Suche
Close this search box.

Johannes-Rau-Stipendium: Schüler entdecken Israel

Schüleraustausch in Israel: 40 Schüler aus Deutschland haben im Frühling als erste Johannes-Rau-Stipendiaten Israel besucht. Bislang waren bei dem Programm nur Israelis nach Deutschland gekommen. 20 der deutschen Teilnehmer nehmen im Herbst einen Gast aus Israel auf. Mit dabei war Annalena Holtgrefe, 18 Jahre, aus Gießen. Für Israelnetz schildert sie ihre Eindrücke.
Die Stipendiaten der Johannes-Rau-Siftung auf der begehbaren Stadtmauer der Jerusalemer Altstadt.

Das Abenteuer begann in Berlin. Einen Tag vor der Abreise am 28. April trafen sich die 40 Schüler und die fünf begleitenden Lehrer in einem Hotel. Beim Eröffnungsmeeting gab uns der neue Botschafter Israels in Deutschland, Yakov Hadas-Handelsman, Tipps bezüglich unseres Verhaltens und der Sicherheit. Er stellte uns Israel aus kultureller Sicht kurz vor.

In Israel angekommen, waren wir Johannes-Rau-Stipendiaten zunächst in Gastfamilien in Ramat Gan, Rischon LeZion, Modi‘in und HaKfar HaJarok untergebracht. Dort nahmen wir jeweils mit unseren Partnern am Schulunterricht teil und bekamen so einen kleinen Einblick in den israelischen Alltag. Die israelischen Gastschüler haben sich viel Mühe gegeben, uns einen positiven Eindruck der Jugendkultur, des Schullebens, der Freizeitbeschäftigung und der Abendgestaltung zu vermitteln.
Gespräch schlägt Brücke zu israelischen Soldaten
Nach zwei schönen, aber kurzen Tagen bei den Gastfamilien trafen sich die 40 Deutschen in Jerusalem. Dort waren wir für vier Nächte in einer Jugendherberge nahe Yad Vashem untergebracht. Yad Vashem stellt für die Israelis die bedeutendste Gedenkstätte zur Erinnerung an die Judenvernichtung im Nationalsozialismus dar. Es war ein sehr emotionaler Besuch – die Stimmung, vorher noch laut und voller Gelächter, war danach nachdenklich und betrübt. Zu diesem Zeitpunkt hatten auch die neuen Rekruten des israelischen Militärs ihren Aktionstag. Auf deren Programm stand ebenfalls der Besuch in Yad Vashem. Die israelischen Jugendlichen hatten keine Scheu, die deutschen Stipendiaten nach ihrer Herkunft und dem Grund ihres Aufenthaltes zu fragen. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns aus. Während der Führung durch Yad Vashem wurden wir deutschen Stipendiaten zunehmend beschämter und stiller.
An einer Station wurden Videoausschnitte von einer Hitler-Rede gezeigt. Einige der Soldaten fragten uns, was in diesem Video gesagt wird. Keiner traute sich zu antworten, aus Angst, von den jungen Soldaten angeblafft zu werden auf Grund seiner Herkunft. Doch die jungen Soldaten gingen ohne Vorbehalt auf uns zu und sagten, dass wir uns nicht schämen müssten – wir könnten nichts für das, was damals zur Zeit des Nationalsozialismus passiert ist. In diesem Moment hat sich für viele von uns symbolisch eine Brücke zu den israelischen Soldaten gebaut. Sie basiert auf Vertrauen und einer jungen Freundschaft.
Gemeinsam mit den israelischen Schülern besuchten die Deutschen die Knesset. Danach war ein Empfang mit dem Pressesprecher des israelischen Botschafters Hadas-Handelsman im Außenministerium. Sie konnten dem Sprecher zu jedem Thema Fragen stellen. Die meisten hatten jedoch den Eindruck, dass entgegen seiner anfänglichen Aussage nicht jede Frage gewissenhaft beantwortet wurde. Er wich Fragen zum Thema Siedlungspolitik und Atompolitik aus. Im Anschluss daran mussten sich die deutschen Stipendiaten von ihren neuen israelischen Freunden verabschieden, denn ein weiteres Treffen war nicht geplant.
Am Abend besuchte uns Grisha Alroi-Arloser, der Bundesgeschäftsführer der Deutsch-Israelischen Wirtschaftsvereinigung. Er hatte mit uns eine Diskussion geplant. Ursprünglich wollte er über die deutsche und israelische Jugendkultur reden, doch dann erzählte er uns von einer Meldung, die ihn am Mittag erreicht hatte. Es ging um einen Konflikt zwischen einem deutschen Firmenchef und einer israelischen Kundin, im Zusammenhang mit einem stornierten Geschäftsauftrag. Die Dame hatte in Deutschland bei einer Messe einer Firma einen Auftrag gegeben, den sie aus technischen Gründen nicht bezahlen konnte. Die Israelin erhielt darauf hin eine E-Mail vom Firmeninhaber mit äußerst antisemitischen und rassistischen Aussagen. „Sind Sie eine Geschäftsfrau oder sind sie eine jüdische Lügnerin?“, hieß es in dem Schreiben. Die israelische Geschäftsfrau wandte sich an Alroi-Arloser und fragte ihn um Rat. Nach der Schilderung dieses Falles sprachen wir über das Thema und diskutierten eine lange Zeit über Antisemitismus in Deutschland und das Problem dahinter. Es ging um erschreckendes Fehl- oder Halbwissen vieler Jugendlicher über das Judentum, über Israel und bis hin zum Rassismus allgemein. Mittlerweile hat sich die deutsche Firma für den Vorfall entschuldigt.
