Immerhin, so wurde man während der zwei Bush-Besuche nicht müde zu betonen: Besser als Bush kann’s aus israelischer Sicht nicht mehr werden. Christliche Freunde Israels und in Amerika verwurzelte messianische Juden waren maßlos enttäuscht über den eindeutigen Wahlsieg des Demokraten Barack Obama – und malen unablässig schlimmste Szenarien für den jüdischen Staat aus.
Die Israelis sind interessiert daran, dass die strategische Überlegenheit des jüdischen Staates im Kräftegleichgewicht des Nahen Ostens nicht durch amerikanische Waffenlieferungen an arabische Länder in Frage gestellt wird. So haben die beiden scheidenden Regierungschefs – US-Präsident Bush und der israelische Premier Ehud Olmert – bei einem Abschiedstreffen Mitte November im Weißen Haus darüber beraten, wie die Abschreckung des Staates Israel erhalten bleibt. Auch wurde darauf verwiesen, dass ein Brief Bushs an Ariel Scharon für Obama nicht bindend sei – wobei vermutlich vor allem an das Versprechen Bushs gedacht war, dass ein Rückzug Israels auf die Grenzen von vor 1967 nicht im Blick auf die großen Siedlungsblöcke erwartet werden könne.
Thema Atomwaffen im Mittelpunkt
Ein zentrales Anliegen aus Sicht Israels ist aber die Frage der Atomwaffen im Nahen Osten. Nicht nur angesichts des Iran wirft die neu proklamierte Gesprächsbereitschaft der Amerikaner aus israelischer Sicht manche Fragezeichen auf, sondern auch, weil die Rüstungsanstrengungen der Perser Öl ins Feuer arabischer Nuklearambitionen sind. Israels Abschreckung in diesem Bereich beruht vor allem darauf, dass es weder zugibt noch leugnet, Atomwaffen zu besitzen, und sich bislang auch durch keinerlei Kontrollverträge binden ließ. So ist die Hauptbefürchtung in Israel, dass die Obama-Administration durch neue Rüstungskontrollanstrengungen im Nahen Osten den jüdischen Staat zur Offenlegung seiner tatsächlichen Waffenarsenale zwingen könnte.
Doch die pro-israelische Stellung des Republikaners George W. Bush Junior wurde in Israel nie vorbehaltlos positiv aufgenommen. Zu viele Unbekannte enthält die Gleichung „evangelikale Christen = pro-Israel“. Und als John McCain dann die Alaska-Gouverneurin Sarah Palin als Vizepräsidentschaftskandidatin nominierte, war für viele jüdische Wähler und vor allem auch für viele Israelis klar: Die sicherheitspolitischen Fragezeichen Obamas sind bei weitem weniger risikobeladen als das Spektrum der amerikanischen Gesellschaft, das durch Frau Palin repräsentiert wird: konservativ bis engstirnig, gegen Abtreibungen und praktizierte Homosexualität, und vor allem permanent der Kriegstreiberei und christlichen Mission verdächtig.
Dass 77 Prozent der amerikanischen Juden für den Afroamerikaner Barack Obama gestimmt haben, wertet ein amerikanischer Zeitungskommentator als Abstimmung für „die Religion der amerikanischen Juden“, den Liberalismus. 90 Prozent der amerikanischen Muslime haben ebenso gewählt, was den Kolumnisten des Boston Herald zu dem Schluss veranlasst: „Smarte Moslems, dumme Juden.“ Oder aber: Der Begriff „jüdische Wähler“ ist bedeutungslos, weil die Amerikaner, die sich „Juden“ nennen, nur noch ethnisch oder nostalgisch „Juden“ sind, aber sonst mit Judentum oder gar Israel kaum mehr etwas am Hut haben.
