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Ist das „Erbteil Abrahams“ „Verheißenes Land“?

Anfang Mai 2013 legte der „Rat für Kirche und Gesellschaft“ der reformierten „Kirche von Schottland“ einen „Bericht“ über die Lage in Israel und den Palästinensischen Gebieten vor: „Das Erbe Abrahams? Ein Bericht über das ‚Verheißene Land‘“.
Die schottische St. Andrews Church in Jerusalem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem Zentrum für palästinensische Propaganda gewandelt.

Schon die Überschrift gibt zu denken: Wird mit dem Fragezeichen nach der Aussage „The Inheritance of Abraham?“ das Erbteil Abrahams in Frage gestellt? Bislang hat nicht einmal der Islam das Erbe Abrahams in Frage gestellt. Das Wort „Report“ erweckt den Anschein eines objektiven Berichts. Und schließlich ist „Promised Land“ in Anführungszeichen gesetzt. Was soll damit angedeutet werden?

Der „Bericht“

Bereits in der Einleitung empfiehlt die Kirche von Schottland ihren Mitgliedern, christlichen Zionismus abzulehnen. Sie beklagt die politische und humanitäre Situation im Heiligen Land „als Quelle des Schmerzes und der Sorge für uns alle“, um dann festzustellen: „Die unter Juden und Christen weitverbreitete Annahme, die Bibel unterstütze einen jüdischen Staat Israel, ist umstritten“.
Im Hauptteil erörtert das Papier drei Möglichkeiten, die Landverheißungen der Bibel zu verstehen:
Erstens: „als territoriale Garantie“, also als bedingungslose, wörtlich zu verstehende Zusage einer Landfläche an die Israeliten. In der Folge wird gefragt: „Kann die Staatsgründung Israels mit der Vertreibung von 750.000 Palästinensern als Wunder bezeichnet werden?“ Und: „Wie können Christen die Verletzung von Menschenrechten mit angeblich von Gott verliehenen Landrechten rechtfertigen?“
Zweitens: Das Land sei „als anvertrautes Lehen“ zu sehen. Das Land werde dem jüdischen Volk nur bedingt anvertraut, wobei das Befolgen der Gebote Gottes zu sozialer Gerechtigkeit von alles entscheidender Bedeutung sei. Daraus folgt die Frage: „Hätte das jüdische Volk heute einen faireren Anspruch auf das Land, wenn es mit den Palästinensern gerechter umgegangen wäre?“ Das Kapitel schließt mit der Feststellung: „Die gegenwärtige unmoralische, ungerechte Behandlung des palästinensischen Volkes ist unhaltbar!“
Drittens: Die Landverheißungen könnten „als universale Mission“ verstanden werden. Dabei ersparen sich die schottischen Theologen jede Frage und konstatieren: „Das Neue Testament enthält eine radikale Neuinterpretation der Konzepte ‚Israel‘, ‚Tempel‘, ‚Jerusalem‘ und ‚Land‘.“ Jesus habe radikal die jüdische Exklusivität kritisiert. Gott sei nun präsent, wo sich Menschen im Namen Jesu versammeln. Die Abrahamsverheißung werde durch Jesus und nicht durch die Wiederherstellung des jüdischen Volkes im Land erfüllt. In der Konsequenz heißt es: „Die Landverheißungen an Israel wollten niemals wörtlich verstanden werden.“
Als Schlussfolgerung empfiehlt der schottische Rat für Kirche und Gesellschaft, Christen sollten niemals Ansprüche des jüdischen Volkes auf ein bestimmtes Land als göttliches Recht unterstützen. Versöhnung sei nur möglich, wenn die israelische Militärbesatzung des Westjordanlandes, Ostjerusalems und die Blockade des Gazastreifens beendet werde. Israelische Siedlungen im Westjordanland und in Ostjerusalem seien illegal. Und die Kirche von Schottland solle sowohl die britische Regierung als auch die internationale Gemeinschaft drängen, Druck auf Israel auszuüben, den Siedlungsausbau einzustellen. Besonders plagt die schottischen Christen die Ungleichheit der Machtverteilung im Nahen Osten.

