„Es gibt’s nichts Schlimmeres als ein leeres Haus“, beteuert eine israelische Mutter und erklärt damit, warum sie sich mit 40 für ein viertes Kind entschieden hat. Ihr Zweitjüngster ist zehn Jahre alt und an den Nachmittagen oft mit dem Fahrrad unterwegs, was beim israelischen Wetter selbstverständlich ist. Obwohl sie berufstätig ist und ohne Putzfrau auskommt, habe sie schon alle ihre Bücher gelesen. Jetzt erscheine es am sinnvollsten, ihre Zeit in ein weiteres Kind zu investieren.
Diese Einstellung ist in Israel nicht selten. Kinder sind hier willkommen. Sie werden geliebt und als Segen empfunden. Ein Kind auf die Welt zu bringen ist so normal, dass eine Frau nach der Geburt überhaupt nicht verwöhnt wird. Was im Krankenhaus den jungen Müttern geboten wird, scheint eher zur Abhärtung gedacht. Weder das Neugeborene noch die Mahlzeiten werden ans Bett gebracht. Gleich nach der Geburt heißt es Aufstehen, Baby holen, auf harten Stühlen im Speisesaal die Mahlzeiten verzehren. Duschen und Toiletten sind nicht weit, aber auch nicht im Zimmer. Während Schwangere in Deutschland in Geburtsvorbereitungskursen Entspannung lernen und genießen, hopsen die Israelinnen beim Aerobic mit ihren dicken Bäuchen herum.
Demnach müsste man annehmen, die Geburtenrate sei in Israel um einiges höher als in Deutschland, wo jede Frau im Durchschnitt 1,3 Kinder zur Welt bringt. In Israel liegt die Geburtenrate mit 2,9 Geburten pro Frau mehr als doppelt so hoch. Im Nahen Osten hat der jüdische Staat aber bei weitem die niedrigste Geburtenrate. Nur in drei Ländern außer Israel – in der Türkei, dem Libanon und in Ägypten – werden weniger als 4 Kinder pro Frau geboren. Und die höchste Geburtenrate in der Region haben die Palästinenser mit 7,9 im Gazastreifen und 5,7 Geburten pro Frau im Westjordanland.
Unter Israels Bürgern haben die arabisch-moslemischen Frauen mit 4,6 die höchste Geburtenrate, die bei jüdischen Frauen bei 2,5 liegt. Und unter der jüdischen Bevölkerung sind natürlich die orthodoxen Familien die kinderreichsten. Jüdische Mütter, die ursprünglich aus Asien oder Afrika stammen, bringen mehr Kinder auf die Welt als diejenigen, deren Familien aus Amerika oder Europa eingewandert sind.
Immerhin halten jüdische Geburten in Israel in etwa die Waage mit der Sterberate, während in manchen europäischen Ländern jedes Jahr mehr Menschen sterben als geboren werden. Aber angesichts des Wachstums auf der arabischen Seite hat Israel als jüdischer Staat ein ernsthaftes demografisches Problem. Professor Daniel J. Elasar bezeichnet es in einer demografischen Analyse als „eine der traurigsten Ironien unserer Zeit“, dass „das jüdische Volk heute inmitten einer demografischen Selbstvernichtung größten Ausmaßes“ steckt. Und das, obwohl der jüdische Staat die größte Möglichkeit für die jüdische Erneuerung in zweitausend Jahren eröffnete, nachdem im Holocaust ein Drittel des jüdischen Volkes vernichtet worden war.
(Foto: Johannes Gerloff)