanitäre Ziele im Gazastreifen an. Dass sich dort Hamas-Terroristen verschanzt hatten, ließ er immer wieder unerwähnt. Seine Empörung richtete sich einzig gegen Israel und nicht etwa die Hamas-Terroristen, die humanitäre Einrichtungen regelmäßig missbrauchen.
Auf diese Weise blieb Borrell bis zum Ende seiner Amtszeit in Israel unerwünscht. Mitte September erteilte Außenminister Israel Katz (Likud) seinem Besuchswunsch eine Absage. Daraufhin teilte Borrell dem israelischen EU-Botschafter Chaim Regev mit, dass er sich entschieden habe, nicht in das Land zu reisen.
Borrell ist der dritte in einer Reihe von EU-Außenbeauftragten, die Israel eher „kritisch“ beäugen. Schon unter der Britin Catherine Ashton (2009–2014) und der Italienerin Federica Mogherini (2013–2019) waren die Beziehungen spannungsgeladen; beide gehörten wie Borrell auf EU-Ebene den Sozialdemokraten an.
Der Verband Europäischer Juden sah sich daher veranlasst, den EU-Rat aufzufordern, die Amtsnachfolge Borrells „sorgfältig zu prüfen“. Dessen Wahl fiel auf die 47-jährige Kaja Kallas von den Liberalen. EU-Außenbeauftragte unterliegen zwar dem Willen und den Beschlüssen der EU-Außenminister; dennoch hat die ehemalige estnische Premierministerin ab Dezember die Möglichkeit, für einen anderen Ton mit Blick auf Israel zu sorgen.
3 Antworten
Josep Borrell: In Israel unerwünscht. Ja, richtig. Josep Borrell, gehe nach Hause!
Spätestens seit seinem Vorschlag, den Dialog mit Israel auszusetzen, ist Borell bei mir unten durch. Ein zerschnittenes Tischtuch lädt nicht zu gemeinsames Essen ein. Er möge bleiben wo der Pfeffer wächst. Seine feindliche Haltung Israels gegenüber macht sein Scheiden erwartungsvoll auf Kaja Kallas.
Es ist unglaublich, wie ungeschickt die EU mit der Auswahl ihrer Auslandsbeauftragten ist ! Ich erinnere mich an Lady Sowieso (damals waren die Briten noch dabei), die das Kunststück fertig brachte, bei einer Veranstaltung zum Gedenken an die Befreiung von Ausschwitz nicht einmal das Wort Jude oder jüdisch zu gebrauchen. Borrell hat das noch getoppt. Ich hoffe sehr auf Frau Kallas, von der ich bislang einige sehr vernünftige Aussagen gelesen haben. Schabbath Schalom an alle – jüdischen und sonstigen – Freunde Israels.