Reaktionen

Noch bevor die Generalversammlung der Church of Scotland den Bericht verabschieden konnte, kam es jüdischerseits zu empörten Reaktionen.
Ephraim Borowski, Direktor des schottischen Rates jüdischer Gemeinden, hält den Bericht für „einseitig, schwach belegt und widersprüchlich“. Er lese sich „wie eine Polemik gegen Juden und das Judentum aus der Zeit der Inquisition“. Die Church of Scotland wende dem christlich-jüdischen Dialog den Rücken zu. Der christlich-jüdische Dialog nach dem Holocaust sei gar „eine moralische und intellektuelle Zeitverschwendung“ gewesen. „Die Arroganz, die dem jüdischen Volk vorschreibt, wie jüdische Texte und jüdische Geschichte zu verstehen sind“, bezeichnet er als „atemberaubend“.
Daniel Taub, Israels Botschafter im Vereinigten Königreich, bemängelt: „Dieser Bericht spielt in die Hände extremistischer politischer Positionen und leugnet auf verletzende Weise die tiefe Verbindung von Juden mit dem Land Israel.“
Abraham H. Foxman, Direktor der Anti-Defamation League (ADL) in New York, hält den Bericht für „atemberaubend beleidigend“ (“stunningly offensive”). Die schottische Kirche leugne „die grundlegenden Glaubenselemente des Judentums zum Land Israel und dem jüdischen Volk“. Der Report vertrete religiöse Prinzipien, die Jahrhunderte lang „die brutale Unterdrückung von Juden gerechtfertigt“ hätten.
Die Internationale Messianisch-Jüdische Allianz (IMJA), die Messianisch-Jüdische Allianz Amerikas (MJAA), die Union messianisch-jüdischer Gemeinden (UMJC), die Internationale Allianz messianischer Gemeinden und Synagogen (IAMCS) sowie die Britische Messianisch-Jüdische Allianz (BMJA) betonen in einem gemeinsamen offenen Brief an die Church of Scotland: christlicher Antisemitismus habe immer das Muster von Verunglimpfung, Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Volkes gezeigt, was zur Rechtfertigung von Verfolgungen und Boykottaufrufen geführt habe.
Die messianischen Juden aus Nordamerika und Großbritannien – übrigens bis dato die einzige kritische Stimme aus dem Spektrum der Christus-gläubigen Menschheit – werfen der Kirche von Schottland vor, eindeutige Aussagen der Heiligen Schrift zugunsten einer aus dem Kontext gerissenen und einseitigen Theologie zu ignorieren. So seien prophetische Verheißungen an das Volk Israel zum Land Israel für ungültig erklärt worden. Eine verzerrte Darstellung des Zionismus und der Geschichte des Staates Israel unterstütze radikal-arabische Positionen, wonach der gesamte Staat Israel „besetztes Gebiet“ sei.
Das schottische Dokument redet tatsächlich durchgehend von „Occupied Palestinian Territory“ im Singular – im Gegensatz zu „besetzten Palästinensergebieten“ im Plural, wie sonst üblich. An einer Stelle ist freilich das gebräuchliche „Territories“ entschlüpft, was in der Revision flux in „Territory“ revidiert worden ist. Gleichzeitig wurde eine Aussage über „identifiable territorial area [Gebiet, im Singular!] for the Israelites“ in „areas“ [Gebiete, im Plural!] verändert. Warum?
Der neokonservative jüdische Amerikaner Dennis Prager bezeichnet das Papier aus Schottland in der „Jewish World Review“ als „Kombination von mittelalterlichem christlichem Anti-Judaismus und zeitgenössischem linkem Anti-Zionismus“. Selbst „während der schlimmsten Ausschreitungen des christlichen Antisemitismus im Mittelalter“ habe keine Kirche erklärt, „dass ‚Israel‘, ‚der Tempel‘, ‚Jerusalem‘ und ‚das Land‘ nicht mehr bedeuten oder niemals bedeutet hätten, was sie tatsächlich repräsentieren“. „Diese Behauptung“, so Prager, sei „nicht nur profund antisemitisch. Das ist ein Akt theologischer Fälschung. Es verhöhnt die Bibel als zusammenhängendes Dokument und erklärt das Christentum für inhärent antisemitisch“. Bei dem Bericht der Church of Scotland gehe es nicht um Kritik an Israel; es gehe darum, das jüdische Volk und seinen Staat zu delegitimieren.