Israelische Medien nicht enttäuscht über Obamas Sieg
Selbst wenn viele Israelis in der Wahlkampfphase für McCain gewesen sein sollten, die israelischen Medien spiegelten damals schon eine andere Stimmung wider. Nach der Wahl dann war in der durchschnittlichen israelischen Gesellschaft kaum und in den Medien überhaupt keine Enttäuschung über den Wahlsieg Barack Obamas zu spüren. Selbst eher pro-republikanisch eingestellte Israelis waren sich nach der Wahl einig: Jetzt muss man mit dem neuen Mann im Weißen Haus auskommen.
Der israelische Innenminister Meir Schitrit sieht mit dem Regierungswechsel in den USA keinerlei Probleme auf Israel zukommen. Die israelisch-amerikanischen Beziehungen sind nach Ansicht des Kadima-Ministers unabhängig davon, wer im Weißen Haus das Sagen hat: „Wir haben so viele gemeinsame Werte. Ich denke, jeder Präsident, der in den Vereinigten Staaten gewählt wird, hat eine gute Beziehung zu Israel. Israel ist einer der besten Verbündeten der USA weltweit. Ganz unabhängig von den Regierungen sind beide Länder daran interessiert, gute Beziehungen zu erhalten – und das kann nicht verändert werden.“
„Natürlich gibt es Hochs und Tiefs in einer Beziehung“, gibt Schitrit zu. „Aber wir haben hohe Erwartungen an den designierten US-Präsidenten Obama. Wir bewundern ihn dafür, dass er bereits nach zwei Jahren im Senat zum Präsidenten gewählt wurde. Das ist faszinierend. Aus meiner Sicht ist das die zweite amerikanische Revolution. Wenn man nur daran denkt, dass noch vor wenigen Jahrzehnten Schwarze in den Vereinigten Staaten nicht einmal das Wahlrecht hatten, versteht man das Ausmaß dieser Revolution. Wir haben diesen Wahlausgang mit dem Rest der Welt herzlich begrüßt.“
Israels Wahlkampf abwarten
Doch Israel selbst rutscht immer schneller in den Sog des eigenen Wahlkampfes hinein. Die israelische Presse zeigt sich beeindruckt, von was der designierte US-Präsident alles beeindruckt ist: Von der arabischen Friedensinitiative, die der israelische Präsident Schimon Peres befürwortet. Und vom „Wirtschaftsfrieden“ der Vision des israelischen Oppositionsführers Benjamin Netanjahu. Dabei bleibt vollkommen unbeachtet, dass der eine Plan die Teilung des Landes Israel so schnell wie möglich vorsieht, während der andere diese auf den Tag des Messias hinausschiebt – und in der Zwischenzeit unter israelischer Hoheit die Wirtschaft entwickeln möchte. Der Unterschied zwischen beiden Modellen ist nichts weniger als die Frage, ob es einen Palästinenserstaat geben soll, oder nicht.
In der Zeit nach dem amerikanischen Wahlkampf und vor der israelischen Wahl wäre vielleicht das Beste, abzuwarten, wie Präsident Obama seine Sache in der Praxis anpackt. Und dann sollte auch nicht vergessen werden, dass Benjamin Netanjahu – einst als kompromissloser Palästinenserfeind bezeichnet – im Rückblick derjenige israelische Regierungschef bleibt, der flächenmäßig das meiste Land an die Palästinenser abgetreten hat. Sein Nachfolger Ehud Barak dagegen wurde als „Friedenstaube“ gefeiert – und erwies sich schon kurze Zeit später als der israelische Politiker, der die Palästinenser wie kein anderer mit Raketen und Bomben in die Knie zu zwingen suchte. In den Palästinensergebieten erwarb er sich so den Namen des „Schlangenmannes“, der Frieden redet und Krieg führt. Übrigens auch im Blick auf die Siedlungspolitik bleibt es Tatsache, dass die israelischen Siedlungen in den umstrittenen Gebieten dann am stärksten gewachsen sind, wenn – aus westlicher Sicht – „Siedlungsgegner“ das Regierungssteuer in Israel in der Hand hatten, während sie zu Zeiten „rechter“ Regierungen mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen hatten.