JERUSALEM (inn) – Dutzende israelische Landwirte sehen einer unsicheren Zukunft entgegen. Sie wurden informiert, dass das Land, das sie seit Jahrzehnten bearbeiten, bald an Jordanien zurückgegeben werde. Dabei geht es um zwei Parzellen: Naharajim im Jordantal – im Arabischen bekannt als Baqura – und Zofar oder Ghumar, das in der Arava-Region im Süden Israels gelegen ist. Es handelt sich um insgesamt etwa 1.000 Dunam (247 Morgen). Zu diesen Enklaven gehört auch die „Insel des Friedens“, ein Park am Zusammenfluss von Jordan und Jarmuk.
Eine Sonderklausel im Friedensvertrag von 1994 zwischen den Ländern erlaubte es Israel, die Nutzung des Landes für 25 Jahre beizubehalten. Damit verbunden war die Maßgabe, dass der Pachtvertrag routinemäßig verlängert werde. Im Oktober 2018 kündigte König Abdullah II. jedoch inmitten innerer Unruhen in Jordanien Pläne zur Beendigung des Pachtvertrags an. Trotz Bemühungen der israelischen Regierung waren die Verhandlungen zur Gewährleistung des weiteren Zugangs zu den Gebieten erfolglos.
„Der Staat hat nicht für dieses Land gekämpft“
Oren Re’uveni, ein Plantagenbesitzer beim Kibbutz Aschdot Ja’akov Ihud, fünf Kilometer südlich des Sees Genezareth, gibt sich wenig optimistisch: „Ich glaube nicht, dass jemand eine Ahnung hat, was als nächstes kommt, und die Tatsache, dass es eine Übergangsregierung gibt, hilft der Situation nicht“, erklärt er mit Blick auf die Lage nach den Knessetwahlen.
Die Entscheidung Jordaniens, den Pachtvertrag nicht zu verlängern, sei in der Rückschau vorhersehbar gewesen: Jordanische Offiziere, die die Anlage bewachten, hätten den israelischen Bauern und ihren Arbeitern den Zugang zu dem Land verweigert. „Damals dachten wir einfach, die Jordanier würden ihre Muskeln spielen lassen. Wir wussten nicht, dass sie die Rückgabe des Landes verlangen würden. Im Nachhinein kann ich sagen, dass sie die Grundlagen dafür gelegt haben“, sagt Re’uveni.
Die lokalen Bauern hätten wegen der ungewissen Zukunft seit mehreren Jahren nur pflegeleichte Kulturen in Naharajim angebaut. „All die Jahre wussten wir, dass dieser Bereich eine politische Bedeutung hat, die weit über die Landwirtschaft hinausgeht, weshalb Israel ihn behalten musste. Plötzlich änderte die Regierung die Richtung komplett. Wir dachten, dass jetzt, da die Jordanier mehr Wasser aus Israel bekommen haben, das Problem gelöst sein würde, aber der Staat hat nicht für dieses Land gekämpft“, sagte er.
Israel hat sich im Rahmen des Friedensvertrags bereit erklärt, Jordanien, das unter einer Wasserkrise leidet, mit 45 Millionen Kubikmetern Wasser pro Jahr zu versorgen. In den letzten Jahren wurde diese Menge auf 55 Millionen Kubikmeter Wasser erhöht. Angesichts der wachsenden Herausforderung, Flüchtlinge des Bürgerkriegs in Syrien aufzunehmen, hat Amman 2018 erneut an Israel appelliert, die Jahresquote auf 100 Millionen Kubikmeter zu erhöhen.