Die Revision des Berichts

Die Schotten reagierten umgehend auf die vernichtende Kritik, gaben zu, dass „ein Teil der Sprache in Teilen der jüdischen Gemeinschaft für Unruhe gesorgt“ habe – wohlgemerkt: „Ein Teil der Sprache“, nicht der Inhalt! „Einige der Worte, die wir gewählt hatten, mögen missverstanden worden sein“, ist in der Einleitung einer revidierten Version des Dokuments „Das Erbe Abrahams? Ein Bericht über das ‚Verheißene Land‘“ zu lesen, das mittlerweile überall die ursprüngliche Version im Internet ersetzt hat.
Die schottischen Presbyterianer begrüßen ausdrücklich den Dialog mit den Juden Großbritanniens. Für die sei das Land Israel „verständlicherweise besonders“ und „könnte zum Selbstverständnis gehören“ – man beachte den Konjunktiv! Der revidierte Bericht unterstreicht mit üblichen Floskeln das Existenzrecht des Staates Israel – fordert aber im selben Atemzug die Gründung eines palästinensischen Staates. Er verurteilt Antisemitismus und gleichzeitig Islamophobie. Unübersehbar ist das Bemühen, penibel Äquidistanz zu wahren.
Der Satz „Es gab eine weitverbreitete Annahme unter vielen Christen wie unter vielen Juden, dass die Bibel grundsätzlich einen jüdischen Staat Israel unterstützt“ wird ersatzlos gestrichen. Dafür wird mehr Nachdruck auf „unsere Erkenntnis“ gelegt und betont: „Wir anerkennen, dass es unterschiedliche und manchmal widersprüchliche Auslegungen der Schrift geben kann“.
In der ursprünglichen Version wird behauptet, dass der Zionismus eine bedingungslose Landverheißung an Israel vertrete, mit dem Zusatz „‚Die Bibel ist unser Mandat‘, erklärte David Ben-Gurion, der berühmteste zionistische Politiker des 20. Jahrhunderts, der königlichen Kommission unter Lord Peel im Jahre 1936. Das visionäre geografische Konzept eines Erez Israel HaSchlema (vom Nil bis an den Euphrat) war grundlegend für Ben-Gurions Ideologie.“ ersetzt die Revision durch die Erklärung zur „bedingungslosen Landverheißung“: „Diese Interpretation reflektiert ein paar entscheidende Aspekte zeitgenössischer zionistischer Positionen“.
Die Autoren des Reports haben hier nicht nur sensibler formuliert! Es fragt sich, ob Ben-Gurion jemals ein Großisrael vom Nil bis an den Euphrat angestrebt hat, wie ihm die schottische Kirche zunächst unterstellt hat.
Gleiches gilt für eine weitere ersatzlose Streichung: „Der Staat Israel war immer eine ethnische Demokratie. Unter Ben-Gurion, dem ersten Premierminister und Verteidigungsminister, musste die arabische Minderheit separat unter jüdischer Herrschaft leben.“
Die Behauptung in der ersten Version, wonach die in der Unabhängigkeitserklärung Israels geforderte Gleichheit aller Bürger seinen ethno-nationalen, zionistischen Zielen widerspreche, lautet nun im revidierten Report: „Diese formale Akzeptanz der Gleichheit aller Bürger schuf von Anfang an eine potentielle Spannung mit Einigen, die ein ethno-nationalistisches Verständnis des Zionismus hatten. In manchen Fällen hat das zu einer Einschränkung bürgerlicher Freiheiten geführt.“ Auch hier wurde die Darstellung des Zionismus geändert und nicht nur umformuliert.
Ersatzlos gestrichen wurde der Satz: „Es gibt die Überzeugung unter manchen jüdischen Menschen, sie hätten ein Recht auf das Land Israel als Wiedergutmachung für das, was sie im Holocaust erlitten haben.“
Der Aussage: „Es muss anerkannt werden, dass die Enormität des Holocausts oft die Überzeugung untermauert hat, Israel hätte ein bedingungsloses Recht auf das Land.“ wurde abmildernd hinzugefügt: „zumindest in manchen westlichen Kreisen“.
Auch die ersatzlose Streichung des Satzes, dass die Abrahamsverheißung „nicht durch die Wiederherstellung des Landes für das jüdische Volk“ erfüllt worden sei, ist mehr als nur eine bloße Umformulierung.
Der Satz „Landverheißungen für Israel waren nie dazu gedacht, wörtlich verstanden zu werden.“ wurde ersetzt durch „Für Christen im 21. Jahrhundert sollten Versprechen im Blick auf das Land Israel nicht wörtlich verstanden werden.“
Die Liste ließe sich fortsetzen.

Zugeständnis bei Jahreszahlen?

