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Israels Sicherheitslage: „Äußerst angenehm“

Als "äußerst angenehm" beurteilt der israelische General Amos Gilad die Sicherheitslage Israels und bezeichnet sie als "präzedenzlos" in der Geschichte des jüdischen Staates. "Wir haben den Terror in unseren Stadtzentren erfolgreich geschlagen. Die sicherheitstechnische Kooperation mit unseren Nachbarn stimmt. Unsere Sicherheitskräfte haben exzellente Fähigkeiten." Im Blick auf den Iran stehe die Welt geeint und rede mit einer Stimme.

Eine derart traumhafte Analyse der Sicherheitslage Israels sollte eigentlich niemand ausformulieren. Pro-israelische Hilfswerke nicht, weil niemand mehr helfen will, wenn es gut geht. Israelische Militärs nicht, weil das angesichts der weltweit angespannten Finanzlage Einbußen in ihrem Haushalt nach sich ziehen könnte. Politiker nicht, weil sie als Opposition per Definition unzufrieden zu sein haben, und auch in Regierungsverantwortung ein "Es geht uns sehr gut!" irgendwie nicht gut klingt. Und auch Journalisten nicht, weil aus medienwirtschaftlicher Sicht nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind.

Doch der das sagt, ist kein anderer als Brigadegeneral der Reserve Amos Gilad, der nicht als Schönwetterprophet bekannt ist. Im israelischen Verteidigungsministerium ist er als Direktor für die Abteilung für militärstrategische und politische Angelegenheiten zuständig. Er war Sprecher der israelischen Armee, Chef der Forschungsabteilung des militärischen Nachrichtendienstes, Koordinator des Verteidigungsministeriums für die besetzten Gebiete und wurde in den vergangenen Jahren vor allem als Unterhändler in Sachen entführte Soldaten bekannt.

Amos Gilad gilt im Verhältnis zu Israels arabischen Nachbarn als "Ultra-Falke". Israelische Analysten werfen ihm vor, während der gesamten Zweiten Intifada Öl ins Feuer der israelischen Politik gegossen zu haben. Schon während der Friedensverhandlungen im Sommer 2000 in Camp David habe er Arafat vorgeworfen, durch einen Palästinenseraufstand die Zerstörung Israels voranzutreiben. Fast alle israelisch-arabischen Abkommen der vergangenen zwei Jahrzehnte tragen seine Fingerabdrücke. Nur schwer kann sich der General, der sich noch nie einer Wahl stellen musste, des Vorwurfs erwehren, er habe das Schicksal seines Landes unverhältnismäßig stark beeinflusst.

"Die Sicherheitskooperation mit dem Haschemitischen Königreich Jordanien und der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah ist hervorragend", urteilt der Mann, der schon in Auftreten und Ausdrucksweise den ganzen Charme des israelischen Sicherheitsapparats verströmt. Schnell fügt er hinzu: "Das tun sie nicht für uns. Sie tun überhaupt nichts für uns. Unsere arabischen Partner vertreten ihre eigenen Interessen!" Offensichtlich ist ihm bekannt, wie heikel in der arabischen Welt Kollaboration mit Juden beurteilt wird. Im Falle Ägyptens, wo in Folge des "arabischen Frühlings" Islamisten die Zweidrittelmehrheit im Parlament errungen haben, will er nicht einmal von "Kooperation" reden: "Die wissen einfach nur, was gut für sie ist."

Die hervorragende Zusammenarbeit zwischen israelischen und palästinensischen Sicherheitskräften im Westjordanland ist dem gemeinsamen Feind, der Hamas, dem palästinensischen Flügel der Muslimbrüder, zugute zu halten. "Es gibt verborgene Spielregeln", deutet der erfahrene Unterhändler an, der nicht müde wird zu wiederholen: "Jeder Friede ist besser als jeder Krieg! Sogar ein kalter Friede oder auch ein orientalischer Friede."

In Richtung seiner Zuhörer von der ägyptischen Botschaft, die er offensichtlich aufgrund jahrelanger Verhandlungserfahrungen sehr gut persönlich zu kennen scheint, meint er: "Ich kann mir keinen Frieden im Nahen Osten vorstellen, ohne die Führungsrolle Ägyptens." Und: "Wir verlassen uns völlig auf die ägyptische Armee und vertrauen ihren Fähigkeiten."

Die schlechte Nachricht im Frühlingsszenario von General Gilad ist die Möglichkeit eines nuklearen Iran. Stolz verweist er auf seine entscheidende Rolle als Geheimdienstler, als Israel bereits Mitte der 1990er Jahre die Bedrohung durch einen nuklear hochgerüsteten Iran identifizierte und beim Namen zu nennen wagte: "Damals hatten die Iraner noch keine einzige Rakete, die Israel hätte erreichen können." Heute träumen sie, das weiß Gilad, nicht nur von einer Rolle als regionale Supermacht, sondern haben auch "fünfeinhalb Tonnen auf bis zu 20 Prozent angereichertes Uran" und "Raketen mit einer Reichweite von mindestens 2.200 Kilometern". "Die Bombe ist keine Frage ihrer Fähigkeiten", bescheinigt der israelische Sicherheitsexperte den Mullahs von Teheran, "sondern einzig eine Frage ihrer Entscheidung."