Politische Spiele denkbar
Der Leiter des Regionalrats des Jordantals, Idan Greenbaum, sieht ebenfalls wenig Grund für Optimismus: „Es gibt Gespräche mit den Jordaniern und wir hoffen, eine Einigung zu erzielen. Das israelische Außenministerium arbeitet mit dem jordanischen zusammen, und der Nationale Sicherheitsrat ist ebenfalls mit Amman im Gespräch, aber im Moment glaube ich nicht, dass die Erfolgsaussichten hoch sind.“ Weiter sagt er: „Es wäre bedauerlich, wenn das Land, das seit über 70 Jahren von den Aschdot-Kibbutzim bewirtschaftet wird, an die Jordanier abgetreten wird. Und es widerspricht dem Geist des Friedensvertrages zwischen König Hussein und Jitzchak Rabin. Wir sind mit diesem Land verbunden. In den härteren Zeiten der Vergangenheit gaben die Menschen ihr Leben, um dieses Land weiter zu bearbeiten“
Laut Greenbaum ist die jordanische Entscheidung ein Versuch, Israel in anderen Fragen unter Druck zu setzen, wie zum Beispiel der Erhöhung der jährlichen Wasserzuteilung. Israel hat auch ein gemeinsames Projekt mit Jordanien in die Länge gezogen: den Bau eines Kanals vom Roten Meer zum Toten Meer. Das Abkommen über den Kanal wurde 2013 unterzeichnet. Der Kanal soll dazu beitragen, die Wasserknappheit in Jordanien zu lindern und gleichzeitig das schrumpfende Tote Meer wieder aufzufüllen. Aber es muss noch umgesetzt werden.
Das Außenministerium lehnte es ab, eine Stellungnahme abzugeben, und verwies an den Nationalen Sicherheitsrat, der mit der Aushandlung der Angelegenheit mit dem Haschemitischen Königreich beauftragt ist. Eine diplomatische Quelle bestätigte, dass „tatsächlich diplomatische Gespräche zu diesem Thema stattfinden, an denen der Nationale Sicherheitsrat und das Außenministerium beteiligt sind. Natürlich kann das Thema nicht näher erläutert werden. Gleichzeitig finden Gespräche zwischen dem amtierenden Stabschef im Büro des Premierministers und den Leitern der Gemeinderäte statt“.
Eine beschlossene Sache
Seitens der jordanischen Regierung ist zu hören, dass das Land Anfang November unter Jordaniens Kontrolle kommen soll. Der jordanische Journalist Daud Kuttab hat das nach einer entsprechenden Anfrage erfahren. Laut Kuttab konzentrieren sich die laufenden Verhandlungen auf technische Fragen der Landabgabe. „Dieses Thema hat in Jordanien eine große politische Bedeutung“, erklärte er. „Die Leute setzten die Regierung unter Druck und warteten auf den Oktober. Soweit ich weiß, gab es keinen echten Versuch, über eine Verlängerung des Pachtvertrags zu verhandeln, und selbst wenn ein Versuch unternommen worden wäre, hätte die jordanische Regierung Nein gesagt.“
Der ehemalige israelische Botschafter in Amman, Oded Eran, ist ebenfalls der Ansicht, dass die Diskussion für Jordanien abgeschlossen ist: „An diesem Punkt haben die Jordanier beschlossen, das Abkommen, mit dem Israel beide Enklaven für weitere 25 Jahre behalten kann, nicht zu verlängern. Die Ländereien stehen unter jordanischer Herrschaft und wurden von Israel betreut. Jetzt müssen sie zurückgegeben werden.“
Jordanien habe diese Entscheidung vor einem Jahr getroffen, behauptet Eran und fügt hinzu, dass die Annexionserklärung des Jordantals von Netanjahu „zu einer hitzigen Diskussion im Parlament von Jordanien geführt hat. Einige Gesetzgeber hätten den König aufgefordert, den Friedensvertrag zu kündigen, aber das ist eine Absichtserklärung. Niemand will sie umsetzen“.
Erheblicher interner Druck
Eran zufolge betrachtet Jordanien die Aufrechterhaltung guter Beziehungen zu Israel weiterhin als zentrales Anliegen: „Aber die Regierung in Amman steht nach wie vor unter erheblichem internen Druck. Für König Abdullah ist die Entscheidung gegen die Verlängerung des Mietvertrages über Naharajim und Zofar ein Weg, um die Abgeordneten zu beruhigen, die sich dem Vertrag widersetzen, ohne ihn tatsächlich zu verletzen.“
Laut Re’uveni stellt die Reduzierung der israelischen Präsenz in der Region ein Sicherheitsrisiko dar. Denn wenn das Regime in Jordanien destabilisiert werden sollte, könnten feindliche Elemente leichter die Grenze überwinden und nach Israel eindringen.
„Wir alle wissen, wie die Dinge im Nahen Osten laufen. Plötzlich könnte ich aufwachen und der Islamische Staat oder andere feindliche Elemente werden meinen Kibbutz umgeben“, sagt Re’uveni. „Leute, die nicht hier wohnen, verstehen das nicht – sie halten es für lächerlich.“
Von: Ulrich W. Sahm