Dass bei Zeitangaben “BC” (“Before Christ” – “vor Christus”) in “BCE” (“Before common era” – “vor der heutigen Zeitrechnung”) und “AD” (“Anno domini” – “Jahr des Herrn”) in “CE” (“Common era” – “heutige Zeitrechnung”) abgeändert wurde, könnte man schon eher als im Blick auf jüdische Sensibilitäten umformuliert betrachten. In einem dezidiert kirchlichen Papier mutet es allerdings eher eigenartig an, dass man nicht bereit zu sein scheint, dem jüdischen Volk seine Hoffnung auf eine Rückkehr in das von Gott verheißene Land ohne den Gebrauch von Konjunktiven und den Verweis auf unterschiedliche Schriftverständnisse zuzugestehen – gleichzeitig aber kommentarlos den Verweis unserer Zeitrechnung vom Tag der Beschneidung des Juden Jesus an zu verwässern, beziehungsweise den Namen des Christus zu löschen bereit ist. Sind christliche Kirchen heute tatsächlich schon wieder so weit, dass sie um ihrer Judenfeindschaft willen bereit sind, den jüdischen Erlöser zu negieren?
Eigenartig mutet bei biblischen Aussagen die Einfügung an, was diese „für Christen“ bedeuten, was „Christen glauben“, was Christen durch „unser Lesen und unsere Interpretation des Neuen Testaments“ verstehen. Gleichzeitig wird da „anerkannt“, dass eine jüdisch theologische Interpretation nicht so weit gehen könne wie eine christliche. Beim Gespräch bibeltreuer Christen und torahgläubiger Juden stehen beide unter der Autorität des schriftlich verfassten Gotteswortes. Gemeinsam vernimmt man die Stimme des einen, wahren Gottes. Das schottische Kirchenpapier jedoch steuert in Richtung einer hermeneutischen Beliebigkeit, die jedes fruchtbare Gespräch zwischen Juden und Christen, die ihren jeweiligen Glauben und ihre Heilige Schrift ernst nehmen, unmöglich macht.
In der Revision wird die universelle Perspektive, die Juden und Nichtjuden im Land Israel vereinigt und das Heil für die gesamte Menschheit im Blick hat, als Proprium christlicher Theologie dargestellt. Doch das ist schlicht falsch. Die universelle Perspektive ist bereits in der Verheißung Gottes an Abram expressis verbis enthalten. Die „alt“testamentliche Schöpfungsgeschichte mit ihrem Nachdruck auf die Abstammung aller Menschen von ein und demselben Menschenpaar entzieht jedem rassistischen Partikularismus den Boden.
Der erste Befehl Gottes an Abraham (Genesis 12,1-3) stellt die Beziehung zwischen Gott und Mensch über die nationale Identität des Menschen („geh aus dem Haus deines Vaters“) und die Vaterlandsliebe („geh aus deinem Vaterland“). Nach biblischem Zeugnis hat Gott Abram exklusiv erwählt, gerade weil er durch ihn „alle Familien des Erdbodens segnen“ will. Das bedeutet aber: Wer die Exklusivität der Erwählung Abrahams und seiner Nachkommenschaft über Isaak und Jakob – im ausdrücklich betonten Gegensatz zu Ismael und Esau! – in Frage stellt, der stellt Gottes Plan des Segens für die ganze Menschheit in Frage.

Deutliche Mehrheit

In der vorletzten Maiwoche wurde die revidierte Version des Berichts mit überwältigender Mehrheit von den 850 Abgeordneten der Generalversammlung der Kirche von Schottland verabschiedet.
Jitzchak Santis vom rechtsgerichteten israelischen NGO-Monitor kommentierte: „Die revidierte Version des Berichts ist derselbe verdorbene Wein in neuen Flaschen. Es gab kein Missverstehen der kirchlichen Botschaft: Sie war aggressiv und beleidigend!“
Aus christlicher Sicht muss erschrecken, dass die schottische Kirche ausgerechnet im Mai 2013 kein schlimmeres Übel zu kritisieren weiß, als den einzigen Staat im Nahen Osten, in dem echte Religionsfreiheit für Christen herrscht, und die absolute Anzahl der Christen im vergangenen halben Jahrhundert nachweislich zugenommen hat. In allen anderen Ländern des Orients kämpft die Christenheit um ihr nacktes Überleben. Die israelische Besatzung anzuprangern, ohne auch nur ein Wort über die Lage der Christen im Nordafrika und Nahen Osten des „arabischen Frühlings“ zu verlieren, ist schlicht Heuchelei.

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