JERUSALEM / BEIRUT (inn) – Israel und der Libanon haben am Donnerstag einen Vertrag über ihre Seegrenze im Mittelmeer unterzeichnet. Die Einigung war unter Vermittlung der USA zustande gekommen.
Zunächst unterschrieben der israelische Premier Jair Lapid (Jesch Atid) in Jerusalem und das libanesische Staatsoberhaupt Michael Aun in Beirut das Abkommen. Anschließend wurde es auf einem Stützpunkt der Vereinten Nationen in Nakura im Süden des Libanons an den US-Sondergesandten Amos Hochstein übergeben. Dies berichtet die Onlinezeitung „Times of Israel“.
Das Abkommen regelt den künftigen Verlauf der Grenze im Mittelmeer. Israel erhält die Anerkennung für eine mit Bojen markierte Grenze, die der jüdische Staat bereits im Jahr 2000 fünf Kilometer vor dem Grenzübergang Rosch HaNikra errichtet hat. Der Libanon hat durch das Abkommen Anrecht auf das Gebiet nördlich der bekannten „Linie 23“.
Auch die Verfügbarkeit über die Gasfelder wurde in dem Abkommen geregelt. Israel darf die Gasproduktion im Karisch-Gasfeld aufnehmen, da das Gebiet dem jüdischen Staat zugesprochen wird. Das Karisch-Gasfeld war ein großer Streitpunkt in den Verhandlungen. Berichten zufolge beanspruchte die Regierung in Beirut einen Teil des Gasfelds – Israel konnte sich durchsetzen. Bereits am Mittwoch nahm das Gasunternehmen „Energean“ die Förderung auf. Die israelische Regierung will künftig auch den europäischen Markt mit Gas versorgen.
Dem Libanon wird zugestanden, dass er mögliches Gasvorkommen beim Kana-Stausee erschließen darf. Wie viel Gas dort tatsächlich gefördert werden kann, ist noch unklar. Beide Staaten können durch das Abkommen wirtschaftlich profitieren.
Lapid: Libanon erkennt Israel an
Am Donnerstagvormittag war das israelische Kabinett zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Die Regierung beschloss das lang umstrittene Abkommen. Nach der Unterzeichnung sagte Lapid: „Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein feindliches Land den Staat Israel in einem schriftlichen Abkommen vor der internationalen Gemeinschaft anerkennt.“
Der libanesische Präsident Aun wiegelt eine Anerkennung Israel ab. Das Abkommen habe „keine politischen Dimensionen oder Auswirkungen, die der Außenpolitik des Libanons widersprechen“. Israel und der Libanon befinden sich seit 1948 im Kriegszustand. Die beiden Staaten unterhalten keine Beziehungen miteinander. Dennoch wird das Abkommen in der internationalen Politik als stillschweigende Anerkennung Israels vonseiten des Libanons verstanden.
Beide Staaten sehen in der Unterzeichnung eine neue Errungenschaft. Lapid sagte: „Dieses Abkommen stärkt Israels Sicherheit und unsere Handlungsfreiheit gegen die Hisbollah und die Bedrohungen aus dem Norden.“ Beiruts Chefunterhändler Elias Bu Saab sagte, das Abkommen sei der Beginn einer „neuen Ära“.
Kühle Zeremonie an der Grenze
Am UN-Stützpunkt in der libanesischen Grenzstadt Nakura traf der US-Sondergesandte Amos Hochstein die israelische und die libanesische Delegation. Wie die Zeitung „Jerusalem Post“ berichtet, gab es eine Übergabe der Dokumente in einem Raum. Darüber hinaus kam es zu keinem weiteren Austausch oder Kontakt.
Hochstein zeigte sich erfreut über den „guten Willen“ beider Seiten. Es sei ein „historischer Deal“, den die beiden Staaten miteinander eingehen. Er beglückwünschte beide Delegationen und nannte das Abkommen einen „Erfolg für den Nahen Osten“. US-Präsident Joe Biden (Demokraten) schrieb auf Twitter: Das Abkommen „fördert die Interessen beider Länder und der Region, und dieser Moment markiert ein neues Kapitel des Wohlstands und der Hoffnung“.
Die Terror-Organisation Hisbollah kündigte an, das Abkommen anzuerkennen und nicht erneut Israel wegen des Grenzverlaufs anzugreifen. Der Chef der Hisbollah, Scheich Hassan Nasrallah, sprach von einem „großen Erfolg“ für den Libanon. Auch die Hamas signalisierte Unterstützung für das geltende Abkommen. (joh)
4 Antworten
Stimmt, es ist keine Anerkennung. Die Unterschrift auf dem Vertrag bestätigt aber, dass mit Israel – das für gewisse Staaten ja nicht existieren darf, eine Vereinbarung getroffen wurde. Aber wir kennen ja alle das Prinzip der Hudna. Solange es etwas nützt, kann ein Vertrag verschlossen werden, braucht man ihn nicht mehr, kann er gebrochen werden. Solange die Hisbollah den Libanon regiert und kontrolliert, ist jeder Vertrag Augenwischerei.
Lapid: „Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein feindliches Land den Staat Israel in einem schriftlichen Abkommen vor der internationalen Gemeinschaft anerkennt.“
Was zeigt uns diese Behauptung Lapids? Nach über 70 Jahren „Existenz“ des Staates Israel ist selbst dessen Ministerpräsident immere noch nicht ganz sicher, dass sein Land international „anerkannt“ wird. Auch die Tatsache, dass viele Israels noch einen zweiten Pass haben, zeigt, wie unsicher man die Zukunft dieses Staates sieht. Sehr bemerkenswert!
@Bjoern
„Nach über 70 Jahren “Existenz” des Staates Israel ist selbst dessen Ministerpräsident immere noch nicht ganz sicher, dass sein Land international “anerkannt” wird.“
Da haben Sie Lapids Aussage aber deutlich missverstehen wollen – halt Ihrer Geisteshaltung folgend.
„…, dass ein feindliches Land den Staat Israel in einem schriftlichen Abkommen vor der internationalen Gemeinschaft anerkennt.“ Dieser Ausdruck soll doch wohl nur heissen, dass feindliche Staaten (hier der Libanon) durch die Unterzeichnung des Abkommens, Israel vor der internationalen Gemeinschaft anerkennt. Israel wird vom Libanon bisher nicht (offiziell) anerkannt, wohl aber von der UNO – daran bestand und besteht kein Zweifel. 164 der 193 der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen erkannten im Oktober 2021 Israel als Staat an. 29 Staaten erkannten Israel nicht an, davon waren 15 Staaten Mitglieder der Arabischen Liga und neun weitere Mitgliedsstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit.
Also die internationale Anerkennung Israels als Staat ist doch wohl nicht zu leugnen.
Eine Bitte an Sie: lesen Sie den obigen Text nochmals in aller Ruhe durch.
Er hat feindlich gesagt, Herr Luley