Nach Einschätzung des israelischen Sicherheitsapparats ist Ajatollah Ali Chamenei der eigentliche Machthaber im Iran. Und der "verlässt sich nur auf brutale Gewalt". Nicht Präsident Mahmud Ahmadinedschad sei es, der die Entscheidungen treffe, sondern die religiösen Führer. Indirekt bescheinigt Gilad dem Regime im Iran Rationalität, wenn er meint: "Abschreckung ist das Entscheidende, das die iranische Führung heute davon abhält, eine Entscheidung zum Bau einer Atombombe zu treffen."

"Kein arabischer Staat toleriert einen nuklearen Iran"

Für europäische Ohren erstaunlich positiv bewertet er die Wirtschaftssanktionen und die Einheit der westlichen Welt gegenüber den nuklearen Ambitionen Teherans. Ganz offensichtlich habe die Iraner schockiert, wie viel man im Westen über ihre geheimsten Projekte wisse. Als wichtigen Faktor sieht Amos Gilad die Feindschaft der sunnitschen Araber, allen voran Saudi-Arabiens, gegenüber einem Iran unter den radikal-schiitischen Ajatollahs: "Ich kann mir keinen arabischen Staat vorstellen, der einen nuklearen Iran tolerieren könnte." Ähnliches gilt für die Türkei, die "seit fünftausend Jahren" eine Konkurrenzbeziehung zum Iran habe: "Es ist unvorstellbar, dass sich die Türken mit einer nuklearen Bewaffnung des Iran abfinden können." Die Beziehungen Israels zu Russland und China bewertet Amos Gilad aus eigener Anschauung als ausgezeichnet – wobei man bei China immer die Verpflichtungen gegenüber den amerikanischen Freunden im Auge behalte. Im Gespräch mit den russischen Freunden seien Waffenlieferungen an Syrien ein ständiges Thema. Aber: "Für Russland sind eine Million russische Juden hier in Israel ein wichtiger Faktor." Auf diesem Hintergrund bewertet Gilad die Einheit der Welt gegenüber der Herausforderung durch den Iran als "sehr ermutigend".

Indes verschließt der erfahrene Unterhändler und Militär die Augen nicht vor kommenden Herausforderungen. Illusionslos sieht er auf das Umfeld seines Landes: "Es gibt keinen Frühling in der arabischen Welt, nicht einmal im Irak". Er beobachtet, dass im Libanon trotz UNO-Resolution 1701 und internationaler Überwachung keine Waffen "geschmuggelt" werden: "Die werden ganz offen logistisch hin und her geschaufelt." "Dramatische Veränderungen", so die Einschätzung Gilads, stehen in Ägypten an, "die wir mit großer Sorge beobachten". Im Blick auf die Wahlergebnisse der vergangenen Monate meint er: "Die Muslimbrüder wiederholen zwar ständig, sie seien dem Frieden verpflichtet. Aber ihre Ideologie spricht eine andere Sprache – und sie verbergen ihre Ideologie in keiner Weise: Sie träumen von einem islamischen Nahen Osten, in dem ein jüdischer Staat Israel keinen Platz hat." Hinzu kommt, dass im Sinai kleine, aber schlagkräftige Organisationen operieren, die vom Iran gefördert werden und deren Ziel es ist, die Beziehungen zwischen Ägypten und Israel zu stören.

"Es gibt keine Absicherung für bleibende Qualität im Geheimdienst", weiß der Leiter der sicherheitspolitischen Arbeit im israelischen Verteidigungsministerium: "Es ist gefährlich im Geheimdienst, wenn man Erfolg hat und sich selbst für smart hält", fängt er offensichtlich an, aus dem Nähkästchen zu plaudern. "Aber es ist ganz natürlich: Je mehr Erfolg man hat, desto klüger und glücklicher fühlt man sich. Aber das ist sehr gefährlich. Ein guter Nachrichtendienstler muss seinen Gegner immer für klüger halten als sich selbst. Deshalb darf ich erst glücklich werden, wenn ich in den Ruhestand gehe", erklärt er sein Lachen, das wohl verschmitzt wirken soll, aber irgendwie immer hart und zynisch bleibt.

Amos Gilad erinnert daran, dass die Türkei und der Iran einmal die besten Freunde des Staates Israel waren. Was in der Türkei passiert, bezeichnet er als "große Herausforderung" und "sehr beängstigend". "Wir müssen potentielle Veränderungen verstehen, bevor sie sich vollziehen und uns darauf einstellen, bereit sein für alle vorstellbaren und nicht vorstellbaren Entwicklungen" – das schließt auch die traumhafteste Sicherheitslage des Staates Israel nie aus.

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