Jerusalem in unterschiedlichen Facetten
Tags darauf nahmen wir an einer Führung durch die Jerusalemer Altstadt teil, die mit dem Gang auf der Stadtmauer begann. Die Altstadt hat acht Eingangstore, durch das Löwentor gelangten wir in die Stadt. Die Via Dolorosa („Leidensweg“) führte uns zur Grabeskirche, die mit ihrer Pracht an Schmuck und Verzierungen sehr eindrücklich auf uns wirkte. Des Weiteren besichtigten wir die Klagemauer und die Hurva-Synagoge. Mit dem Gang durch das Jaffator war der Besuch der Altstadt vorbei.
Anschließend gab es noch ein bisschen Zeit, auf eigene Faust eine typische Markthalle mit angrenzendem Basar zu besichtigen. Drinnen reihte sich ein Fischstand an den anderen und der Geruch war sehr beißend. Die hohen Gewürztürme mancher Läden haben uns hingegen echt beeindruckt. Sie hatten die verschiedensten Farben und Gerüche.
Mit dem Bus fuhren die Schüler zurück nach Tel Aviv. Dort besuchten sie das Diaspora-Museum. Dort wird die Geschichte der Jüdischen Gemeinde von der Zeit des Babylonischen Exils bis in die Gegenwart in einer sehr eindrücklichen Darstellung beschrieben.
Mein persönlicher Höhepunkt war aber ein Tagesausflug an das Tote Meer. Ich konnte mir bis dato noch nicht vorstellen wie sich das Schwimmen im Toten Meer anfühlt, und auch die Anderen waren sehr gespannt. Unterwegs durchwanderten wir die wasserreiche En Gedi-Oase, die am Westufer des Toten Meeres liegt. Auch die antike jüdische Festung Massada besichtigten wir. Im Anschluss daran konnten wir uns im Toten Meer treiben lassen. Um im Wasser voranzukommen, muss man versuchen, sich wie ein Hund fortzubewegen, denn schwimmen funktioniert nicht. Das war ein Erlebnis wert.
Eine kleine Überraschung gab es noch auf dem Rückflug: Nach der Landung in Berlin durften wir nicht sofort aussteigen, denn der israelische Außenminister Avigdor Lieberman saß noch im Flugzeug. Eine große Polizeieskorte holte ihn ab. Nach dieser Prozedur konnten sie endlich das Flugzeug verlassen. Am nächsten Morgen sind wir alle in unsere Heimatstädte zurückgefahren.
In Israel konnte ich persönlich sehr viele positive Erfahrungen sammeln. Ich habe mich wohl gefühlt, denn die Menschen, die ich dort kennenlernen durfte, sind mir mit einer freundlichen sympathischen Offenheit gegenübergetreten, die mich beeindruckt hat. Auch das Essen war ein Genuss. In Israel wird hauptsächlich das gegessen, was in dem Land wächst. Es ist somit nachhaltiger als zum Beispiel bei uns in Deutschland.
Hintergrund zum Stipendium
Das Johannes-Rau-Stipendium geht von der gleichnamigen Stiftung aus. Mit dem Stipendium kommen seit 2000 jedes Jahr 20 israelische Jugendliche zwischen 16 und 19 Jahren für zwei Wochen nach Deutschland. In der ersten Woche sind sie alle noch im Land quer verstreut bei ihren durch die Stiftung ausgesuchten Gastfamilien. Mit ihnen gemeinsam erleben sie den Schulalltag und tauchen für eine Woche in einen deutschen Haushalt ein. Die zweite Woche wird in Berlin verbracht. Der Israeli und sein deutscher Gastpartner fahren gemeinsam in die Bundeshauptstadt, wo sie auch auf die restlichen Teilnehmer treffen. Das Auswärtige Amt stellt der 40-köpfigen Gruppe ein dichtes Programm zur Verfügung. Sehenswürdigkeiten wie der Bundestag und das Brandenburger Tor werden gemeinsam besichtigt. Aber auch Diskussions- und Gesprächsrunden stehen auf dem Programm.
Die Auswahl der israelischen Stipendiaten erfolgt über die deutsche Botschaft in Tel Aviv. Die Bewerber müssen einen Aufsatz zu einem vorgegebenen Thema verfassen und neun Fragen zu Deutschland beantworten. Das Programm in Deutschland wird vom Pädagogischen Austauschdienst (PAD) mit Unterstützung vom Auswärtigen Amt organisiert.
Im Zentrum des Studienprogrammes steht die Verbesserung des Deutschlandbildes israelischer Jugendlicher. Ziel ist es auch, zwei Jugendkulturen aufeinander treffen zu lassen, die sich sonst nicht begegnen würden – in diesem Jahr auch erstmals in Israel.

Bitte beachten Sie unsere Kommentar-Richtlinien

Schreiben Sie einen Kommentar

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

Israelnetz-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen